Wir sind alle signerisiert
Heute Sonntag wird Roman Signer 75. Grund zum Anstossen auf den stillsten und lautesten, explosivsten und meditativsten Künstler der Ostschweiz. Wir haben Weggefährtinnen und Weggefährten Signers um eine Gratulation gebeten.
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Lagerraum für Glücksgefühle
Lieber Roman, Du lässt Stühle an der Wand zerschellen, Büchsenfrösche den Fluss hinunterschwimmen, Zipfelmützen in den Himmel sausen. Da bleibt nicht viel übrig, könnte man denken. Und irrt gehörig. Es bleibt ein grosses Glücksgefühl – ein immer wieder von neuem riesiges, unermessliches Geschenk. Und das Ereignis als Erinnerung. Und als Skulptur. Das benötigt Raum. Du wünschst dir Lagerraum; 100 m2 Fläche, wenn möglich ebenerdig, kann auch im Gjätt sein. Bescheiden und pragmatisch. Noch ist er mir trotz Nachfragen nicht über den Weg gelaufen. Wir bleiben dran. Auch zwischen den Geburtstagen. Und freuen uns, hin und wieder aus deinem schier unendlich gefüllten Ideentopf Rauch aufsteigen sehen und Wasser rauschen hören, Gedankenstüber erfahren, Erdung beim in die Luft Staunen spüren. Auf dass der Lagerraum in Fülle in Erfüllung geht.
Ursula Badrutt
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Zündend
Lieber Roman, 75 Jahre wirst Du dieses Jahr – da ist man versucht zurückzuschauen, was in Deinem Falle und angesichts Deiner ungebrochenen Schaffenskraft irgendwie unangebracht erscheint.
Gleichwohl hast Du uns allen und mir im Besonderen in all den Jahren so viel an zündenden künstlerischen Ereignissen geschenkt, wofür ich Dir bei dieser Gelegenheit von Herzen danken möchte. Ich erinnere nur an die zahlreichen Ausstellungen und Projekte, die ich mit Dir zusammen realisieren durfte, wie zum Beispiel Deine umfassende Retrospektive im Kunstmuseum St.Gallen 1993/94, zu dem wir zusammen ein erstes Werkverzeichnis herausgebracht haben, Deine eindrücklichen Installationen 1999 an der Biennale von Venedig oder die zahlreichen weiteren Projekte in St.Gallen und anderswo.
Und weil man bekanntlich nicht zurück-, sondern vorausblicken soll, freue ich mich bereits heute auf Deine kommende grosse Einzelausstellung 2014 im Kunstmuseum St.Gallen!
Konrad Bitterli
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Inner Orgasm
Lieber Roman, bist du dir eigentlich bewusst, wie sehr du die Wahrnehmung vieler Menschen künstlerisch geprägt hast? Jeder Schachtdeckel im Strassenbelag könnte sich vielleicht langsam zu drehen beginnen. Jedes Wölklein über einem Hügel könnte plötzlich zum Vulkanausbruch mutieren. Niemand zieht sich eine Zipfelmütze bis über die Augen, deine am Zipfel angehängte und gezündete Feuerwerksrakete würde das Sehen erzwingen. Irgendwo kann ein Wasserstrahl hervor schiessen, einen Torbogen bilden, und flugs bückt man sich, um trocken unten durch zu kommen. Sogar ein harmloses Fass, aus dem Wasser sprudelt, wird letztlich zum Ölfass, das zum Mahnmal wird.
Jeden Tropfen, jeden Stuhl, jeden Ventilator, ja sogar jeden Stiefel, hast du signerisiert. Ein Anagramm aus deinem Namen zeigt, welche Gefühle sich beim Betrachten deiner Werke einstellen könnten: Roman Signer = Inner Orgasm.
Das Einfache, ja jeder Naturprozess, beflügelt nun den Geist, hält wach, und macht das Nachdenken leichter.
H.R.Fricker
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Die Schneeleinwand
Anfangs der 1980er Jahre zeigten Felix Kälin, Budaz Keller und ich in der Stadt St. Gallen unter dem Namen Kinoki Filme an den unterschiedlichsten Orten. In diesem Zusammenhang lernte ich Roman Signer kennen.Im Winter 1984 projizierten wir den Film „Sturm über Asien“ von Wsewolod Pudowkin auf ein Schneefeld oberhalb von St. Georgen. Roman Signer steckte das Bildfeld mit präparierten und durch Zündschnüre verbundene Haarspraydosen ab. Am Schluss des Films sprengte er die Schneeleinwand. Ab da wusste ich, dass Bild und Zeit und Skulptur unzertrennbar miteinander zu tun haben.
Peter Kamm
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Der Hund ist dicker geworden, wir alle sind dicker geworden. Das heisst nicht, dass es uns besser geht. Das heisst auch nicht, dass es uns schlechter geht. Wir sind einfach dicker geworden, gewachsen quasi.
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Lieber Roman
ich wünsche Dir viele wirklich lustige Momente.
Josef Felix Müller
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Lieber Roman
Seit mehr als vier Jahrzehnten öffnest Du mit Deinen Werken unsere Augen und Herzen für die Eigentümlichkeiten des menschlichen Lebens und Strebens, der Naturkräfte und der Unerbittlichkeit der Zeit in all ihren Erscheinungsweisen. Für die unzähligen Momente des Staunens, der Überraschung, des befreiten Lachens und der stillen Poesie danke ich Dir und gratuliere Dir herzlich zu Deinem 75. Geburtstag!
Corinne Schatz