Tiefenentspannt in den Norden

Mitte Februar bringt das Nordklang Festival einmal mehr die Polarregion musikalisch nach St.Gallen – 16 Bands an sechs Spielorten und ein samstägliches Durcheinander warten.
Von  Corinne Riedener
Cell7 spielt am Samstag, 15. Februar in der Grabenhalle. (Bilder: pd)

Die Musikerinnen und Musiker rennen dem Nordklang quasi die Türe ein. Es gebe tatsächlich seit längerem eine Art Warteliste, sagt OK-Präsidentin Larissa Bissegger am Mittwochmorgen an der Medienorientierung im Restaurant Drahtseilbähnli. «Wir haben das ganze Jahr hindurch Anfragen und sind auch fürs nächste Jahr schon mit potenziellen Acts im Gespräch.»

Und das, obwohl das Nordklang seit jeher ehrenamtlich funktioniert. Das OK verdient nichts, die Helferinnen arbeiten ebenfalls für Karmapunkte und auch für die Bands und Solokünstlerinnen gibt es keine Gage. Lediglich Anreise, Kost und Logis werden übernommen. Das Nordklang ist für viele ein willkommener Abstecher, manche bleiben noch einige Tage länger in St.Gallen, andere nutzen die Zeit für den einen oder anderen Schwung auf der Skipiste.

Bitte kein Schneesturm, Streik oder Vulkanausbruch

Die Stimmung an diesem Mittwoch beim OK ist gelöst. Mehrmals fällt das Wort «tiefenentspannt». Auch weil das Line-up der 14. Ausgabe, für das Sandro Büchler verantwortlich ist, dieses Mal schon vergleichsweise früh gestanden ist. In der Woche vor dem Festival werde sich das aber sicher wieder ändern, sagt er lachend.

Büchler hofft, dass das Wetter dem Festival keinen Strich durch die Rechnung macht. Oder ein Vulkanausbruch. Oder eine Grippe. Oder eine Fluggesellschaft, deren Personal wieder einmal streikt. Das war nämlich letztes Jahr am SPOT-Festival in Arhus der Fall, mit dem das OK eine lange Freundschaft und Zusammenarbeit verbindet. «Wir können ja schlecht mit dem Bus in den Norden fahren und alle Bands abholen. Erst wenn alle da sind, sitzen wir nicht mehr auf Nadeln.»

Nordklang 2020: 14. und 15. Februar, diverse Orte in St. Gallen.

nordklang.ch

Es werden noch Helferinnen und Helfer gesucht. Melden kann man sich hier.

Dieses Jahr gibt es zwei kleine Neuerungen. Nebst den bewährten fünf Spielorten Grabenhalle, Palace, Kellerbühne, Pfalzkeller und Hofkeller gehört nun auch das Øya fix zum Programm. Und die Afterparty findet neu nicht mehr in der Grabenhalle, sondern gegenüber im Palace statt. Der färöische DJ Brynjolfur, in der Kopenhagener Clubszene eine ziemliche Nummer, wird die 14. Nordklang-Ausgabe mit einem Dark-Acid-Elektronik-Set ausklingen lassen.

Rätoromanisch-grönländische Kollaboration

Aber von vorn. Eröffnet wird das Festival am Freitagabend im Pfalzkeller von Gerth Lyberth aus Grönland und Tumasch aus der Surselva. Richtig gelesen. Grönland ist zwar mit rund 2’166’000 Quadratkilometern um einiges grösser als der rätoromanische Teil der Schweiz, beherbergt aber ähnlich viele Menschen – etwa 60’000. «Wir wollen diese beiden Sprachregionen in einen kulturellen Austausch bringen und sind gespannt, was dabei herauskommt», sagt Steffen Wöhrle vom OK, der die Kollaboration eingefädelt hat.

Die beiden jungen Künstler sind bereits seit einiger Zeit miteinander in Kontakt und treffen sich am Mittwoch vor dem Festival zum ersten Mal persönlich. Ergänzt wird der Abend mit einem Vortrag der Grönland-Kennerin und Isländisch-Dozentin Ursula Giger. Sie gibt Einblicke in die grönländische Geschichte, Kultur und Mythologie.

Den Samstag könnte man als Durcheinandertag bezeichnen. Gestartet wird im Pfalzkeller mit dem Tablater Konzertchor, der eine Woche später in der Offenen Kirche Chormusik aus Skandinavien unter dem Titel «Himlen är klar» aufführt. Für ihr aktuelles Projekt haben die Tablater mit dem schwedischen «UmeDuo» zusammengespannt, Erika und Karolina Öhman. Sie begleiten den Chor mit Cello und Perkussion, am Nordklang geben sie alle zusammen eine 15-minütige Kostprobe.

Weiter geht es dann mit Vrang aus Norwegen, Soffia Björg aus Island und Bror Gunnar Jansson aus Schweden, einem Ein-Mann-Orchester mit «Blues von Kopf bis Fuss».

Keine Quote, aber ein Auge drauf

Ganz in der Nähe, im Hofkeller und auf der Kellerbühne, spielen am Samstag unter anderem Luumu, was Pflaume heisst auf Finnisch, aber eigentlich ein dänisch-schweizerisches Trio ist, Elinborg von den Färöern, die schon lange ans Nordklang kommen wollte und es dieses Jahr endlich schafft, sowie die finnische Geigen-Virtuosin Meriheini Luoto. Lauter Frauen, gut so. Eine Quote diesbezüglich hat das Nordklang nicht, erklärt Larissa Bissegger, «aber selbstverständlich immer ein Auge darauf».

 

In Palace und Grabenhalle geht es wie gewohnt etwas basslastiger, lauter, rockiger und elektronischer zu und her. Dort spielen unter anderem The Enterpreneurs, laut Büchler «die spannendste Alternative-Rock-Band Dänemarks», Ringa Manner alias The Hearing aus Finnland, Sunna Margrét aus Island und School of X, so heisst das Soloprojekt des Major Lazer-Schlagzeugers Rasmus Littauer aus Dänemark.

Und dann sind da noch Cell7 und Sturle Dagsland. Erstere zählt zu den Pionierinnen der isländischen HipHop-Szene und thematisiert in ihren Texten immer wieder die Geschlechterverhältnisse, insbesondere auf den Bühnen. «Und das sehr humorvoll», wie Büchler erklärt. Zum Glück rappt sie auf Englisch, so können wir das auch verifizieren.

Über Sturle Dagsland zu schreiben, ist eher müssig, das muss man sich anschauen. So viel sei aber verraten: Der stimmbegabte Norweger spielt nicht nur gerne mit Instrumenten, er wirft sie auch gerne mal herum.