Thurgauer Regierung rechtfertigt Schandlöhne

2600 bis 3000 Franken für Vollbeschäftigte: Das findet die Thurgauer Regierung marktgerecht. Es geht um den Industriekonzern Eugster/Frismag AG. Die Unia und der «Kassensturz» bezeichneten den Hersteller von Elektro-Haushaltsgeräten letzten April als «krasses Beispiel für Dumpinglöhne».
Von  Harry Rosenbaum

SP-Kantonsrat und Gewerkschafter Jakob Auer wollte vom Regierungsrat in einer einfachen Anfrage wissen, was er von diesen «sozial schädlichen Tieflöhnen» halte. In der heute veröffentlichten Antwort schreibt die Exekutive: «Auch ein Lohn von 2600 Franken kann im Übrigen individuell durchaus marktgerecht sein, z. B. für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer Einschränkung, in einer Einarbeitungsphase, während der Ausbildung etc. Solche Löhne werden in Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag bei Bekanntwerden auf Anzeige hin durch die Tripartite Kommission des Kantons (TPK) im Rahmen eines Prüfungs- und Verständigungsverfahrens daraufhin verifiziert, ob eine systematische Unterbietung oder gar Missbrauch stattfindet.»

Lohnabrechnungen im Fernsehen

Die Angestellten des Konzerns, die mit den Schandlöhnen abgespiesen werden, haben keine dieser «Einschränkung», auf die der Regierungsrat anspielt. Sie sind aber Ausländer. – In der Antwort auf die parlamentarische Anfrage heisst es weiter, dass die Tieflöhne durch die Gewerkschaft nicht dokumentiert worden seien. Im Kassensturzbericht aber wurden die besagten Lohnabrechnungen in die Kamera gehalten. Die Konzernleitung hat die miesen Gehälter auch nie bestritten.

Die Regierung schreibt weiter: «In der Branche der Hersteller elektrischer Ausrüstungen, zu denen Eugster/Frismag AG gehört, gilt kein allgemeinverbindlich erklärter Arbeitsvertrag.» Zudem würde es auch an der TPK liegen, tätig zu werden, wenn sie die wiederholte und missbräuchliche Unterschreitung orts-, berufs- oder branchenüblicher Löhne feststelle. In einem solchen Fall könne die TPK bei der Regierung den Erlass eines Normalarbeitsvertrages beantragen. Ein solcher Antrag liege bis jetzt nicht vor.

Keine Ahnung über Tieflohnzahlungen im Kanton

Der Regierungsrat gibt zu, dass er über die Lohnzahlungsverhältnisse bei Eugster/Frismag AG keine Ahnung habe. Die TPK hätte 2014 eine Lohnkontrolle durchgeführt, sei aber ans Amtsgeheimnis gebunden. – Ob im Kanton überhaupt Tieflöhne bezahlt werden, weiss die Regierung offenbar nicht. Von vorhandenen statistischen Daten liessen sich diesbezüglich keine Rückschlüsse ziehen, heisst es in der parlamentarischen Beantwortung. Man will es auch gar nicht wissen. Die Regierung lehnt den Vorschlag des Interpellanten, eine Lohnumfrage durchzuführen, klar ab. Es gebe keine gesetzlichen Grundlagen für eine Auskunftspflicht der Unternehmen, heisst es dazu.

Interpellant Jakob Auer ist mit der Regierungsantwort «absolut unzufrieden» und parodiert: «Einfache Anfrage – einfache Antwort. Damit verabschiedet sich die Regierung in die Skiferien.»  Was den Gewerkschafter aber besonders nervt: «In Ermangelung existenzsichernder Löhne muss das Sozialamt bezahlen.»

Der Konzerngründer: einer der reichsten Schweizer

Der Eugster/Frimag Konzern hat neben Amriswil Niederlassungen in Romanshorn und in Neuhaus (SG). Produktionsstätten gibt es auch in Portugal und China. In der Schweiz werden rund 1.200 Leute beschäftigt. Der Konzern produziert unter anderem Kaffeemaschinen im Auftrag bekannter Marken, wie Jura, Miele, Nespresso, Turmix, König und De Longhi. Der Umsatz des Unternehmens beträgt eine halbe Milliarde Franken. Firmengründer ist Arthur Eugster, laut der Finanzzeitschrift «Bilanz» einer der reichsten Schweizer. Sie schätzt sein Vermögen auf 200 bis 300 Millionen Franken. – Die Voraussetzungen wären also vorhanden, anständige Löhne zu bezahlen.

 

Zum Bild: Hauptsitz der Eugster/Frismag AG in Amriswil TG – Die Gewerkschaft Unia hatte eine Protestaktion vor den Toren des Unternehmens organisiert, doch die Angestellten erschienen nicht. Vermutlich hatte die Geschäftsleitung sie davor gewarnt.