, 4. Februar 2016
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High Heels vom CVP-Mann  

Der St. Galler CVP-Kantonsratskandidat Andreas Schweiss aus Waldkirch betreibt eine Werbeagentur. Mit einem Preisausschreiben will er jetzt seinen Sitz in der Pfalz erobern. Die Methode ist zwar neu, aber ist sie auch politisch?

Im Laden mehrere hundert Franken, bei Schweiss gratis: Louboutins

«Schweiss weiss, was du willst und schenkts dir! Drei sensationelle Preise stehen bereit.» So verkündet es der Wahl-Flyer, der in diesen Tagen in den Briefkästen der Region St.Gallen-Gossau steckt. Zu gewinnen gibts High Heels von Louboutin, von Sony eine PlayStation PS 4 sowie ein iPhone 6S.

Sucht da einer politische Inhalte?

Was muss ich tun, um dieses Wahl-Preisausschreiben zu gewinnen – dem Kandidaten meine Stimme geben? Die Sache ist komplexer: «Du willst deine Gewinnchancen steigern? Dann teile Schweiss mit, was er noch nicht weiss. Entweder direkt auf Facebook oder unter schweiss-weiss.ch.»

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Aha, man muss also etwas geben. Volksvertreter sind nicht umsonst zu haben. Sucht er etwa nach politischen Inhalten und will sie uns mit der Teilnahme am Preisausschreiben entlocken? Dem scheint das politische Credo in SMS-Kürze auf dem Flyer zu widersprechen. «Schweiss weiss, was die Region St.Gallen-Gossau braucht!» Ein Teufelskerl – weiss, was über hunderttausend Menschen wollen.

Volksverstehers Lifestyle-Symbole

Der 37-jährige, verheiratete Dreifach-Vater, Jungunternehmer und Präsident der Regionalpartei CVP St.Gallen-Gossau markiert den Volksversteher. Seine Botschaft fasst er in Lifestyle-Symbole: Die High Heels stehen für «starke Familien» – bei meiner proletarischen Gesinnung würden es auch Adi-Latschen tun. Das iPhone symbolisiert «starke KMU» – ein Hammer oder ein Schraubenzieher würden mich eher überzeugen, weil das für mich Arbeit symbolisiert. Mit einem iPhone verbinde ich chillen und nicht malochen. Und mit der PlayStation meint Schweiss «starke Vereinsstrukturen» – Prost Nägeli! jetzt sollen die bei den Vereinen auch alle noch gamen. Das fasse ich als Frontalangriff auf die gewachsenen und bewährten Strukturen unserer Kultur auf.

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Diesen Schweiss muss ich mir mal zur Brust nehmen, denke ich und rufe in seinem Unternehmen an. Der Chef ist aber gerade in den Ferien, erfahre ich da. Mitten im Wahlkampf auf Urlaub? Am weissen Südseestrand, einen Longdrink schlürfend?

Sein iPhone hat er dabei

Ich bleibe hartnäckig und versuche es mit einer Mail. Die kann man auf jedem Kontinent übers iPhone lesen und beantworten. Der Schweiss hat sicher ein iPhone dabei in Honolulu oder wo auch immer, sonst wäre bestimmt keines als Preis beim Wettbewerb zu gewinnen.

Ist er wirklich in den Ferien? Da bin ich mir nicht mehr ganz so sicher. Höchstwahrscheinlich sitzt er mit sich selbst zu Hause in Klausur und bereitet die Jurierung des Preisausschreibens vor. Anders kann ich mir die Beantwortung meiner Fragen innert Minutenschnelle nicht erklären.

Kein Geld von Sony

«Wird Ihr Wahlkampf von Sony und Louboutin gesponsert?», will ich wissen. «Die Preise sind durch mich persönlich finanziert und sind als Symbol für meine drei wichtigen Themen zu verstehen», antwortet Schweiss. «Es gibt kein Sponsoring, ich glaube auch, dass sich diese Unternehmen nicht für einen Lokalpolitiker interessieren würden. Die Preise sind als Symbole für unsere Gesellschaft zu verstehen, für die Interessen der Bürger….»

«Wäre bei einer allfälligen Wahl der Sitz im Kantonsparlament für Sie der Gewinn eines «sensationellen Preises» – oder haben Sie eine andere Definition?», will ich weiter wissen. Antwort Schweiss: «Meine Motivation ist die Liebe zum Kanton St.Gallen. Ich selbst verdanke St.Gallen so viel, dass ich nun der Bevölkerung etwas zurückgeben möchte. Zudem ist es mir ein Anliegen, gute Grundlagen für KMU und Familien zu schaffen. Erfreut über eine Wahl wäre ich natürlich sehr, ist aber bei einer ersten Teilnahme an einem Wahlkampf nicht zwingend zu erwarten.»

Und die High Heels?

Jetzt werde ich ein bisschen anzüglich: «Wenn ein Mann die High Heels von Louboutin gewinnt, wem soll er sie schenken, wenn er sie nicht selber tragen will: seiner Frau oder der ausserehelichen Geliebten?»

Die Antwort kommt etwas sibyllinisch rüber. «Da bin ich ganz offen, so offen wie die CVP es ja auch ist. Ich bin für mehr Eigenverantwortung der Bürger. Sollte also ein Mann die Louboutins zwingend wollen, dann wird er diese auch kriegen – gar keine Frage. Entscheidend ist ja mir mitzuteilen, was der Kanton braucht und wieso man die Gewinne bei mir abholen soll… Also viel Kreativität ist gefragt…»

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