«Wir wollen uns als zweite Kraft etablieren»

Als Peter Wanner gemeinsam mit einem Kadermitglied des Konzerns zur Vertragsunterzeichnung auf der Autobahn Richtung Buchs SG unterwegs ist, will er plötzlich umdrehen. Der CH-Media-Verwaltungsratspräsident und Patron der Aargauer Verlegerfamilie ist nicht der Mann, der Titel verkauft. Wanner gilt als Jäger und Sammler. Aber sein Mitarbeiter hält Kurs auf der A13.
Es ist Frühsommer 2021 und die CH Media, die aus einem Joint Venture der AZ Medien und der NZZ Regionalmedien hervorgegangen ist, bereinigt ihr Portfolio. Peter Wanner will nicht zum Kernbusiness gehörende Tochterunternehmen abstossen. Dazu zählt etwa die Fachmedien-Sparte, die etwas quer in der CH-Media-Landschaft steht, und ebenso die Multicolor AG, ein Druckereiunternehmen in Baar. Die Galledia-Gruppe – seit je in diesen beiden Metiers zuhause – bekundet Interesse an den Firmen.
Im Gegenzug setzt Galledia-Verwaltungsratspräsident Urs Schneider in den Verhandlungen etwas auf seine Wunschliste: den «Werdenberger & Obertoggenburger» (W&O). Die Tageszeitung mit Redaktionssitz in Buchs ist für CH Media ein Satellit, geografisch vom traditionellen «Tagblatt»-Gebiet durch die Galledia-Titel «Der Rheintaler» und die «Rheintalische Volkszeitung» (RVZ) abgeschnitten. Schliesslich willigt Wanner in den Deal ein.
Der Galledia-Gruppe ist mit dem Kauf des W&O die Expansion in den Süden des Kantons gelungen. 2022 verkündet das Unternehmen dann die Übernahme der Onlineplattform «Die Ostschweiz», womit man auch über das Rheintal hinaus regionalmedial Präsenz markiert. Und mit dem Antrag um die Bundeskonzession für ein Fernsehen in der Ostschweiz lanciert Galledia nun einen weiteren Angriff auf die regionale Vorherrschaft von CH Media. Gleichzeitig beziehen die Galledia-Tageszeitungen ihren Mantelteil nach wie vor bei CH Media. Partnerschaft und Wettbewerb zugleich: Die Medienlandschaft Ostschweiz bleibt verschachtelt. Aber es tut sich was.
Saiten trifft einen gut gelaunten Urs Schneider zum Interview am Galledia-Hauptsitz in Berneck.
Saiten: Wie oft schauen Sie «Tele Ostschweiz» (TVO) und was schauen Sie sich an?
Urs Schneider: Ich schaue die Regionalnachrichten, so oft es geht, etwa an fünf von sieben Tagen. Und bei Wahlen und Abstimmungen interessieren mich auch die Talks. Im Schnitt also etwa 15 Minuten pro Tag.
«Ostschweiz TV» (OTV) soll das neue Galledia-Regionalfernsehen heissen. Mit 27 Minuten wollen Sie täglich doppelt so lange «relevante Regionalinhalte» liefern wie TVO, und das mit leicht weniger Personal als die Konkurrenz. Wie soll das gehen?
Ich behaupte, CH Media führt in ihren Stellungnahmen im Konzessionsverfahren viele Leute in Doppel- und Dreifachfunktionen auf, um möglichst viel Personal vorweisen zu können. Bei uns wird es so sein, dass die ausgewiesenen Personen tatsächlich für die redaktionellen Inhalte arbeiten werden. Und wir profitieren natürlich von Inhalten, die wir sonst schon redaktionell bearbeiten, zum Beispiel beim Onlineportal «Die Ostschweiz». Diese Themen kann man – natürlich leicht anders – auch im TV abbilden. Wichtig ist uns aber, dass die Redaktionen von Fernsehen, «Die Ostschweiz» und von den Tageszeitungen autonom entscheiden, welche Berichte sie platzieren. Die Unabhängigkeit und Meinungsfreiheit des jeweiligen Mediums ist wichtig. Doppelfunktionen in zwei Medienkanälen wie bei CH Media schliessen wir aus.
Sogar eine Mittagssendung ist geplant. Das ist ziemlich ambitioniert.
Wir wollen schon Ressourcen reinstecken. Und wenn Sie die ehrlichen Ressourcen anschauen, sind wir viel stärker unterwegs als TVO, das vor allem von überregional produzierten CH-Media-Inhalten profitieren kann. Das geht natürlich auf Kosten der Inhalte aus der Ostschweiz. Wir produzieren nachher nichts für Zürich oder Aarau oder Luzern. Wir sind ein Ostschweizer Medienunternehmen.
TVO ist nach wie vor im Besitz der NZZ Regionalmedien AG, wird aufgrund deren Zusammenschlusses mit den AZ Medien aber in erster Linie als CH-Media-Marke wahrgenommen. «Vermarktungspartnerschaft» nennt die CH Media dieses Konstrukt. Kritiker:innen behaupten, damit wolle der Konzern lediglich die Zwei-plus-zwei-Regel umgehen, wonach ein Unternehmen maximal zwei Fernseh- und zwei Radiokonzessionen vom Bund halten kann.
Wer sich beim Bundesamt für Kommunikation (Bakom) um Konzessionen bewirbt, muss im Lauf des Verfahrens auch eine öffentliche Stellungnahme über die Konkurrenzbewerbung im entsprechenden Sendegebiet einreichen. Die Stellungnahmen sind wohl eine amüsante Lektüre, doch bleibt ihr Informationsgehalt dürftig. Vieles darin ist reine Spekulation. Die Stellungnahme von TVO über das von Galledia geplante OTV ist dabei etwa dreimal so ausführlich ausgefallen wie jene von Galledia über den CH-Media-Sender.
Ist man nervös bei TVO? Dafür spricht, dass das Bakom den Regionalsender im Frühling 2023 bereits zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren gerügt hat: TVO hat die Minimalvorgabe von 150 Sendeminuten pro Woche mit «relevanten Regionalinformationen» erneut unterschritten. Ein Umstand, den Galledia in ihrer Stellungnahme natürlich nicht ausspart, auch wenn Verwaltungsratspräsident Urs Schneider ein solches Konzessionsverfahren, bei dem sich die Gesuchsteller gegenseitig mit Dreck bewerfen müssen, für sehr fragwürdig hält.
OTV will auch ein Kulturfernsehen inklusive Veranstaltungskalender sein. Wie funktioniert das? Müssen Veranstaltende bezahlen, damit sie dann im Kalender und schliesslich im Fernsehen vorkommen?
Es ist ein Geben und Nehmen. Irgendjemand veranstaltet Kultur, sei es eine Ausstellung, ein Konzert, ein Theater. Hier wollen wir etwas bieten, nicht nur im Rahmen der Werbung, sondern auch als Information für die Bevölkerung. Den Kalender haben wir ja auch in der Zeitung. Ohne das Konzept im Detail zu kennen: Ich denke, die Erfassung der Veranstaltungen im Kalender wird kostenfrei sein. Weiterführende Werbung nicht.
Mit Regionalfernsehen lässt sich kaum Geld verdienen. Warum will Galledia als traditionelles Printunternehmen trotzdem im TV-Geschäft mitmischen?
Vom traditionellen Printunternehmen haben wir uns bereits verabschiedet, auch wenn wir schweizweit noch immer die grössten Offset-Druckereien betreiben. Damit setzen wir jährlich etwa 40 Millionen Franken um. Mit Medien – Regionalmedien, Vermarktung von Medien und vor allem Fachmedien – machen wir den grösseren Umsatz: rund 60 Millionen Franken. Darum liegt unser Fokus schon eher auf den Medien, dort wollen wir uns breiter aufstellen. Das Fernsehen wäre für uns eine Art Abrundung des Angebots. Auch Radio könnte irgendwann zum Thema werden. Allerdings nur, wenns mit dem Fernsehen klappt.
Die Galledia-Zukunft ist also elektronisch. Welchen Stellenwert haben da noch die gedruckten Zeitungen?
Die sind «leider» noch sehr wichtig, weil das Digitale einfach noch zu wenig Geld einspielt, um weiter investieren zu können. Das sehen Sie auch bei der NZZ oder bei CH Media: Ohne die Einnahmen aus dem Print gehts nicht. Beim «Rheintaler» kommen lediglich 10 Prozent der Werbeeinnahmen aus Online. Das ist nicht nichts, aber die Einnahmen steigen hier nur zaghaft.
Die Online-Werbeeinnahmen nehmen weniger stark zu, als die Abonnent:innenzahlen im Print abnehmen?
Das ist schon so. Wir haben bei den Tageszeitungen auch einen Rückgang von 2 bis 5 Prozent, aber das ist ja noch nichts im Vergleich zu anderen, die 5 bis 10 Prozent jährlich verlieren. Dass es bei uns nicht ganz so dramatisch aussieht wie anderswo, liegt wohl vor allem daran, dass wir einen starken Fokus auf die Regionalität legen. Man muss sich schon überlegen, wie viele nationale Mäntel und Titel in Zukunft noch produziert werden müssen. Ich bekenne, ich lese die NZZ und manchmal als Kontra den «Tages-Anzeiger». Das Nationale und Internationale entnehme ich daraus, und bei uns – beim «Rheintaler» und bei der RVZ – halt in erster Linie das Regionale.
Das ist vermutlich auch für die allermeisten «Tagblatt»-Abonennt:innen der Grund für ihr Abo: die regionalen Nachrichten und Hintergründe – und die Todesanzeigen.
Das ist auch mein Eindruck, vor allem die Stadt St.Gallen und Fussball scheinen das Publikum zu interessieren. Und ohne jetzt über die Konkurrenz lästern zu wollen: Ich finde, das «Tagblatt» gibt der Regionalität zu wenig Gewicht. Ich persönlich hätte zum Beispiel all die Aussenredaktionen niemals aufgegeben.
Wäre die Entscheidungsgewalt darüber in St.Gallen, hätte man womöglich auch anders entschieden.
Vermutlich, ja. Das ist ja eben unser Vorteil als unabhängiger Verlag. Seit ich dabei bin – und das sind nun doch schon knapp zehn Jahre – haben wir noch keine einzige Redaktionsstelle abgebaut. Wir sind gut bestückt und das muss auch so sein. Im Frühling wurde das «Liechtensteiner Volksblatt» eingestellt. Beim W&O konnten wir zwei Personen übernehmen und haben die Redaktion damit sogar aufgestockt. Das ist unsere Chance, uns in der Region zu zeigen. Bei der Optimierung der technischen Prozesse müssen wir natürlich auch genau hinschauen. Aber wenn wir bei den Redaktionen anfangen zu sparen, können wir gleich einpacken.
Es wird – im Fall einer Fernsehkonzession für Galledia – eine Zusammenarbeit zwischen «Die Ostschweiz» und OTV geben. Wird also auch bei der «Ostschweiz» personell aufgestockt?
Früher oder später werden wir den Personalbestand bei der «Ostschweiz» ausbauen. So oder so wollen wir uns online als zweite Kraft neben «Tagblatt» oder auch «FM1Today» etablieren. Wir werden erst einmal stabilisieren und wohl vier Journalist:innen beschäftigen. Aber das kann nicht das Endprodukt sein und ist erst einmal ein Zwischenschritt, damit man zumindest jeden Tag mal ein wenig News auf der Seite hat.
Wem gehört «Die Ostschweiz»?
Galledia ist mit 67 Prozent beteiligt.
Im Frühling 2022 hiess es noch, Galledia sei mit einer Minderheitenbeteiligung bei der Ostschweiz eingestiegen. Was ist seither passiert?
Zur Mehrheitsbeteiligung ist es gekommen, weil einige «Ostschweiz»-Aktionäre die Neupositionierung aufgrund der Annäherung an Galledia nicht mittragen wollten. So ergab sich für uns die Möglichkeit,
die Mehrheit zu übernehmen. Bei den übrigen 33 Prozent handelt es sich um die verbliebenen ursprünglichen «Ostschweiz»-Persönlichkeiten aus dem Grossraum St.Gallen.
Wer sind diese «Persönlichkeiten»?
Die wollen ungenannt bleiben, sorry.
Jagdobmann, alt FDP-Nationalrat und Kommunikator Peter Weigelt gehört sicher dazu. Er war auch schon bei der Druckerei Flawil beteiligt, aus der 2012 Galledia hervorgegangen ist.
Peter Weigelt, das ist klar. Auch Marcel Odermatt von der Ammarkt Holding AG gehört dazu und ist ebenfalls im «Ostschweiz»-Verwaltungsrat. Die anderen wollen anonym bleiben.
Warum dieses Versteckspiel? Das Publikum eines Mediums sollte doch wissen dürfen, welche Interessen potenziell dahinterstecken. Will der alte Rechtsfreisinn anonym die öffentliche Meinungsbildung beeinflussen?
Die «Ostschweiz» entstand ja, weil sich einige unzufriedene «Tagblatt»-Leserinnen zusammengeschlossen haben. Ehrlich gesagt wäre es mir auch lieber, sie würden ihre Namen offenlegen. Darum sage ich auch, wie hoch der Galledia-Anteil ist. Ohne die Möglichkeit, in Zukunft die Mehrheit übernehmen zu können, wären wir nicht bei der «Ostschweiz» eingestiegen. Mit der Verpflichtung der ehemaligen stellvertretenden «Tagblatt»-Chefredaktorin Odilia Hiller als Co-Redaktionsleiterin sind wir gut aufgestellt. Sie ist hervorragend vernetzt, liefert spannende, gut recherchierte Geschichten. Und Marcel Baumgartner bleibt ein sehr solider Wert. Sie ergänzen sich gut.
War der Abgang von Stefan Millius, der zuletzt vor allem durch seine pointierte bis verschwörungsgläubige Haltung zur Coronapolitik des Bundes und seine Nationalratskandidatur für Aufrecht Schweiz aufgefallen war, Teil des Deals zur Übernahme der «Ostschweiz»?
Über Verhandlungsdetails geben wir keine Auskunft.
Wem gehört eigentlich die Galledia-Gruppe?
Galledia hat etwa 800 Aktionär:innen. Die stammen grösstenteils noch aus der RVZ und aus dem «Rheintaler». Diese Zeitungen sind seit 175 Jahren unabhängig und hatten in ihrer ganzen Geschichte nie einen Mehrheitsbesitzer. Das wollen wir so weiterführen.
Wer sind die grössten Aktionär:innen?
Es gibt einen historischen Ankeraktionär, das ist Christoph Rohner. Er hat in den schwierigen 1990er-Jahren sehr viel dazu beigetragen, dass es die beiden Zeitungen überhaupt noch gibt. Die Familie Rohner hat damals viel Geld gesprochen. Auch ich zähle zu den grösseren Aktionär:innen. Im Galledia-Verwaltungsrat sitzt maximal ein Drittel des Aktienkapitals. Das darf man schon sagen. Zwei Drittel sind breit gestreut. Diesen Aktionär:innen versuchen wir jetzt beizubringen, dass Galledia nicht mehr nur aus RVZ und «Rheintaler» besteht. Heute stammen relativ viele Aktionär:innen aus dem Rheintal. Aber wir sind offen, unsere Aktien werden frei gehandelt.
Seit dem Zusammenschluss der Druckerei Flawil mit der Rheintaler Druckerei und Verlag AG (RDV) und der Galledia-Gründung 2012 hat sich einiges getan. 2017 hat man sich von Galledia-Geschäftsleiter Pascal Schwarz getrennt, der zuvor langjähriger CEO der Druckerei Flawil war. Sollte die Unternehmensführung in Rheintaler Hände?
Das war eher eine Typ- als eine Regionenfrage. Beim Joint Venture der Druckerei Flawil und der RDV gab es ganz unterschiedliche Ideen, wie man ein Unternehmen führt. Ich stiess im Zuge der Fusion der «Rheintalischen Volkszeitung» 2014 zur Galledia-Gruppe. Für mich war die Situation indiskutabel: Die beiden Unternehmenskulturen standen sich aufgrund eines 50:50-Vertrags in einer Art Pattsituation gegenüber. Das Unternehmen wäre so an die Wand gekarrt worden. Wir mussten uns für einen Weg entscheiden.
Worin unterschieden sich die Unternehmenskulturen in Flawil und Berneck?
Die Druckerei Flawil war von einer eher helikopter-mässigen Führungskultur von oben geprägt. Es führte der Verwaltungsrat über die Geschäftsleitung etc. Bei uns ist es eher so, dass der Verwaltungsrat nahe bei der Geschäftsleitung ist, nahe beim Operativen. Man redet zwar nicht rein, aber weil man das Tagesgeschäft gut kennt, steht man der Führung bei, wenns vielleicht einmal nicht so läuft wie gewünscht.
In der Medienmitteilung hiess es zum Abgang von Pascal Schwarz, man sei mit viel PS unterwegs gewesen und müsse diese jetzt erst mal auf den Boden bringen. Was heisst das?
Bei uns läuft es so, dass man ein Geschäft aufgleist, sich darum kümmert, abschliesst und dann etwas Neues anpackt. Pascal Schwarz war dieser Praxis immer drei Schritte voraus und hat immer vieles gleichzeitig angerissen. Ich sage nicht, welcher Weg richtig oder falsch ist, wir ticken einfach anders. Ich hatte die Unternehmensleitung dann interimistisch übernommen, bis wir nach zehn Monaten mit Dani Ettlinger den richtigen Mann fanden. Es wäre nicht gut gekommen, wenn ich als Verwaltungsratspräsident gleichzeitig das Unternehmen länger als ein Jahr geführt hätte. Schon von der Governance her. Die richtige Leitungsstruktur macht sicherlich einen Teil des Erfolgs aus, dass wir uns von 40 auf 100 Millionen Franken Jahresumsatz bei gleichbleibender Rentabilität entwickeln konnten. Das hat auch damit zu tun, dass wir uns die entsprechenden Ressourcen in der strategischen Unternehmensentwicklung geschaffen haben.
Sie persönlich bringen aber auch viel PS auf den Boden: Sie sind Verwaltungsratspräsident in über 24 Unternehmen, wobei die meisten davon Tochtergesellschaften der Galledia-Gruppe sind. Dazu kommen Mandate in der Emch-Berger-Gruppe. Medien und Engineering: Wie passt das zusammen?
Ich komme familiär aus einem Handelsbetrieb, ein Dekogeschäft mit Gross- und Detailhandel, das heute von meiner Tochter geführt wird. Ich übernahm den Betrieb damals mit 19 Jahren, weil mein Vater gestorben war. Mit Mitte 30 dachte ich, das kanns noch nicht gewesen sein. Mir fehlte die Abwechslung. Ich wollte etwas Neues. Dann ergab sich das mit dem Engineering. Engineering, Infrastrukturbauten, das ist quasi ein Selbstläufer. Die Schweiz baut Infrastruktur ohne Ende. Im Medienunternehmen ist man viel mehr gefordert. Wenn man da zwei Jahre stehenbleibt, sind auch die Zahlen schlecht. Schon mein Grossvater war bei der «Rheintalischen Volkszeitung» im Verwaltungsrat, darum hatte die Familie auch immer ein paar Aktien. Medien interessieren mich seit jeher. Im nächsten Frühling werde ich im Engineering wohl etwas kürzertreten und meinen Fokus hauptsächlich aufs Mediengeschäft legen.
Wie beurteilen Sie die Medienlandschaft Ostschweiz? Oder anders gefragt: Lässt sich hier mit Journalismus überhaupt noch Geld verdienen?
Ich bin überzeugt: Guter Journalismus lässt sich finanzieren. Wenn jedoch das Geldverdienen im Vordergrund steht, darf man nicht Journalismus betreiben. Ich denke, im klassischen Sinn isoliert Online- oder Printjournalismus zu machen, geht heute nicht mehr. Man muss verschiedene Cluster kombinieren, damit die Rechnung am Schluss aufgeht. Dazu passt, dass die Menschen in der Ostschweiz immer offener werden. Früher grenzten sich die Regionen stärker voneinander ab. Das Rheintal stand für sich. Sogar innerhalb gab es die Grenze zwischen Ober- und Unterrheintal. Das ist heute nicht mehr so. Die Grenzen werden weicher, die Räume grösser.
Galledia-Chronik (auszugsweise)
2012: Galledia AG entsteht aus einem 50:50-Joint-Venture der Druckerei Flawil AG und der Rheintaler Druckerei und Verlag AG (RDV) in Berneck
2013: RDV und die RVA Druck und Medien AG (RVA, Altstätten) bringen ihre Tageszeitungen «Der Rheintaler» und «Rheintalische Volkszeitung» in die gemeinsame Tochter Rheintal Verlag AG ein
2014: Fusion RDV und RVA zur Rheintal Medien AG
2015: Rheintal Medien AG übernimmt Druckerei Flawil, die Galledia AG ist somit 100-prozentige Tochter der Rheintal Medien AG
2019: Umbenennung der Rheintal Medien AG in Galledia Group AG
2020: Übernahme der Multicolor Print AG von CH Media und vom BL Verlag
2021: Übernahme der Buchs Medien AG («Werdenberger & Obertoggenburger») und des Eventbereichs der Freicomm
2022: Übernahme der Zweidrittelmehrheit bei der Ostschweizer Medien AG («Die Ostschweiz»), der Zürichsee Medien AG und weiterer Unternehmen
Das spielt der Galledia-Gruppe in die Karten. Es wird schon lange gemunkelt, dass man ein Auge auf die Region Rorschach geworfen hat und man vielleicht in die mediale Lücke springen könnte, die das «Tagblatt» dort hinterlassen hat.
Wir haben ja «Die Ostschweiz» in St.Gallen, die auch Richtung See ausstrahlen soll. Aber man darf das nicht unterschätzen: Rorschach ist Rorschach und nicht Rheineck oder St.Margrethen oder St.Gallen. Das ist eine sehr eigenständige Region. Ich behaupte, hier liegen für uns Chancen, weil sich die Rorschacher:innen vom «Tagblatt» nicht mehr sehr gut behandelt fühlen. So nehme ich das zumindest wahr. Diese Chancen müssen wir aber auch nutzen und stemmen. Mittelfristig gibt es schon Gedanken, entweder vom Rheintal her etwas hinab- oder von St.Gallen her etwas hinüberzustossen.
Also eher elektronische Pläne für Rorschach?
Es ist jetzt nicht die Zeit, ein neues Printprodukt zu lancieren. Vielleicht kann man Bestehendes erweitern, digital sowieso. Natürlich hat «Die Ostschweiz» ihren Fokus derzeit auf dem Grossraum St.Gallen, aber zur Ostschweiz gehört auch Rorschach. Dazu gehört aber auch der ostwärts orientierte Teil des Thurgaus, ebenso das Appenzellerland. Dort herrscht heute überall eine eintönige Medienlandschaft.
Die Galledia-Gruppe hat jetzt sogar ein journalistisches Ausbildungsprogramm lanciert. Eine erste Person hat dieses Jahr angefangen.
Ja, hier wollen und müssen wir uns stärker engagieren. Jahrelang hat das «Tagblatt» mehr Leute ausgebildet als es bei sich unterbringen konnte. Das findet nicht mehr im selben Ausmass statt, wohl auch ein CH-Media-Spareffekt. Wir dürfen uns aber nicht beklagen, Jahr und Tag haben wir in diesem Bereich vom «Tagblatt» profitiert.
Galledia ist also gewillt, in den Regionaljournalismus zu investieren, auch wenn es sich nicht direkt auszahlt.
Die Abrundung des Pakets würde auch bei der Erschliessung neuer Regionen helfen. Allein um Profit kann es dabei nicht gehen.
Die Galledia-Gruppe als gemeinnützige Medienwohltäterin?
Auch, aber natürlich nicht nur. Letztes Jahr haben wir über die ganze Galledia-Gruppe betrachtet etwa drei Millionen Franken verdient und eine Dividende von 10 Prozent ausbezahlt. Und auch dieses Jahr wird es eine geben. Wir werden aber nie mehr als die Hälfte des Gewinns auszahlen. Wir wollen das Geld für die Entwicklung im Unternehmen belassen. Trotzdem sollen die Aktionär:innen, die investieren, auch etwas davon haben. Wir müssen Geld verdienen, sonst können wir uns nicht weiterentwickeln. Unser Ziel im Mediengeschäft ist eine schwarze Null. Es gibt zusätzliche Dienstleistungen aus unserem Unternehmen heraus, zum Beispiel im Event-Bereich, die uns Image verleihen und womit man das eine oder andere auch portieren kann.
Besteht da nicht die Gefahr der Vermischung von Journalismus und Werbung? Bei der «Ostschweiz» hat man das – vor allem in den Anfangsjahren – gesehen: Da waren redaktionelle und von Unternehmen finanzierte Inhalte nicht immer so klar voneinander zu unterscheiden. Auch mit der Wahl der Gastautor:innen bekam man den Eindruck, dass da vor allem «Stimmen aus der Wirtschaft» zu Wort kamen.
Paid Content muss klar als solcher gekennzeichnet sein. Das gilt auch bei Gastautor:innen. Wir wollen aber weder ein Wirtschafts- noch ein populistisches Kampfblatt sein. Der «Rheintaler» war früher vom Freisinn geprägt, die «Volkszeitung» war ein CVP-Blatt. Meine Wurzeln liegen also bei der CVP, mein Gedankengut ist aber sicher wirtschaftlich. Ich empfinde mich als relativ eingemittet, es muss rechts etwas Platz haben, es muss links etwas Platz haben. Wir wollen unseren Redaktionen keine politische Richtung vorgeben.
Im Januar will das Bakom bekanntgeben, wer die Konzessionen für die regionalen Fernseh- und Radiosender bekommen soll. Galledia-Präsident Urs Schneider rechnet mit einer 60:40-Chance, den Zuschlag für das OTV zu erhalten.