Von guten und bösen Drohnen
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Auf den ersten Blick vermutet man eine Modellflug-Gruppe, die sich an diesem Mittwochmorgen auf dem Platz des Zivilschutz-Ausbildungszentrum Bächli in Teufen eingefunden hat. Die Männer in ihren unauffälligen Uniformen, die vor einem schwarzen, spinnenartigen Flugapparat stehen, sind aber keine Freizeitsportler, sondern dienstpflichtige Drohnenpiloten in Ausbildung.
Nach einwöchiger Arbeit legen sie am Freitag die Lizenz-Prüfung «Due» des Schweizerischen Drohnenverbandes (SVZD) ab. Die Pilotenanwärter sind während den letzten Monaten aus zahlreichen Bewerbungen ausgewählt worden. Sie gehören allesamt dem Zivilschutz an und werden als Angehörige der Drohnengruppe mit eigenem Programm und Pflichtenheft ihren künftigen Dienst absolvieren. Das achtköpfige Team der professionell ausgebildeten Drohnenpiloten ist ab 1. Januar 2019 einsatzbereit.
Drohneneinsätze kosten einen Bruchteil von Helikoptereinsätzen
Warum es die Drohnenpiloten im Zivilschutz braucht, wie sie ausgebildet werden, was man von ihnen erwartet und welches Material dem Team zur Verfügung steht, darüber orientieren an diesem Mittwochvormittag der Kommandant der Ausserrhoder Zivilschutzorganisation, Samuel Signer, und Ueli Sager, Eidgenössischer Drohnenpiloten-Ausbildner beim SVZD. Zwei ZS-Kollegen aus dem Kanton Nidwalden, der ebenfalls eine Drohnengruppe aufbaut, sind für die Ausbildung nach Teufen gekommen.
Zu den Einsatzgebieten von ZS-Drohnengruppen, die bereits auch in weiteren Kantonen geplant sind, gehören Flüsse und Bäche, die Hochwasser führen, Murgabgänge und Überschwemmungen. Aber auch andere Natur- und grosstechnologische Schadenereignisse sind für Einsätze denkbar. Die Drohnen liefern den Zivilschützern und Führungsstäben Bild- und Videoaufnahmen, damit sich diese ein genaues Bild über die Ereignisse machen können. Früher sind dafür bemannte Helikopter aufgeboten worden. Drohnen kosten aber nur einen Bruchteil der Heli-Einsätze und können flexibel in eigener Regie eingesetzt werden. Zu den Aufgaben der Drohnengruppe gehört im Weiteren auch die Aufbereitung und Verdichtung von Einsatzdokumentationen und Lagepräsentationen sowie die sachgerechte Archivierung der gesammelten Daten.
Professionell und gesetzeskonform
Den Drohnenpiloten in Ausbildung wird das notwendige Wissen für den professionellen und gesetzeskonformen Einsatz ihrer Fluggeräte vermittelt. Dazu gehören das Flugverhalten und die Flugleistungen der Drohnen, Aerodynamik, Meteorologie, Navigation und nicht zuletzt auch der Umgang mit den eigenen körperlichen Ressourcen, vor allem unter Stressbedingungen.
Professionalismus und Milizsystem würden auf diese Weise zusammengeführt und auf eine Einsatzbereitschaft rund um die Uhr getrimmt, hiess es in Teufen. Bei den Einsätzen wird in Dreier-Teams gearbeitet. Eine Person ist für die Pilotierung der Drohne zuständig, die anderen beiden für die Kamerabedienung respektive für die Kommunikation mit der Einsatzzentrale per Funk.
Wie eine Übung ad hoc zeigt, klappt das Zusammenspiel reibungslos. Per Funk kommt aus dem Kommandoraum der Auftrag an das Team, ein bestimmtes Fahrzeug auf einem Parkplatz zu suchen und mit der Kamera anzuvisieren. Von dem Fahrzeug wird das rückwärtige Nummernschild herangezoomt und auf die Grossleinwand im Kommandoraum übertragen. Die Einspielung der sechsstelligen Zahl des Kontrollschildes erfolgt gleichzeitig auf dem Audioweg per Funk.
Hochwertiges Material
Das Material ist hochwertig: Eine Drohne des Typs «Matrice» aus der 200-Serie, konzipiert für industrielle Inspektionen, öffentliche Sicherheit und eine Reihe weiterer Anwendungen. Das Gerät ist für Allwettertauglichkeit ausgelegt, jedoch bei Hagel und starkem Nebel schwer oder gar nicht zu fliegen. Es hat eine lange Flugdauer, lässt sich mit verschiedenen Kameras, auch mit Wärmebildkameras, ausstatten. Der Drohnengruppe steht auch noch ein kleineres Fluggerät zur Verfügung, das sich für Kurzeinsätze und Schulungszwecke eignet.
Im GPS Modus fliegen die Drohnen 50 km/h und im freien, handgesteuerten Modus etwa 70 km/h. Mit dem jeweiligen Equipment kosten die beiden Fluggeräte der Drohnengruppe des ZS Appenzell Ausserrhoden zusammen rund 15’000 Franken.
Böse Drohnen?
In der Öffentlichkeit werden Drohnen sehr unterschiedlich wahrgenommen. Neben «Guten» wie hier auf dem ZS-Gelände gibt es auch «Böse». Wie bei aggressiven und bissigen Hunden sind dafür aber ausschliesslich die Halter beziehungsweise die Piloten verantwortlich.
Letztes Jahr haben die Ostschweizer Jagdverwalter einen besseren Schutz der Wildtiere vor exzessiven Drohnenfliegern gefordert. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) erweiterte daraufhin die Drohnenflugverbotskarte um die Jagdbanngebiete. Der Verband der Drohnenflieger SVZD erliess einen Verhaltenskodex für die «Drohnisten» zum Schutz von Umwelt und Tieren. Genützt hat es wenig, vor allem nicht im Alpstein, wo die Flugapparate der Freelancer durch ihr plötzliches Auftauchen immer wieder Paarhufer und Steinwild in Panik versetzen und zu heillosen, gefährlichen Fluchten über Stock und Stein veranlassen.
Vor allem auf der Schwägalp würden immer wieder Gämsen und Steinböcke durch Flugobjekte aufgeschreckt, sagt Andres Scholl, Leiter der Ausserrhoder Fachstelle Natur und Landschaft. Auch die Kammhalde ist davon betroffen. Hier sind es hauptsächlich Modellflieger, die im Einstandsgebiet der Gämsen für Panik sorgen. In den Wildruhezonen gelten Überflugsbeschränkungen. Es müssen auch vorgeschriebene Mindestflughöhen eingehalten werden. Wer aber will das kontrollieren?
Im Kanton St. Gallen ist es schon verschiedentlich zu Zwischenfällen mit Wildtieren gekommen. Der Amtsleiter für Natur, Jagd und Fischerei, Dominik Thiel sagt dazu: «Es werden immer wieder solche Beobachtungen gemeldet. Die Meldungen begannen, als die Drohnen vor wenigen Jahren in Massen gekauft worden sind. Auf Youtube tauchten auch diverse Filme auf, wo illegal im eidgenössischen Jagdbanngebiet am Alpstein/Säntis mit Drohnen gefilmt worden ist.»
Dort sei jedoch der Einsatz von Drohnen verboten, führt Thiel weiter aus. In dem Gebiet würden ganze Gamsrudel aufgescheucht. «Ein Fall ist sogar fotografisch dokumentiert worden, wo eine Drohne einen Graureiher anfliegt, zur Flucht veranlasst und verfolgt. Das geschah in einem eidgenössischen Wasser- und Zugvogelreservat, wo Drohnen ebenfalls verboten sind», sagt der St. Galler Amtsleiter Natur, Jagd und Fischerei.
Wildtiere reagieren panisch, weil sie die Flugobjekte, ob Drohnen, Modellflugzeuge oder Gleitschirmflieger, in ihren Revieren mit Attacken von Greifvögeln in Verbindung bringen.
Basler Gemeinden ziehen Notbremse
Die Drohnenfliegerei soll strenger geregelt werden. Zumindest sollen die Besitzer samt ihren Flugapparaten künftigt registriert werden. Das fordert jetzt der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas in einer Motion. Den Präsidenten der Swiss Helicopter Association veranlasste eine Kollision zwischen einem Helikopter und einer Drohne im Tessin zu diesem Vorstoss. Der Zwischenfall ereignete sich im vergangenen Mai. Drohnen sind für die Zivilfliegerei ein rotes Tuch, nachdem es immer wieder zu Fast-Kollisionen zwischen Flugzeugen und den ferngesteuerten Flugapparaten im In- und Ausland kommt.
Inzwischen surren über 100’000 dieser Hightech-Spielzeuge durch den Schweizer Luftraum. Die unbemannten Drohnen gefährden aber nicht nur mit Menschen vollbesetzte Flugzeuge, sie sind auch die fiesen Waffen von Voyeuren, die mit hochauflöslichen Kameras bestückt auf der Jagd nach sensationellen Bildern sind und Daten- und Persönlichkeitsschutz in der Luft zerreisen.
Die Basler Gemeinden Aesch, Allschwil und Reinach haben die Drohnenfliegerei gründlich satt und für das Siedlungsgebiet strenge Reglemente erlassen. Weil die Luftfahrt rechtlich aber in die Kompetenz des Bundes fällt, können die Gemeinden keine Drohnenflug-Verbote auf ihrem Gebiet aussprechen.