Mehr «male energy» für die Arbeitswelt forderte kürzlich ein relativ bekannter Tech-Milliardär. Mehr Rücksichtslosigkeit, mehr Egoismus, mehr hemmungslose Profitgier – genau das fehlt doch noch in der Arbeitswelt. Schliesslich hat dieses Erfolgsrezept über Jahrhunderte hinweg bestens funktioniert, warum also jetzt etwas ändern? Und wohin soll das denn überhaupt führen, all diese Empathie und diese Wertschätzung?
Dass aber genau diese Eigenschaften durchaus wertvoll seien, erörtert die deutsche Autorin Veronika Fischer in ihrem Buch Female Working. Allerdings spickt sie ihre Argumentation mit einer gehörigen Portion Spiritualität – das wird schon zu Beginn des Buches klar – und kombiniert Wissenschaft mit Pseudowissenschaft. Ob sie damit jedoch eine echte Gegenbewegung initiieren kann, bleibt höchst fraglich, und am Ende ist das Buch vielleicht einfach ein weiteres, spirituell angehauchtes Selbsthilfebuch.
Gleichstellung in weiter Ferne
Aber gehen wir einen Schritt zurück: Frauen sind seltener in Führungspositionen, sitzen in weniger Vorständen und arbeiten häufiger in Teilzeit oder in unzureichend bezahlten Berufen. Die Gründe dafür sind strukturell und sie sind komplex.
Grundsätzlich stellen Männer gerne andere Männer ein. Berufe, die stereotyp als «Frauenberufe» gelten, sind oft einfach schlecht bezahlt. Hinzu kommt, dass Frauen nach der Geburt ihres Kindes tendenziell eher ihr Arbeitspensum reduzieren als der Nachwuchserzeuger. Das heisst aber nicht, dass die Frauen weniger arbeiten, im Gegenteil! Sie gehen einfach in Teilzeit einer Erwerbsarbeit nach und leisten unzählige Stunden Gratisarbeit: Care-Arbeit. Die Konsequenzen sind fatal: Frauen sind abhängig von ihren Partnern, schlecht abgesichert und um ein Vielfaches eher von Altersarmut betroffen.
Die Voraussetzungen für eine gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsmarkt sind also nach wie vor nicht gegeben. Lösungsansätze gibt es durchaus: Kinderbetreuung, Lohngleichheit, Frauenquoten und vieles mehr – es hakt aber bei der entsprechenden Umsetzung.
«Weibliche Qualitäten» als Lösung?
In ihrem Buch Female Working möchte Veronika Fischer aber nicht «aktuelle feministische Debatten» reproduzieren, die «den Status quo nur kritisieren.» Diese Debatten seien zwar «total berechtigt, aber auf Dauer auch entmutigend», weil «dabei oft keine konstruktiven Wege aufgezeigt werden». Deshalb wählt die Autorin einen individuellen und sehr persönlichen Lösungsansatz. Denn schliesslich wurde sie als Autorin, Journalistin und dreifache Mutter immer wieder mit der Frage konfrontiert: «Wie machst du das alles?»
Wie sie «das alles» macht, erklärt Fischer in ihrem Buch, das sie als «Workbook der anderen Art» versteht – und nicht als Selbsthilfebuch. Das Buch soll «Leser:innen inspirieren, weibliche Qualitäten aufzuwerten und Raum für mehr Selbstfürsorge zu schaffen».
Es geht Fischer um die Aufwertung von, wie sie es nennt, «weiblichen Qualitäten». Dazu hat sie zehn solcher vermeintlich «weiblichen Qualitäten» herausgearbeitet: «care», «intuition», «creation» oder «fashion». Ob diese Qualitäten wirklich mit einer Geschlechtlichkeit verschlagwortet werden sollten, sei dahingestellt.
Als kleines Extra gibt es nach jedem Kapitel thematische Interviews mit verschiedenen Personen aus Kunst, Kultur und Esoterik. Ausserdem findet sich nach jedem Kapitel eine Übung, denn: Female Working will keine trockene Theorie sein, sondern eben «ein inspirierendes Buch».
Spiritualität als vertiefende Ebene
Eigentlich geht Fischer ja durchaus methodisch vor: Sie definiert die einzelnen Qualitäten, bettet sie in einen historischen Kontext ein und stützt sich dabei auf Historiker:innen, Philosoph:innen und Soziolog:innen. Soweit, so gut, wäre da nicht die dominante Spiritualität, die jede durchaus sachliche Argumentation durchdringt.
Sorgfältig recherchierte historische Fakten, philosophische und soziologische Argumentationslinien werden mit pseudowissenschaftlichen Ansätzen vermischt. Durch Spiritualität, sagt Fischer auf Anfrage, gewinne das Buch «eine ganzheitliche Ebene», und im Spirituellen sei ja auch «viel weibliches Wissen überliefert», das vom «männlich dominierten Patriarchat» verdrängt worden sei. Spätestens wenn Fischer dann den Mondzyklus mit dem Menstruationszyklus in Verbindung bringt, könnte es für manche Leser:innen schwierig werden.
Die Kernaussage des Buchs bleibt dann auch relativ simpel: Wer sich erst mal von der eigenen, tief verankerten Selbstabwertung befreit hat, kann endlich in voller Pracht aufgehen. Knalliges Rot und Rosa – alles wunderbar! Genauso erblüht auch die Blume auf dem Buchcover. Die gewonnenen Einsichten und Schlussfolgerungen sind weder wahnsinnig überraschend noch revolutionär.
Schlimmer noch: Die eigentlich spannende Fragestellung und die gesellschaftlich enorm relevante Thematik verlieren durch die Anreicherung mit Spiritualität an Klarheit. Statt einer tiefgehenden Analyse entsteht ein esoterischer Einheitsbrei, der die Komplexität des Themas mehr verwässert als erhellt. Die Diskussion über eine gerechtere, nachhaltigere Arbeitswelt ist längst überfällig. Und sie verdient es, mit aller nötigen Ernsthaftigkeit geführt zu werden – ohne Rücksicht, aber eben auch ohne Rosenquarz.
Veronika Fischer: Female Working. Verlag Kremayr & Scheriau, Wien 2025.
Female Working: Buchpremiere mit Autorin und Workshop, 9. März, 14 Uhr, Apollo Kreuzlingen