Viel Mantra, wenig Dynamik

Welche Werte und Ziele können Unternehmen nebst dem Geldverdienen noch verfolgen? Bei diesem Thema haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Eröffnungspodium des diesjährigen Sozial- und Umweltforums Ostschweiz (Sufo) am Beispiel der Firma Weconnex ziemlich auseinanderdividiert.
Von  Harry Rosenbaum

Im St.Galler Talhof stellte Lars Willi am Freitag sein 2015 gegründetes Startup-Unternehmen Weconnex vor, das in speziell entwickelten Nexus Centers in Nepal und Madagaskar mit Dorfgemeinschaften, Kleinbauern und lokalen Fischern beim Einrichten von Wasseraufbereitungsstellen und beim Aufbau nachhaltiger geschäftlicher Beziehungen zu den Händlern zusammenarbeitet.

Die Finanzierung der Projekte basiert auf einem Blended-Finance-Ansatz. Dabei soll das Geld mit positiver sozialer Wirkung investiert werden, so dass alle am Geschäft Beteiligten profitieren können. Im Weiteren gehe es auch darum, faire Gewinne unter fairen Bedingungen zu erwirtschaften. Die Centers würden durch Eigenkapital, Darlehen und Spenden eingerichtet.

Über unternehmerisches Handeln das Kapital beschaffen

Um gewinnbringend in soziale und ökologische Projekte investieren zu können, sind vielfach kostspielige technische Lösungen nötig, die zu finanzieren die lokalen Bevölkerungen meist nicht imstande sind. Deshalb versucht das operative Geschäftsmodell von Weconnex über unternehmerisches Handeln das notwendige Kapital für den Betrieb, die Amortisation und den Unterhalt der Centers sicherzustellen. Die Geldgeber, ob private oder institutionelle, können von überall her kommen. Obwohl sie in soziale und ökologische Projekte investieren, erwirtschaften sie trotzdem finanzielle Gewinne.

Bei der Einrichtung von Wasseraufbereitungsstellen funktioniert das laut Willi so: Von Weconnex werden einerseits die lokalen Partner gesucht, welche die Anlagen betreiben, andererseits organisiert das Startup Investoren, die bereit sind, die Projekte vorzufinanzieren. Arbeiten die Anlagen, verkaufen die lokalen Betreiber über ein selbst aufgebautes Verteilnetz das Wasser an die lokale Bevölkerung, den Liter zu zwei Cents.

Über die Einnahmen werden die Kapitalzinsen gedeckt und die Investitionen allmählich zurückgezahlt, so dass die Wasseraufbereitungsstelle ins Eigentum der Betreiber, die sich in der Regel genossenschaftlich organisieren, übergehen kann. Bei den Bauern und Fischern ist es so, dass die Centers dafür sorgen, dass die Fische in Kühlketten zur Lagerung kommen und regelmässig von den Händlern abgenommen werden. Dabei wird darauf geachtet, dass Preise bezahlt werden, die den Produzenten und ihren Familien ein Auskommen ermöglichen.

Laut Weconnex-CEO Willi bieten die Nexus Centers moderne Technik und verbessern die Produktepreise. Letztlich hätten bei diesem System alle Beteiligten Vorteile: die Dorfbewohner, Bauern, Fischer und Händler. Zudem entstünden durch die Bewässerungen ökologische und durch die Wertschöpfungskette ökonomische Effekte.

Kein Etikettenschwindel mit sozialem Unternehmertum

Cécile Bühlmann, Stiftungspräsidentin von Greenpeace und ehemalige Grünen-Nationalrätin, signalisierte Skepsis gegenüber Weconnex: «Man muss aufpassen, dass soziales Unternehmertum nicht einfach nur als Etikette für alte Geschäftsmodelle benutzt wird.» Sie kritisierte, dass die Nexus Centers Wasser in Plastikflaschen verkauften. Das sei überhaupt nicht umweltfreundlich. Teilweise hätten die Leute in den ärmsten Weltregionen auch gar kein Bargeld. Sie könnten also nichts kaufen, auch kein Wasser. «Deshalb ist es gefährlich, in diesen Gegenden das Wasser zu kommerzialisieren», warnte Bühlmann.

Willi entgegnete, dass kein Mensch ohne Wasser leben könne. «Dort wo Weconnex tätig ist, gibt es meistens nur verschmutztes Wasser. Die Centers verkaufen aber nicht einfach nur Wasser, sondern aufbereitetes, geniessbares Wasser. Viele Regierungen in den armen Ländern kümmern sich nicht um diese Probleme, deshalb wird die Wasseraufbereitung auch nicht öffentlich finanziert.»

Moderator Daniel Stern, Wissenschaftsredaktor bei der WOZ, wunderte sich, warum in Nepal und Madagaskar ein Schweizer Unternehmen und kein lokales bei der Behebung der existenziellen Nöte der einheimischen Bevölkerung tätig sei – das sei doch Missionarentum.

Roger Tinner von der Geschäftsstelle Wirtschaft Region St.Gallen entgegnete, Missionare, die sozial engagiert seien, gebe es auch heute noch. Das sei sogar gut, weil so nicht alle Geschäfte über Regierungen liefen, sondern auch über Institutionen, die nicht korruptionsanfällig seien. Überdies treffe man gelegentlich auch auf Unternehmen, die verantwortlich und partnerschaftlich dächten und handelten.

Technokratisch und paternalistisch

Dana Sindermann vom Institut für Wirtschaftsethik an der Hochschule St.Gallen fragte, warum die Nepalesen ihre Wasseraufbereitungssysteme nicht selber aufbauten. Bühlmann doppelte nach: «Wenn das ein Schweizer Unternehmen tut, ist es technokratisch und paternalistisch. Zudem kommen beim Modell Nexus Centers keine Frauen vor.»

Das wollte Willi nicht auf sich sitzen lassen. «Zuerst sind wir in Nepal nur auf Männer gestossen. Wir haben nicht insistieren wollen, dass auch Frauen mitmachen müssen. Das wäre zu aufdringlich gewesen. Und trotzdem arbeiten wir heute mit bedeutend mehr Frauen zusammen als mit Männern», verteidigte er sich.

«Warum nicht einfach Geld in die armen Regionen der Welt schicken?», warf der Moderator ein. Sindermann entgegnete: «Das geht nicht. In diesen Ländern gibt es zu starke korruptive Strukturen, und die Bevölkerungen sind vielfach von der Politik abgekoppelt.» Zudem sei es auch wichtig, dass es immer wieder Leute gebe, die Grundsätzliches diskutierten, sagte Tinner. Das könne aber die konkrete Handlung nicht ersetzen. «Nicht nur Geld schicken, sondern auch Einheimische in die Projekte einbeziehen und sie ihnen übergeben»: Das bringe wohl am ehesten Erfolg.

Wirklich beeindrucken konnte das Sufo-Podium am Freitag nicht. Das war wieder einmal viel guter Wille in «Drittwelt»-Kulisse und wenig Konkretes für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Menschen aus den armen Regionen dieser Welt. Das nächste Mal sollte das Sufo beim gleichen Thema für das Podium zumindest jemanden aus besagten Regionen einladen, am besten für die Moderation. Bestimmt würden dann die richtigen Fragen gestellt und so vielleicht auch für mehr Dynamik und weniger Mantra in der Diskussion gesorgt.