Zeiten überbrücken

185 Jahre Brückenbaukunst repräsentiert die dreiteilige Thurbrücke in Eschikofen. Es ist das älteste Brückenbauwerk im Thurgauer Kantonsstrassennetz und war für knapp 100 Jahre die wichtigste Verkehrsverbindung im Kanton. Kürzlich wurde die Brücke saniert.

Die Stre­cke von Frau­en­feld über Wein­fel­den bis zum obe­ren Bo­den­see stellt seit je­her ei­ne über­re­gio­nal be­deu­ten­de West-Ost-Ver­bin­dung dar. Mit der in den 1837 er­rich­te­ten Holz­brü­cke in Eschi­kofen ent­stand die kür­zes­te Tran­sit­rou­te. Auf­grund meh­re­rer Hoch­was­ser so­wie der Kor­rek­tur des Thur­ver­laufs wur­de der höl­zer­ne Über­gang En­de des 19. Jahr­hun­derts nörd­lich durch ei­ne so­ge­nann­te Vor­land­brü­cke aus Stahl er­wei­tert. So nennt man den Teil, der noch über Land ver­läuftJe­doch zer­stör­te nur we­ni­ge Jah­re spä­ter ein ver­hee­ren­des Hoch­was­ser die Stahl­kon­struk­ti­on so­wie den zu­ge­hö­ri­gen Zu­fahrts­damm, wes­halb die bis­he­ri­ge Vor­land­brü­cke ver­län­gert wer­den muss­te. Die his­to­ri­sche Holz­brü­cke hin­ge­gen über­stand die­se Na­tur­ka­ta­stro­phe ei­ni­ger­mas­sen un­be­scha­det. 

Mit­te des 20. Jahr­hun­derts wur­de dann 250 Me­ter wei­ter fluss­ab­wärts die ers­te gros­se Spann­be­ton­brü­cke der Schweiz von In­ge­nieur Emil Schubi­ger er­rich­tet. Fort­an war die Eschi­ko­fer Brü­cke für Fuss­gän­ger:in­nen und Rad­fah­rer:in­nen ge­öff­net. Trotz die­ser Um­nut­zung ist der drei­tei­li­ge Bau als ei­ne der we­ni­gen im In­ven­tar der his­to­ri­schen Ver­kehrs­we­ge der Schweiz (IVS) ver­zeich­ne­ten Thur­gaui­schen Kunst­bau­ten er­hal­ten ge­blie­ben. Die Kom­bi­na­ti­on ver­schie­de­ner Kon­struk­tio­nen und Ma­te­ria­li­en macht bei die­ser Brü­cke die Ent­wick­lung des In­ge­nieur­baus und die Brü­cken­bau­kul­tur an­schau­lich. Mit fi­nan­zi­el­ler Un­ter­stüt­zung durch das Bun­des­amt für Stras­sen AS­TRA wur­de der In­ge­nieurs­bau im letz­ten Jahr wie­der in­stand­ge­setzt.

Spu­ren der Zeit

Brü­cken ver­bin­den, was Was­ser trennt – gleich­zei­tig stel­len das Was­ser und die üb­ri­gen Na­tur­ge­wal­ten ei­ne gros­se Be­dro­hung für sol­che In­ge­nieurs­bau­ten dar. Das zeig­te sich auch an den stäh­ler­nen, je 110 Me­ter lan­gen Vor­land­brü­cken in Eschi­kofen: Wäh­rend sich der his­to­ri­sche, über­dach­te Holz­teil noch im­mer in gu­tem Zu­stand be­fin­det, wa­ren die jün­ge­ren Er­wei­te­run­gen aus Stahl von Wind und Wet­ter schwer ge­zeich­net. Al­te­rungs­pro­zes­se hat­ten den Ober­flä­chen zu­ge­setzt. Die durch Ver­wit­te­rung und Kor­ro­si­on ent­stan­de­nen Schä­den muss­ten be­ho­ben wer­den. 

Be­son­de­re Auf­merk­sam­keit er­hielt bei der Re­stau­ra­ti­on die ers­te Vor­land­brü­cke von 1885, de­ren ori­gi­na­le Ei­sen­pro­fi­le der Fahr­bahn, so­ge­nann­te Zo­res-Ei­sen, von ei­nem ganz be­son­de­ren bau­kul­tu­rel­len Wert sind. Er­sicht­lich wer­den die­se nur bei der Sei­ten­an­sicht des Fahr­bahn­auf­baus – ein un­ge­wöhn­li­cher Blick­win­kel, der dank des Brü­cken­ver­laufs über Land mög­lich ist. So be­mer­kens­wert der Auf­bau auch ist, er bil­det zu­gleich die Schwach­stel­le der Kon­struk­ti­on: Durch die Ris­se der Fahr­bahn­plat­te ist über die Jah­re hin­weg chlo­rid­hal­ti­ges Was­ser ein­ge­drun­gen und hat die dar­un­ter­lie­gen­den Quer- und Längs­trä­ger der Ei­sen­kon­struk­ti­on an­grif­fen. Auch die Holz­pfäh­le sind ge­fault, wo­durch die Tie­fen­fun­da­ti­on der Pfei­ler und der Wi­der­la­ger nicht mehr in­takt wa­ren. Aus­ser­dem wa­ren die Brü­cken fast acht Zen­ti­me­ter ver­scho­ben, weil das Wi­der­la­ger ver­kippt ist.

Alt trifft neu

Der Kor­ro­si­ons­schutz muss­te er­neu­ert wer­den. Ein End­querträ­ger und fünf klei­ne­re Kon­sol­trä­ger so­wie die ge­sam­te Fahr­bahn wur­den aus­ge­tauscht, auch meh­re­re Be­ton­ele­men­te und sämt­li­che La­ger wur­den in­stand­ge­setzt. Auch die Ver­schie­bung des Brü­cken­ober­baus von zwei­ein­halb bzw. acht Zen­ti­me­tern wur­de kor­ri­giert. Jetzt fol­gen die Brü­cken wie­der dem ei­gent­li­chen Ver­lauf.

Ih­re ur­sprüng­li­che Er­schei­nung blieb er­hal­ten, doch es wur­den ak­tu­el­le Ma­te­ri­al­stan­dards be­rück­sich­tigt, um das Bau­werk für die Zu­kunft fit zu ma­chen. Das Chu­rer In­ge­nieur­bü­ro Con­zett Bron­zi­ni Part­ner hat im Rah­men der In­stand­set­zung die un­dich­ten Fahr­bahn­plat­ten ge­gen ei­ne neue, dün­ne­re Va­ri­an­te aus­ge­tauscht und die­se mit ei­nem ze­ment­ge­bun­de­nen Ul­tra-Hoch­leis­tungs-Fa­ser­ver­bund-Bau­stoff (UHFB) über­gos­sen. Die­se Aus­füh­rung schützt die Stahl­kon­struk­ti­on vor ein­drin­gen­dem Was­ser, lässt vor­han­de­nes Was­ser kon­trol­liert ab­flies­sen und spart erst noch Ge­wicht: Die Dau­er­las­ten an der Ober­kan­te der Pfei­ler so­wie der Wi­der­la­ger konn­ten um 35 Pro­zent re­du­ziert wer­den. Die­se Ge­wichts­re­duk­ti­on er­mög­lich­te es, die Längs­trä­ger wei­ter­zu­ver­wen­den, trotz ih­rer, der Al­te­rung ge­schul­de­ten ver­min­der­ten Trag­fä­hig­keit. Auch das Tie­fen­fun­da­ment muss­te so nicht er­neu­ert wer­den. Aus­ge­tauscht wur­den hin­ge­gen Pfei­ler und Wi­der­la­ger.

Dank der um­fang­rei­chen Sa­nie­rungs­ar­bei­ten bleibt das his­to­ri­sche Brü­cken­en­sem­ble als prä­gnan­te Land­mar­ke in­mit­ten der grü­nen Land­wirt­schafts­zo­ne ent­lang des Thu­ru­fers er­hal­ten. Und es zieht mit neu­er Far­be die Bli­cke auf sich: Mit ei­ner auf­fal­lend ro­ten La­ckie­rung wur­de dem En­sem­ble ein un­ver­kenn­ba­rer Cha­rak­ter ver­lie­hen. Das hebt die Äs­the­tik der Kon­struk­ti­on noch­mals her­vor. Und es un­ter­streicht die bau­kul­tu­rel­le Be­son­der­heit der Brü­cken­tri­lo­gie so­wie die ge­schicht­li­che Be­deu­tung der Fluss­que­run­gen in der Th­ur­land­schaft. 

Gutes Bauen Ostschweiz

Die Ar­ti­kel­se­rie «Gu­tes Bau­en Ost­schweiz» möch­te die Dis­kus­si­on um ei­ne re­gio­na­le Bau­kul­tur an­re­gen. Sie be­han­delt über­grei­fen­de The­men aus den Be­rei­chen Raum­pla­nung, Städ­te­bau, Ar­chi­tek­tur und Land­schafts­ar­chi­tek­tur. Fra­gen zum Zu­stand un­se­rer Bau­kul­tur und der Zu­kunft der Pla­nung wer­den eben­so be­spro­chen wie an­de­re, et­wa wie die Kli­ma­kri­se zu be­wäl­ti­gen ist und wel­chen Bei­trag das Bau­en da­zu leis­ten kann, oder wie die Ver­dich­tung his­to­risch wert­vol­ler Dör­fer und Stadt­tei­le ge­lin­gen kann.

Die Se­rie wur­de lan­ciert und wird be­treut durch das Ar­chi­tek­tur Fo­rum Ost­schweiz (AFO). Das AFO ver­steht al­le For­men an­ge­wand­ter Ge­stal­tung un­se­rer Um­welt als wich­ti­ge Be­stand­tei­le un­se­rer Kul­tur und möch­te die­se ei­ner brei­ten Öf­fent­lich­keit nä­her­brin­gen.

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