Wo sind die Dübel? (Neumarkt 2)
Der umgebaute Neumarkt kommt jetzt schon in Kabarettnummern vor. Man fragt sich weiterhin: Was haben sich die Planer gedacht?

Man kann sicher sein, dass sich die Entwickler des Migrosmarkt im Neumarkt viel überlegt haben. Die Sortimentsgestaltung ist inzwischen eine halbe Wissenschaft.
Beobachtet man aber die Kunden im Laden (und sich selber), muss vieles falsch gelaufen sein.
Wie solche Gespräche von Planern laufen, hat 2001 der Essay-Filmer Harun Farocki festgehalten. In «Schöpfer der Einkaufswelten» lässt er Entwickler und Architekten über ihre Konzepte reden. Er ist an Sitzungen dabei oder filmt die Monologe der Experten. Sie reden über den Dorfcharakter von Shopping Malls oder dass eine Eisdiele am besten zum kühlen Ambiente passt. In einer Sequenz kritisiert einer der Planer einen Entwurf, der vor ihm liegt. Es könnte ein ähnlicher Grundriss sein wie der Neumarkt. Er sagt leicht verächtlich: «Das ist ein Wege-Labyrinth». Das Rezept ist für ihn klar: Es brauche ein Wegsystem, «das den Kunden ganz klar führt, sodass er in jedem Bereich weiss, wo er gerade ist.»
Offenbar verteilen sie inzwischen im Neumarkt kleine Pläne, wenn die Kunden nicht mehr weiterwissen.
Immerhin hat sich die Unübersichtlichkeit bereits zu einem allseits verbindenden Stadtthema entwickelt und ist knapp zwei Monate nach der Eröffnung schon Thema im neuen Programm des Cabaret Sälewie.
Natürlich könnte man sich fragen, ob ein Einkaufszentrum soviel Beachtung verdient. Dem kann man entgegnen: Der Neumarkt hat eine städtebaulich wichtige Funktion: Er schliesst die Ladenstrassen der Innenstadt gegen Westen hin ab. Und er bietet rund um die Max-Oertli-Skulptur einen kleinen, belebten Platz, in dem sich Randständige mit Passanten mischen. Das Einkaufszentrum ist aber vor allem ideal erschlossen: Sämtliche Buslinien und Postautokurse sowie der Bahnhof befinden sich in nächster Nähe.
Deshalb spielt beispielsweise das Sortiment eine Rolle.
Um ein Thema aufzunehmen, das in einem Kommentar zum früheren Beitrag «Lost in the Supermarket» erwähnt wird:
«Wo sind die Dübel?»
Mit dem Umbau ist die Do-it-Yourself-Abteilung verschwunden. Der Laden war fast die einzige Möglichkeit im Stadtzentrum, um beispielsweise eine Bohrmaschine, einen Pack Sechser-Dübel, einen Kanister Lack oder eine Schneeschaufel besorgen.
Zu dieser neuen Leerstelle im städtischen Angebot gibt es eine Diskussion auf Migipedia, einem Onlineangebot der Migros. Die Moderatorin bestätigt dort, «dass ein Teil des Do-it-Sortiments in die umgebaute Filiale im Neumarkt St. Gallen integriert wurde. Damit ist das gesamte Angebot näher beieinander und Kunden müssen nicht zwischen verschiedenen Gebäuden hin und her wechseln.»
Tatsächlich gibt es einen Teil des Sortiments weiterhin. In einem eher abgelegenen Bereich des Migrosmarkts finden sich einige Regale mit Heimwerker-Bedarf. Das Angebot ist im Vergleich rudimentär: Dübel gibt es zwar, aber nur noch in der unpraktischen Kombi-Plastikbox mit Schrauben in diversen Grössen.
Das ist wie wenn man feststellt, dass es auch nach dem Ende des Musik Hug noch Plattenläden in der Innenstadt hat – und beispielsweise den Manor meint.
Es gibt noch andere Themen rund um den Neumarkt.
Beispielsweise der fehlende Komfort der Bushaltestelle Bleicheli.
Die Passagiere der VBSG müssen bei Regen oder Schnee entweder weiterhin im Freien stehen oder sich in den Eingang des Neumarkts verkriechen. Wieso wurde mit dem Umbau kein besserer Unterstand geplant? Dazu muss nun der Stadtrat Stellung nehmen. Der Stadtparlamentarier der Grünen, Andreas Hobi, hat dazu eine einfache Anfrage eingereicht, die im Moment noch nicht online verfügbar ist.