Wunderbar – ein verkanntes Baudenkmal

Arbon hat den Abbruch des Restaurants und Hotels Wunderbar am Quai bewilligt, doch noch sind die Rekurse dagegen vom Kanton nicht behandelt. Für die Denkmalpflege, den Heimatschutz und viele Architekturhistoriker ist klar: dieser einmalige Bauzeuge gehört geschützt.
Von  René Hornung
Über Denkmalschutz wurde bisher kaum gesprochen: Die Wunderbar in Arbon. (Bilder: pd)

Da lag ein Leserbriefschreiber gründlich daneben: Es handle sich hier ja nur um eine Baracke, die die Firma Saurer nach der Landi 1939 als Kantine nach Arbon gezügelt habe, meinte er letzten Sommer. Alles falsch!

Ein Blick in die Archive zeigt: Bei der ehemaligen Saurer-Kantine handelt es sich zwar um ein als Provisorium gedachtes Bauwerk, aber um einen einmaligen und architektonisch gut gestalteten, sogenannten Durisol-Bau. Geplant wurde er speziell für den Bauplatz am See, im Garten der ehemaligen Saurer´schen Villa, vom Zürcher Architekturbüro Dubois und Eschenmoser. Errichtet wurde er innerhalb von nur dreieinhalb Monaten im Jahr 1945.

Der Beitrag in «Werken Bauen Wohnen.

Die Zeitschrift «Werk Bauen Wohnen» lobte im April 1950: «Es lag den Architekten daran, durch eine abwechslungsreichere Fassadengestaltung als dies die normale und oft angewendete Durisol-Bauweise gestattet, die Architektur des Gebäudes entsprechend seinem Zwecke so ansprechend als möglich zu gestalten.» Erreicht wurde dies mit abwechselnd breiteren und schmaleren Fenster- und Fassadefeldern. Dazu kam die Farbgebung mit unterschiedlich grauen Pfosten und hellen Fassaden. Besonders gelobt wurde auch die Gestaltung des Gartens.

Die Architekten Dubois und Eschenmoser planten wegen des unstabilen Baugrundes einen Leichtbau, konstruiert aus einem Holzrahmengerüst und ausgefacht mit dem damals bekannten Durisolplatten. Das Besondere am Holzrahmen sind die nach wie vor zu bewundernden V-Stützen im Innern.

Die Durisolplatten wurden seit 1938 in Dietikon ZH aus kurzen, mineralisierten Holzspänen und Zement hergestellt und galten als Abfallverwertungsprodukt. Sie hatten eine standardisierte Grösse von 50×141 cm und waren je nach Ausführung zwischen 4 und 8 cm dick. Dank Nut und Kamm an den Stirnseiten konnten sie wie ein Parkett zusammengesteckt werden.

Industriearchitektonische Bijous: Die V-Stützen im Innern der Wunderbar.

Die dickeren Ausführungen wurden als Fassadenplatten verwendet und mit einem Zementabrieb witterungsbeständig gemacht, Innen wurden die Platten vergipst. Für den Anbau der Saurer-Kantine wurden damals neuartige, 14 cm dicke Vertikalplatten verwendet, die ohne Traggerüst verbaut werden konnten.

Von der Kantine zum Hotel

Ursprünglich bot die Kantine 340 Essensplätze mit der vermutlich ersten Selbstbedienungs-Kantine weitherum. 1974 wurde ein Teil zu einem bedienten Restaurant umgebaut und 1989 gab Saurer die Kantine auf. Zuerst zogen ein Surfshop und ein Grafikbüro ein. Seit 2010 wird hier das Restaurant und Hotel Wunderbar betrieben. Die Wunderbar gehört zusammen mit weiteren und benachbarten ehemaligen Saurer-Gebäuden heute ZIK Immobilien. Sie wollten die ehemalige Kantine abbrechen und das Areal als Installationsplatz für Umbauten in der Nachbarschaft nutzen.

Der Garten für die Hotelgäste

Weil die Wunderbar inzwischen weitherum bekannt ist, auch weil sie direkt an der Bodensee-Veloroute liegt, kam es zu einer breiten Protestwelle gegen den Abbruch. Es wurden mehrere tausend Petitionsunterschriften gesammelt und es gibt zahlreiche Facebook-Kommentare. Dabei wird meist mit der Qualität des Betriebs und dessen besonderer Lage argumentiert – auf die baugeschichtliche Bedeutung wurde bisher kaum hingewiesen, was der Geschäftsleiter des Thurgauer Heimatschutzes, Gianni Christen, bedauert.

Ein einzigartiger Bauzeuge

Denn für die Denkmalpflege, den Heimatschutz und viele Architekturfachleute ist klar: es handelt sich hier um einen weitherum einmaligen Bauzeugen. Die Thurgauer Denkmalpflege hat denn auch – trotz verschiedener Umbauten im Innern und dem versetzten Eingang – in ihrem Hinweisinventar den Bau als «wertvoll» eingestuft: «Das Wohlfahrtsgebäude der Moderne zählt aufgrund seiner historischen und ortsbaulichen Eigenschaften sowie seiner architektonischen Gestaltung und Konstruktion zu den bedeutenden Bauten am Ort.» – Die Gebäude in der Kategorie «wertvoll» sind allerdings nur dann geschützt, wenn die Gemeinden dies so entscheiden.

Im Jahresband 2017 der Thurgauer Denkmalpflege – er stellt Bungalow-Bauten vor – findet sich eine ausführliche Dokumentation samt Informationen zum damaligen Baubewilligungsverfahren und den Landabtretungsverträgen. Das Fazit hier: «Aus konstruktiver und funktionaler Sicht» sei der Bau in der weiteren Umgebung mit seiner schlichten Eleganz der Architektur einzigartig. Die ehemalige Kantine ist auch in weiteren Publikationen zur Industriearchitektur aufgeführt und das Hotel Wunderbar ist in der Heimatschutz-Publikation der 100 schönsten Hotel der Schweiz aufgeführt.

Konkurrenz gleich nebenan

Gleich neben der Wunderbar entsteht vor dem Saurer Museum eine neue Strandbar. Das Gesuch dafür hat ebenfalls ZIK Immobilien eingereicht. Der Kiesplatz vor dem Museumseingang gehört allerdings der Stadt Arbon. Neben dem Bar-Container, der anfang August dort gerade eingerichtet wird, sollen auch zwei ausgemusterte Postautos aus den frühen 1970er-Jahren aufgestellt werden. Als Wirtin tritt Astrid Dörig auf, die früher in Altstätten das «Kultlokal» Breite geführt hatte.

Nachdem in Vermittlungsgesprächen zwischen der Liegenschaftsbesitzerin, dem Heimatschutz, der Ortsbildschutzkommission und verschiedenen kantonalen Ämtern unter Leitung der Stadt Arbon keine Einigung möglich war, liegt der Ball nun beim Departement Bau und Umwelt. Nicht nur der Heimatschutz, auch die SP Arbon hat gegen die Abbruchbewilligung beim Kanton rekurriert. Verlangt wird eine nachträgliche Unterschutzstellung und eine Neubeurteilung der kulturhistorischen Relevanz des Hauses. Denn die Bedeutung der Saurer-Gebäude habe sich in den letzten Jahren nochmals stark geändert, argumentiert beispielsweise der Heimatschutz. Parallel laufen auch mehrere juristische Auseinandersetzungen rund um Fragen der Mieterstreckung, der Mieterausweisung und um die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Arbon in diesen Fragen.

ZIK Immobilien hat inzwischen angeboten, die Wunderbar für einen symbolischen Franken zu verkaufen, vorausgesetzt es findet sich dafür ein neuer Standort. Dafür war schon der Arboner Hafendamm im Gespräch, doch dort ist noch eine Planung am Laufen und eine Expertise kam auf Kosten von bis zu 5 Millionen Franken, wenn der Bau zerlegt und an einem anderen Ort neu aufgebaut werden sollte und dort neue Ver- und Entsorgungsleitungen nötig sind. Die Stadt Arbon lehnte es deshalb aus Kostengründen ab, die Wunderbar zu übernehmen.

Angesichts der verschiedenen Rechtsverfahren bleibt die Wunderbar aber wohl noch länger in Betrieb, denn Wirtin Simone Siegmann und ihre Crew haben bisher trotz Kündigung und Ausweisungsbegehren entschlossen weitergemacht. ZIK Immobilien scheint sich vorerst damit abgefunden zu haben, denn kürzlich gab die Liegenschaftenbesitzerin bekannt, man werden den Umbau und die Sanierung der benachbarten ehemaligen Saurer-Bürogebäude an der Weitegasse nun ohne den anstelle der Wunderbar vorgesehenen Installationsplatz beginnen, was allerdings in der Altstadt zu mehr Lastwagenverkehr führen werde.

Die ehemaligen Sauerer-Büros an der Weitestrasse