Zu teuer für eine Zwischenlösung

In St.Fiden sollte ein neues Kulturhaus entstehen, doch der Stadtrat hat das Projekt abgesägt, ohne es ins Parlament zu schicken. Stadtpräsidentin Maria Pappa nimmt Stellung zum Entscheid.
Von  Corinne Riedener
Blick vom Zwischengeschoss in die Halle an der Oststrasse 25.

Saiten: Die Suche nach einem geeigneten Haus für die freien Theater- und Bühnenschaffenden läuft schon seit geraumer Zeit. Die Stadt hat sich dafür mit den Kulturschaffenden zusammengetan. Zuletzt wurden Liegenschaften unter anderem an der Bogenstrasse, der Haggenstrasse und sogar eine alte Kirche in Betracht gezogen. Wie haben Sie diesen Prozess bisher erlebt?

Maria Pappa: Die Zusammenarbeit mit den Kulturschaffenden war grundsätzlich gut. Rasch war aber klar, dass es alles andere als einfach wird, eine bezahlbare bestehende Liegenschaft zu finden, die den Bedürfnissen der Kulturschaffenden entspricht. Was auf den ersten Blick Begeisterung auslöste, war auf den zweiten Blick oft ungeeignet. So war es zum Beispiel an der Bogenstrasse. Das Haus an der Haggenstrasse war zwar halbwegs tauglich, zumindest tauglicher als die bisherigen Optionen, aber auch dort gab es Grenzen. Wir dachten auch über einen günstigen Neubau nach, aber einen geeigneten Boden in der Stadt haben wir auch noch nicht gefunden.

Die Oststrasse 25 hätte viele Kriterien der Kulturschaffenden erfüllt. Wie war aus städtischer Sicht die Bewertung des Projekts hinsichtlich der Machbarkeit?

Der Ort wäre sehr geeignet für einen Publikums- und Probebetrieb, wie es das Konzept vorsieht. Und mit einigen baulichen Massnahmen hätte er auch gesetzlich notwendige Bedingungen wie den Brandschutz erfüllt. Das wurde uns auch vom Hochbauamt so bestätigt.

Stadtpräsidentin Maria Pappa leitet die Direktion Inneres und Finanzen, der auch die Kulturförderung untersteht.

Warum wurde das Projekt vom Stadtrat trotzdem nicht dem Parlament überwiesen?

Weil es nur eine Zwischennutzung wäre. Der Mietvertrag kann aktuell nur bis Ende Juni 2026 abgeschlossen werden. An dieser offiziellen Frist muss sich der Stadtrat orientieren, selbst wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausstellt, dass die Zwischennutzung vielleicht auch drei Jahre dauern könnte. Wir können es uns bei der derzeitigen finanziellen Situation der Stadt nicht leisten, für eineinhalb Jahre einen Betrag von über 400’000 Franken auszugeben für ein Haus, das uns nicht einmal gehört. Das ist einfach zu teuer.

Aber die Stadt hat doch vier Millionen für ein Haus für die Freien in die Investitionsplanung eingestellt.

Ja, das stimmt. Aber dieses Geld ist für ein definitives Haus vorgesehen. Die 400’000 Franken für die Oststrasse 25 wären keine Investition, sondern eine einmalige Ausgabe.

Es wäre vielleicht eine kulturelle Investition gewesen. Das Haus hätte als Testballon dienen können, um zu eruieren, was ein definitives Kulturhaus dereinst konkret bräuchte und was nicht.

Klar, wenn das Geld da wäre, hätten wir das sicher gerne in Betracht gezogen. Aber die städtische Finanzlage ist aktuell wie schon gesagt alles andere als rosig. Von allen Seiten wird uns sehr genau auf die Finger geschaut. Hinzu kommen die ermüdenden Debatten im Kantonsrat über die Vergütung von Zentrumslasten. Uns als Stadt wird ständig vorgeworfen, dass wir zu viel Geld ausgeben, dabei sind wir seit Jahren am Sparen.

Einverstanden, es herrscht Spardruck, aber gleichzeitig wurde beispielsweise 2025 für die Sanierung und den Ausbau des Textilmuseums ein Baubeitrag von 7,5 Millionen Franken in der städtischen Investitionsrechnung eingestellt. Es könnte der Eindruck entstehen, dass lieber Leuchttürme gefördert werden als der kulturelle Humus.

Dieser Eindruck ist falsch. Wir versuchen allen gerecht zu werden. Der Bedarf beim Textilmuseum ist schon seit Jahren formuliert worden, ähnlich wie der Bedarf bei den freien Kulturschaffenden. Nur ist diese Investition langfristiger, sprich kein Zwischennutzungsprojekt. Zudem konnten wir für das Textilmuseum auch nicht den ganzen angefragten Betrag ins Budget einstellen.

Der Stadtrat hat das Projekt nicht ins Parlament gegeben, obwohl der Entscheid für oder gegen ein Kulturhaus dort breiter abgestützt gewesen wäre. Geschah das prophylaktisch aus Angst, dass das linksgrün dominierte Parlament Ja dazu sagt?

Das wäre ziemlich sicher nicht passiert. Wir gehen davon aus, dass das Parlament die Vorlage abgelehnt hätte. In der gegebenen finanziellen Situation wäre es schwer gewesen, dafür Mehrheiten zu finden.

Auf dem ehemaligen Grossenbacher-Areal, zu dem auch die Oststrasse 25 gehört, ist ein grosses Bauprojekt in der Pipeline. Hat der Stadtrat das Kulturhaus auch vorauseilend abgesägt, um die dortigen Investoren bei Laune zu halten?

Nein. Das Projekt ist bereits sehr weit fortgeschritten. Wir gehen davon aus, dass es dort keine Verzögerungen gibt – zumindest keine nennenswerten.

Seit 2020 ist ein Haus für die Freien im Kulturkonzept der Stadt St.Gallen verankert. «Das ist und bleibt ein Lippenbekenntnis», kritisieren die Initiant:innen des Kulturhauses an der Oststrasse nach dem Stadtratsentscheid. Können Sie das nachvollziehen?

Ich kann den Frust verstehen. Sie haben viel Zeit und Geld in die Suche nach einem geeigneten Haus investiert. Gleichzeitig haben die städtischen Dienststellen ebenfalls Zeit und Geld in dieses Projekt investiert. Ich will betonen, dass wir nach wie vor offen und interessiert sind an einer Lösung, die für alle stimmt. Leider können wir im Moment keine passende Liegenschaft aus dem Hut zaubern. Wir bleiben auf jeden Fall zusammen mit dem Kanton dran. Vielleicht gäbe es ja auch ausserhalb der Stadt prüfenswerte Optionen.

Mehr zum von Ernest Brantschen geplanten Grossenbacher-Areal ist hier oder im Sommerheft von Saiten nachzulesen, Genaueres über das die Liegenschaft Oststrasse 25 gibt es hier.