Treffen mit dem Tod

Ein neuer Opernstoff beschäftigt den St.Galler Komponisten Alfons K. Zwicker. Im Zentrum: Uno-Generalsekretär Dag Hammarskjöld und der kongolesische Premier Patrice E. Lumumba, beide 1961 ermordet. Diesen Freitag gibt es einen Konzert-Vorgeschmack.
Von  Peter Surber

«Morgen treffen wir uns, der Tod und ich.» Der Satz steht in einem Tagebucheintrag aus dem Jahr 1930 von Dag Hammarskjöld. Drei Jahrzehnte später, am 17. September 1961 kommt Hammarskjöld, Uno-Generalsekretär, im Kongo ums Leben. Er ist unterwegs, um im Katanga-Konflikt zu vermitteln, als seine Uno-Sondermaschine abstürzt. Vollständig aufgeklärt ist das mutmassliche Attentat bis heute nicht.

Dag Hammarskjöld und Patrice E. Lumumba 1960. (Bild: newafricanmagazine.com)

Mit Hammarskjölds Schicksal und seinen literarisch brillanten Aufzeichnungen, erschienen unter dem Titel Vägmärken (Zeichen am Weg), beschäftige er sich seit zehn Jahren, sagt Alfons K. Zwicker. Jetzt wird daraus eine Oper mit dem Titel The Last Flight of Dag Hammarskjöld. Zwicker konnte für das Libretto den Regisseur und früheren langjährigen Leiter der Bregenzer Festspiele, David Pountney gewinnen. Und Pountney brachte als zweite zentrale Figur jene des kongolesischen Politikers Patrice Lumumba ins Spiel.

Lumumba war 1960 erster Premier der unabhängigen Republik Kongo nach dem Ende der belgischen Kolonialherrschaft. Nach dem Mobutu-Putsch wurde er abgesetzt und am 17. Januar 1961 unter ebenfalls bis heute nicht restlos geklärten Umständen ermordet. Unter anderem fliesst Lumumbas legendäre Rede an der Unabhängigkeitsfeier 1960, in der er die koloniale Unterdrückung geisselte, in das Libretto ein.

Alfons K. Zwicker.

Die Oper spielt kammerspielartig im Todesflugzeug und folgt der Form eines Stationenwegs – Zwicker sieht im politischen «Kreuzweg» von Hammarskjöld und Lumumba Parallelen zur biblischen Passionsgeschichte. Die Täter-Opfer-Thematik ist ihm nicht neu; die Oper Der Tod und das Mädchen spielte auf dem Hintergrund der argentinischen Militärdiktatur. 2011 war sie am Theater St.Gallen zu sehen.

Trio Jaggi Ackermann Meier: «Zeichen am Weg», 22. November, 19.30 Uhr, Kultbau St.Gallen

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Die neue Komposition soll 2020 fertig werden. Einen Eindruck vom Stoff und seiner Behandlung gibt jetzt ein Konzert im St.Galler Kultbau. Zur Aufführung gelangt das Stück Stationen für tiefes Trio in der Besetzung Viola, Violoncello und Klavier. Die Komposition ist nach Zwickers Darstellung vom «Zusammenprall» der Kulturen geprägt: hier der «kühle» schwedische Friedenspolitiker (posthum 1961 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet), dort «die Körperlichkeit und das Sinnliche, das Stammesbewusstsein, das Rituelle und die koloniale Verletzung». In Rondo-Form wechselt das Stück zwischen europäischen «Stationen» und afrikanischen «Refrains».

Im Konzertprogramm kommen zur Zwicker-Uraufführung Werke hinzu, die ihrerseits von aussereuropäischen Musik-Einflüssen geprägt sind: die Elegia per Ty von Giacinto Scelsi sowie Kompositionen des Wieners Thomas Wally und des Basler Cellisten Martin Jaggi, der zusammen mit der Bratschistin Petra Ackermann und dem Pianisten Philipp Meier die Werke aufführt.

Dieser Beitrag erschien im Novemberheft von Saiten.