Versteckte, kleine Bijous

Wer von der Linsebühlkirche stadtauswärts geht oder fährt, trifft auf der linken Strassenseite der Flurhofstrasse als erstes auf ein stattliches Bürgerhaus, einst eine Villa, genutzt als Sommerresidenz mit viel Umschwung. Gebaut 1810, war das Ensemble «Zum Acker» seit 1902 Teil des Bürgerspital-Areals und gehört bis heute der Ortsbürgergemeinde St.Gallen.
Die einstige Villa ist längst ein Mehrfamilienhaus und der ursprünglich grosszügige Umschwung ist aufgeteilt in den heute öffentlich zugänglichen Ackerpark im unteren, nördlichen Teil und in ein Areal mit drei Kleinbauten. Einst waren es Pferdestall resp. Kutscherhaus, Gewächshaus und Waschhaus.
Vom Künstleratelier zum Klubhaus
Ab 1933 waren zuerst zwei, ab 1952 alle drei Kleinbauten während Jahrzehnten an Walter Vogel in Gebrauchsleihe vermietet. Das bedeutete, dass sich der Mieter auch selbst um den Unterhalt zu kümmern hatte. Walter Vogel (1899–1994) betrieb eine Malerwerkstatt, war selber auch vielseitiger Künstler als Maler Grafiker, Zeichner, Restaurator oder Bühnenbildgestalter.
Im einstigen Pferdestall oder Kutscherhaus richtete er seine Werkstatt ein, das frühere Gewächshaus und später auch das einstige Waschhaus wurden zu Ateliers. 1957 baute Vogel im Einfahrtsbereich an der Kleinbergstrasse eine Garage mit einer Sumpfkalkgrube – eine Grube die heute, nach der Renovation des Ensembles, wieder ihrem ursprünglichen Zweck dient.
Als erstes hatte die Ortsbürgergemeinde den einstigen Pferdestall oder Kutscherhaus renoviert und mit möglichst bescheidenen Eingriffen für heutige Zwecke nutzbar gemacht. Jetzt ist ein Veloclub hier unter den historischen Balken eingemietet. Aussen präsentiert sich das Haus mit seiner gelb-rot gestreiften Fassade als das auffälligste der drei Kleinbauten.
Daneben steht das ehemalige Gewächshaus mit seinem Glasdach. Dieses Dach war früher nicht isoliert, so dass das Gebäude im Winter und im Hochsommer nicht wirklich nutzbar war. Jetzt ist das Glasdach neu und nach heutigem Standard thermisch isoliert und mit Sonnenstoren ausgestattet. Der grosse offene Raum hat eine Küchenzeile und Sanitäranlagen bekommen.
Das Fischgratparkett aber stammt aus der Zeit des Umbaus durch Walter Vogel. Auf der Nordseite des Pavillons wurde die Pergola mit ihrem Rankgerüst renoviert. Und die von Vogel stammenden Sgraffiti an den Aussenwänden konnten erhalten und denkmalpflegerisch gesichert werden – auch die Anschrift des Malergeschäfts ist erhalten. Das nun ganzjährig nutzbare Gebäude hat die Ortsbürgergemeinde für einen schulischen Zweck vermietet – damit bleibt es mindestens halb-öffentlich.
Ein Kunkler-Pavillon?
Am kuriosesten ist das dritte kleine Gebäude des Ensembles. Das einstige Waschhaus. Das einfache Volumen scheint auf seiner Westseite angeschnitten. Dort wurde um das Jahr 1840 ein zehneckiger, neogotischer Pavillon eingesetzt. Er hat ein Pyramidendach und über den grossen zum Garten gerichteten Fenstern sitzen verglaste Spitzbogen, verziert mit gefiederten Pfeilen. Im Innern sind die zehn Deckenfelder im Stil der italienischen Frührenaissance verziert.
Genaueres über dieses eher kuriose Gebäude, das auch im Kunstdenkmälerband erwähnt wird, weiss man offensichtlich nicht. Der Pavillon erinnert laut der Denkmalpflege stark an den von Architekt Christoph Kunkler entworfenen «Gaben- und Fahnentempel» für das eidgenössischen Freischiessen von 1838. Ab 1952 nutzte Walter Vogel auch dieses Gebäude als Atelier und Ausstellungsraum. Seit 2005 ist es als Wohnhaus vermietet. Dieser neogotische Pavillon ist nun ebenfalls renoviert. Verschiedene Holzteile mussten ersetzt werden und er wurde aufgrund einer Farbanalyse neu und wieder in Rot gestrichen.
Walter Vogels Enkelin, die Architektin Astrid Haller, hatte lange das ehemalige Gewächshaus selber genutzt und sich schon Anfang der 1990er-Jahre intensiv mit dem Ensemble namentlich aus Sicht der Landschaftsgestaltung auseinandergesetzt. Diese Untersuchungen waren denn auch ein Teil der Grundlagen der nun abgeschlossenen, denkmalpflegerischen Gesamtrenovation, die sich die Ortsbürgergemeinde rund eine Million Franken kosten liess.
Zwar ist die einstige, durchkomponierte Parklandschaft nicht mehr in ihrer ursprünglichen Form erhalten, aber das Ensemble der drei sehr speziellen Kleinbauten ist wieder klar erkennbar.