Wie Sissi Romy tötete

«Ich sags jetzt zum allerletzten Mal. Ich bin schon längst nicht mehr Sissi, und ich wars auch nie. Ich bin eine unglückliche Frau von 42 Jahren, und ich heisse Romy Schneider.»
Wie viel von ihrem Unglück von der jungen österreichischen Kaiserin abhing, welche Schneider in drei Filmen so kindlich-fröhlich wie erfolgreich verkörpert hatte, sei dahingestellt. Klar ist, dass ihr diese Rolle zu Weltruhm verhalf, dass sie das kräftigste Sprungbrett war und gleichzeitig der schwerste Klotz, von dem sie sich zeitlebens nicht befreien konnte.
Auch ein Jahr vor ihrem Tod nicht, 1981, als sie einige Tage im französischen Quiberon an der bretonischen Küste verbrachte, um von Alkohol und Tabletten loszukommen und sich zu erholen. Die Suchtmittel waren zumindest teilweise ein Symptom ihrer Biographie. Rampenlicht ab 15, Ende der 50er-Jahre die Beziehung zu Alain Delon und die «Flucht» aus Deutschland, vor dem deutschen Heimatfilm der Nachkriegszeit hin zum französischen Kino und zu französischen Theaterbühnen, hin zu anspruchsvollen Rollen.
Wut und Häme
Das passte Deutschland ganz und gar nicht, dieser Landesverrat. Und deshalb ergossen sich in einer hemmungslosen, boulevardmedialen Hetzkampagne Wut und Häme über das talentierte, schöne Haupt des werdenden Weltstars. Es wurde ausgeschlachtet und gelogen, dass sich die Balken bogen.
Nein, die Journalisten konnte Romy Schneider nicht ausstehen, diese niederträchtigen Ratten, und war ihnen doch hörig. So willigte sie auch in Quiberon ein, dem «Stern» ein Interview zu geben, das zum intimsten Interview der Todgeweihten avancierte.
Diese drei Tage in Quiberon beleuchtet der gleichnamige Film der deutsch-französisch-iranischen Regisseurin und Autorin Emily Atef. Romy Schneider wird darin von einer atemberaubend aufspielenden Marie Bäumer verkörpert. Sie erhält im Fünfsterne-Hotel Besuch von ihrer (erfundenen) Sandkastenfreundin Hilde (Birgit Minichmayr) sowie vom befreundeten Fotografen Robert Lebeck (Charly Hübner) und dem ihr bis dahin unbekannten Starporträt-Journalisten Michael Jürgs (Robert Gwisdek).
Und dann tun sich die Abgründe auf, diese unüberwindbaren, von Medien und Fans in blindem Fanatismus negierten Abgründe zwischen dem Menschen hinter der Schauspielerin und der Sissi, die doch so ein braves, glückliches Mädchen sein sollte.
Das «Franzosenflittchen»
Hier die Frau, die sich fürchtet, ihren Sohn zu verlieren, weil er lieber bei seiner Stieffamilie leben will, die Alkohol- und Tablettensucht, der Bankrott, weil verschiedene männliche Zecken an ihrem Vermögen saugen. Dort die Sissi, die ihr Land beschmutzt hat. «Vaterlandsverräterin», «Franzosenflittchen» oder «dumme Liese» wurde Schneider in der Presse geschimpft. Die Fehlgeburt und die anderen, aufgebauschten Skandale wie ihr Engagement mit Alice Schwarzer für das Recht auf Abtreibung, wurden genüsslich mit aller Boshaftigkeit ausgeschlachtet.
Romy Schneider war eine zerrissene öffentliche Frau. Und nie wurde diese Zerrissenheit sichtbarer als in jenen drei Tagen in Quiberon, als sie dem Stern ihr legendäres Interview gab.
<em>3 Tage in Quiberon</em>:
ab 12. April, Kinok, St.Gallen
kinok.ch
Wie bei einem Werk von Lars von Trier liegt die Katastrophe bereits in den ersten Minuten in der Luft und wird greifbar, als der manipulative, scheinbar gewissenlose Journalist Jürgs auftaucht, der keine Gelegenheit auslässt, die Angegriffene zu schinden, um zu ihrer Schmutzwäsche vorzudringen.
Drei Tage in Quiberon ist ein höchst aktueller Film, wirft er doch ein (zumindest anfangs sehr düsteres) Licht auf das schwierige Verhältnis zwischen Medien und öffentlichen Personen. Er ist hervorragend gespielt und berührend fotografiert zwischen der bretonischen Felsenküste und dem noblen Hotel, wo der witzige Charme der Kellner wunderbar mit der Übellaunigkeit der hungrigen Diätgäste kollidiert.
Man muss dem Film einzig vorwerfen, dass es den Machern von South Park mit der 20-minütigen Episode Britney’s new Look gelungen ist, die zerstörerische Spannung, die zwischen den Ansprüchen des Publikums an einen Weltstar und dessen Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben entsteht, pointierter spürbar zu machen.