Zerrissener Süden

Wir waren alle schon mal am Strand. Wir sahen das Meer, das gleissende Licht und die weissen Häuser Andalusiens. Und wir kehrten begeistert von Spaniens Anmut zurück.
Nicht so bei Garzóns Fotografien. Sie zeigen zwar ebenfalls Licht, Meer und karge Landschaft. Doch etwas ist anders. Die Anmut fehlt. Stattdessen tauchen Fragen auf.
Weshalb hat der Fisch keinen Kopf? Wer wohnt in diesen leeren Zimmern? Was bedeutet der an der Wäscheleine aufgehängte Mauersegler? Was will uns der Künstler sagen?
Isaac Garzón (1978, Huelva) ist Spanier, aber in St.Gallen aufgewachsen. Vor kurzem kehrte er nach Jahren in Andalusien in die Ostschweiz zurück. Seine Ausstellung «Tú no me quieres» (Du liebst mich nicht) setzt sich mit den gewonnenen Erfahrungen im tiefen Süden auseinander.
Vielleicht liebt Spanien Garzón nicht. Oder umgekehrt. Jedenfalls kann Garzón ein Land nicht lieben, das unter Korruption, Gier, Machenschaften und Geschichtsvergessenheit ächzt. Daher hat der Künstler an den Aktionen der «Indignados», der Empörten, teilgenommen. Jener Protestbewegung für eine wirkliche Demokratie, die auf der ganzen Welt Schlagzeilen macht.
Der Empörung gegen ungerechte Verhältnisse, gegen Scheindemokratie, gegen die Dominanz des Postfranquismus in den Institutionen Spaniens ist in seinen Fotografien nur ganz verdeckt sichtbar. Bleibt subtil im Hintergrund. Doch genau dies macht seine Kunst fruchtbar. Sie hinterlässt Unruhe. Es ist die Unruhe der Empörten, die es nicht länger hinnehmen wollen, dass die Welt einfach so ist, wie sie ist. Garzóns Ausstellung, von Rahel Flückiger kuratiert, gibt Einblicke in ein zerrissenes Land.
Vernissage: Freitag, 25. April, 19 Uhr, Galerie vor der Klostermauer, St.Gallen.
Die Ausstellung dauert bis 18. Mai. Infos: klostermauer.ch
Bild: Isaac Garzón, «Las pinzas», Fotografie 2013, ca. 30 x 45 cm, Perlglanz Fotopapier