Zahltag im Frauenfussball

Die Frauen des FC St. Gallen mischen in der laufenden Saison ganz vorne mit. Und mit dem Erfolg kommt hoffentlich auch die finanzielle Anerkennung. Doch bereits mit 500 Franken im Monat gelten Fussballerinnen in der Schweiz als Nicht-Amateurinnen. Von den FCSG-Spielerinnen erhält nicht einmal jede Zweite eine solche Entschädigung. Die Männer hingegen sacken in der Super League im Durchschnitt rund 14’000 Franken ein – pro Monat.
FCSG-Cheftrainerin Marisa Wunderlin vergleicht ihr Team gerne mit einem Start-up, das auf Mitarbeiterinnen angewiesen ist, die alles für das Unternehmen geben. Sie ist als einzige im Staff zu 100 Prozent angestellt. Professionalisierung, Ausbildung, Vermarktung, Finanzierung – das sind die wichtigsten Themen, bei denen die ehemalige Assistenztrainerin der Frauen-Nati Nachholbedarf sieht. Doch wie sollen Schweizer Fussballerinnen mit den besten der Welt mithalten können, wenn sie sechs bis acht Stunden schuften müssen, bevor sie trainieren können?
Schauen wir in die USA: Wer Soccer sagt, meint Frauenfussball. Die US-Kickerinnen haben das Männerteam längst überholt. Die vierfachen Weltmeisterinnen stehen auf Rang 1 des FIFA-Rankings (US-Männer: 18). 2022 einigten sich die Spieler:innen-Gewerkschaften mit dem US-Verband auf einen historischen Kollektivvertrag: Frauen und Männer erhalten künftig den gleichen Lohn. Auch schüttet der US-Fussballverband einen Teil seiner Einnahmen aus TV-Übertragungen, Ticketverkäufen und Sponsoring zu gleichen Teilen an beide Teams aus.
Auch die National Women’s Soccer League (NWSL) setzt immer wieder neue Massstäbe. Die Kansas City Current spielen seit dieser Saison in ihrer eigenen Arena, dem ersten professionellen Frauenfussballstadion der Welt. Die 11’500 Plätze sind während der ganzen Saison ausverkauft. Die FCSG-Frauen haben keine feste Spielstätte – mal laufen sie im Espenmoos auf, mal im Kybunpark und manchmal müssen sie für ihre Heimspiele sogar nach Wil ins Bergholz.
Tatjana Haenni, die einflussreichste Frau im Schweizer Fussballverband (SFV), wechselte vor zwei Jahren in die USA ins Machtzentrum des Frauenfussballs. «Wir sind ein Business», erklärt die NWSL-Direktorin die amerikanische Frauenprofiliga. Gibt es für die Liga einen Verlust, tragen ihn die Clubs gemeinsam. Haenni betreibt weiterhin Lobbyarbeit für den Schweizer Frauenfussball. Sie fordert für die Heim-EM, dass innerhalb des SFV eine eigene Frauenfussball-Abteilung geschaffen werden muss.
Haenni vergleicht die Strukturen des Fussballs mit jenen in der Filmbranche: Sie seien starr, und wer die Macht habe, sei nicht an einer Erneuerung interessiert. Erst 129 Jahre nach der Gründung des SFV sind 2024 erstmals zwei Frauen in den Zentralvorstand gewählt worden – es ist aber abzuwarten, ob zwei Politikerinnen statt der vorgeschlagenen Expertinnen dem Frauenfussball den nötigen Schub verleihen können.
Der Song zum Text: Qui? von Lou Kaena. Die Newcomerin rappte die Euro 2025 mit ihrem frechen Auftritt am Bewerbungsanlass in die Schweiz. Ihre Botschaft: So selbstbewusst, wie sie die männerdominierte Hip-Hop-Szene aufmischt, so selbstbewusst soll sich der Frauenfussball an der EM in der Schweiz präsentieren.