Von lauschig bis laut
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Der Innenhof des Historischen und Völkerkundemuseums St.Gallen ist vielleicht nicht ganz «der schönste Innenhof der Stadt», wie die Veranstalter des Kulturfestivals gerne sagen, aber definitiv einer der schönsten. Und einer der grössten, schliesslich treffen sich dort seit nunmehr 13 Jahren immer im Juli über drei Wochen bis zu mehrere hundert Leute pro Abend zum Tanzen, Essen, Palavern und was der schönen Dinge mehr sind.
Die Stimmung beim Eindunkeln, wenn die vielen Lichter angegangen und die Zapfhähne warmgelaufen sind, ist einmalig. Das Kies knistert unter den Füssen, manchmal riecht es nach Sonnencreme oder einem erfrischenden Sommersprutz, der gerade niedergegangen ist, nicht selten weht ein gluschtiges Grilldüftchen vom Eingang herein. All das ist aber nur atmosphärisches Vorgeplänkel, denn je nachdem, wer an diesem Abend auf der Bühne steht, wandelt sich die Stimmung im Museumsinnenhof: Mal wähnt man sich in einer nahöstlichen Festoase, mal auf einer einsamen Beduinenwanderung, an anderen Abenden befindet man sich mitten in einem stickigen Basskeller oder lässt sich durch eine technoide Unterwasserwelt treiben. Oder man sitzt auf der Rückbank im Tourbus zu einem überbordenden Punkkonzert. Und wenn die Nacht den Singer-Songwriterinnen gehört, wird es lauschig im Innenhof. Ganz anders die Abende, an denen König Fussball regiert, dann kommt schon mal Stadionatmosphäre auf.
Kulturfestival 2018:
1. bis 21. Juli, Innenhof Historisches & Völkerkundemuseum St.Gallen
kulturfestival.ch
Das Kulturfestival St.Gallen ist bekannt dafür, viele Acts zu holen, die man nicht schon zigmal live gesehen hat, Neuentdeckungen, verkannte und angehende Stars oder seltene, manchmal auch fast vergessene Perlen. Es ist aber auch bekannt für Acts, die man als Ostschweizerin oder Ostschweizer schon öfters live genossen hat, für die lokalen Heldinnen und Helden nämlich, die regelmässig die Gäste von ausserhalb sekundieren – oder gerne auch selber die Hauptattraktion sind. In diesem Sommer sind das unter anderem Afternoon Daydreams, Catalyst, die Rapper Dario und Esik, die Indierocker von Bright, Singer-Songwriterin Elyn, Starch (zusammen mit Marc Sway und Sharlotte Gibson), Drops, DJ Manuel Moreno – und die Punkrocker von Tüchel, die am Kulturfestival ihr 25-jähriges Jubiläum feiern, zugleich der Start ihrer «Kein Ende in Sicht»-Tour, auf der sie ihr neues Album vorstellen.
Kommen wir zu den Gästen von nah & fern: Den musikalischen Auftakt machen die melancholischen Indierocker von The Boxer Rebellion aus London, begleitet von der angeblich ordentlich kitschigen Cádiz. Am Abend darauf bringt Dobet Gnahoré ein Stück Elfenbeinküste und hoffentlich ihr neues Album Miziki, erschienen im vergangenen Mai, nach St.Gallen. Abgeschlossen wird die erste Kulturfestivalwoche mit flauschigem Elektro-Pop von Hundreds aus Hamburg.
Woche zwei startet mit einem Highlight: Oddisee & Good Compny. Der US-amerikanische Rapper und seine krasse Live-Band waren letztes Jahr unter anderem an den Winterthurer Musikfestwochen und am Royal Arena Festival in Biel zu sehen und sind musikalisch eine Pracht. Nicht nur für Freunde von technisch meisterhaftem Rap ein Genuss, auch für Jazz- und Soulfans. Der musikalische Abschluss dieser zweiten Woche dürfte ebenfalls in die Beine gehen: The Fat Bastard GangBand fahren ein, begleitet von Cafe Togo. Das heisst Balkanbeats, Polkajazz, Reggae, Chansons und Trompeten. Und bequeme Schuhe.
Da die Tschutti-WM dann endlich entschieden ist, steht in der dritten und letzten Festivalwoche nur noch Musik auf dem Programm. Eröffnet wird sie von «Old Man» Seasick Steve, der zwar nicht mehr ganz pusper ist, dafür umso wilder rockt. Am Dienstag folgt schon das nächste Highlight: Warhaus aus Belgien, das Soloprojekt von Balthazar-Bandleader Maarten Devoldere – Dark- Pop zum Reinliegen. Sonst noch in Woche drei: Synth-Pop von The Naked and Famous aus Neuseeland, Bassmusik von Kid Simius aus Spanien, Abriss mit Tüchel und zum Abschluss Reggae von der Soldiers of Jah Army, kurz SOJA.
Wie wir so gern sagen: Sommer in St.Gallen, weg kann man auch noch im Herbst.
Dieser Beitrag erschien im Sommerheft von Saiten.