«Wir sind erschrocken»
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Wird der Wahlkampf ums St.Galler Stadtpräsidium also doch noch interessant. Zumindest ein bisschen. Einigen ist es vielleicht schon aufgefallen: Auf einem Inserat in der aktuellen Saitenausgabe lachen die Riklin-Brüder mit dem FDP-Kandidaten Mathias Gabathuler um die Wette, hinten der Dom, vorne die beiden Konzeptkünstler mit einem ihrer «neuen zehn Gebote», daneben der Anwärter fürs Stadtpräsidium.
Die Riklins neuerdings bei der FDP? Man ist sich ja vieles gewöhnt von den beiden, aber im Bett mit dem Freisinn statt mit Millionen von Sternen? Das ist selbst für die artonomen «Kuschelzwillinge» (wie sie unser Pfahlbauer liebevoll nennt) zu steil.
Fake News! Die beiden sind weder der FDP beigetreten noch wussten sie etwas von diesem Inserat. «Wir sind radikal unabhängig und wollen politisch neutral bleiben», betonen Frank und Patrik Riklin. «Wir sind erschrocken, als wir das Inserat gesehen haben.»
Was ist passiert? Entstanden ist das Bild, als die Riklins diesen Sommer im Klosterviertel ihre «Zehn Gebote Vol. 2» in Stein gemeisselt haben. Mathias Gabathuler, der gleich um die Ecke wohnt, ist regelmässig daran vorbeigelaufen, fand Gefallen an der Aktion und kam mit den Brüdern ins Gespräch. Als er fragte, ob er das Foto für einen Wahlkampfflyer verwenden dürfe, sagten die Riklins Ja – unter der Bedingung, dass sie den Flyer vorab nochmal sehen dürfen.
Der Entwurf dieses Flyers wurde ihnen in der Folge auch zugeschickt, darauf zu sehen sind mehrere Bilder, unter anderem jenes mit den Riklins, daneben ein Baustellenbild und weitere von Mathias Gabathuler mit Feuerwehrauto und im Gespräch mit anderen. Sie stehen für seine verschiedenen politischen Anliegen; Kultur, Gewerbe, Stadtentwicklung etc. «Die Verwendung unseres Bildes in dieser Form auf diesem Flyer haben wir auch abgesegnet», sagen die Riklins.
Das Framing auf dem Saiteninserat oben ist jedoch ein völlig anderes. Hier ist nicht Gabathuler zusehen, der sich zur Kunst bekennt, für die die Riklins stellvertretend herhalten, sondern die Riklins, die sich zur FDP bekennen, samt Parteilogo oben links.
Das stösst den Brüdern sauer auf, deshalb haben sie Gabathuler umgehend kontaktiert und ihn gebeten, die weitere Verbreitung des Inserats zu stoppen. «Das Inserat in dieser Form hätten wir nie abgesegnet», sagen sie. «Unsere Kunst steht über allem. Wir wollen von niemandem vor den Karren gespannt werden.»
Gabathuler selbst war ebenfalls überrascht, als er das Inserat sah. «Ich kann die Riklins absolut verstehen, so war das nicht gedacht», erklärt er auf Anfrage und begrüsst die Richtigstellung. Die Gestaltung des Inserats sei über eine Agentur gelaufen und er habe es schlicht versäumt, das Ganze vor dem Druck noch einmal anzuschauen. «Im Wahlkampf ist viel los, für solche Dinge fehlt manchmal die Zeit.»
Auch Sven Bradke, Geschäftsführer der zuständigen Agentur Mediapolis, kann den Ärger der Riklins verstehen, obwohl er betont, dass sie der Verwendung des Bildes für den Wahlkampf zugestimmt haben. Er räumt aber ein, dass ihnen das Inserat in dieser Fassung nochmal hätte vorgelegt werden müssen. «Wir entschuldigen uns in aller Form und bedauern den Wirbel», sagt Bradke. Es sei auch eine Lehre: Künftig werde man jedes Inserat konsequent noch einmal vorlegen.
Alle wieder halbwegs versöhnt also. Wenns doch in der Realpolitik auch so einfach wäre.