Von Neuhausen bis Pjöngjang
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Papst & Abstinenzler – der Name der Band wirke nach durchgeknallter Anwaltskanzlei, meint der Slam-Poet Gabriel Vetter. Die Musik hingegen klingt wie ein Blick von Neuhausen aus über den Rheinfall – ohne Postkarten-Romantik und spät in einer schwarzen Nacht. Oder im Schaffhauser Dialekt gesagt: «Ä Schtärnschnuppe schloht mer ä Loch in Chopf, niemer machts zue. Und ein macht scho ä Loch in Bode und seit: bald isch Rueh.» Dazu hört man musikalische Leihgaben aus Italowestern, deutschem Krautrock und der restlichen Welt. Oder mit einem Songtitel von Papst & Abstinenzler gesagt: London – Neuhuuse – Pjöngjang.
«Liebi isch än Drumbeat, 24 Schtund am Tag»
Aufgenommen im Startrack-Tonstudio SH des Aeronauten-Sängers Olifr «Guz» Maurmann, klingt das Ende Januar erschienene Album Geischterfahrer in den ersten Songs nach Stiller Has – oder auch mal nach den Aeronauten. Mit ausgeprägt nonchalanten, lakonischen Texten des Sängers Jürg Odermatt. Dann öffnen sich die Schubladen: Blues-Gitarren unter düsterem Gesang, ein Western-Instrumental à la Ennio Morricone und als musikalischer Höhepunkt: Malcolm Mooney. Mit einem Feature von Malcolm Mooney, dem US-Amerikanischen Sänger der deutschen Krautrockband Can. Was als Spoken-Word-Track beginnt, fliesst elegant in repetitive Perkussion über. «Liebi isch än Drumbeat, 24 Schtund am Tag», singt Odermatt.
Spannendes entsteht bei Papst & Abstinenzler im Raum zwischen Text und Musik: In London – Neuhuuse – Pjöngjang (einem Song über die innere Leere bei ihrer fiktiven Welttournee) hört man glückliche Gitarrenklänge und Melodien, welche sich der globale Pop längst angeeignet hat. Und der Text darüber, in unverfälschtem Schaffhauser Dialekt: «Nu wel ich kei Uusbildig ha, machi dä ganz Scheiss mit Tanzä und mit Gsang». Das Resultat: Pop mit Schwiizerdütsch. Glückliche Melodien mit Vorstadt-Tragik. Und Surf- und Südland-Musik mit bissigem Kommentar zur Schaffhauser Standortförderung (Schöner Schtärbe).
Der Ohrwurm bohrt tief
Der Mittelpunkt des Albums ist der gleichnamige Song. «Ich bin en Geischterfahrer. Has scho immer gwüsst, und es wird mer immer klarer», singt Odermatt. Ein Solo-Schwimmen gegen den Strom – und nicht nur gegen die Strömungen am Rheinfall. Geischterfahrer ist ein dreieinhalb Minuten langes Crescendo und steigert sich im wiederholten «Fahred aifach wiiter falsch». Hört die Musik auf, bleibt der Satz als Ohrwurm im Kopf hängen. Und vielleicht auch als Einladung.
Geisterfahrer ist das zweite Album von Papst & Abstinenzler. Vor vier Jahren erschien Hell, aufgenommen in Odermatts Wohnzimmer. Damals noch als Duo aus Dani Gysel (Gitarren, Banjo) und Odermatt. Heute sind Papst & Abstinenzler mit Martin Fischer (Drums) und Nico Feer (Bass) als Quartett zu sehen. Ihr neues Album zeigt unter anderem, dass sich der Dialekt aus der Nordostschweiz hervorragend für Gesang eignet und wie dem Alltag Geschichten entwachsen. Und dass der (Nord-)Ostschweiz die Geisterfahrer ganz gut tun.
Geisterfahrer im Paradies
Die Feder von Odermatt erkennen die Schaffhauserin und der Schaffhauser übrigens auch ohne Papst & Abstinenzler gehört zu haben. Für Konfrontationen mit Mächtigen und Meinungsmachern der Stadt sorgte bereits der Blog «Verfaulte Geschichten», den Odermatt mit dem «Lappi»-Journalisten Christian Erne bis letzten August führte. Die verfaulten Geschichten waren auch eine Art Geisterfahrer im «kleinen Paradies» Schaffhausen.