Tanz und Repression in Winterthur
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Rund 200 Personen fanden sich am 19. Oktober 2013 im Graben zusammen, um gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizei an der verhinderten Tanzdemo Standortfucktor vom 21. September 2013 und die nachfolgende Strafverfolgung der Polizei zu protestieren.
Die Aktion «Bring Your Noise» blieb friedlich, beim Holzmann wurde Musik gehört und getrunken. Anschliessend spazierte die Gruppe pfeifend und mit Transparenten durch die Altstadt. Die Anwesenden trugen dabei erneut Kritik an Stadtaufwertung und Verdrängung auf die Strasse, bevor sie sich die Versammlung auflöste.
Drehbuch umgeschrieben
Im Gegensatz zum massiven Einsatz Ende September war keine Polizei – sichtbar und in Uniform – präsent. So wurden weder Personenkontrollen durchgeführt noch wurde die Auflösung der Demo gefordert. Doch was nach einer Duldung des Anlasses aussah, war lediglich eine andere Repressionstaktik als das gewalttätige Spektakel einen Monat zuvor.
Ende 2013 wurden im Zusammenhang mit «Bring Your Noise» mehr als 20 Personen wegen «Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration» polizeilich vorgeladen und verhört. Laut den Betroffenen wurden sie allesamt aufgrund von Videomaterial und Fotos identifiziert. Ende März dann folgten die Strafbefehle durch das Stadtrichteramt: 630 Franken Busse pro Person.
Leute lediglich nach dem Kriterium zu verzeigen, wer gerade auf erhobenem Bildmaterial identifizierbar ist, ist eine äusserst fragwürdige Praxis und fördert das Misstrauen gegenüber den Polizieikräften. Gegen das Vorgehen wurde in der Zwischenzeit von einer Person stellvertretend für alle Betroffenen Einsprache erhoben. Am 20. August findet nun der Prozess im Bezirksgericht Winterthur statt. Weitere sollen folgen.
Dialog-Treffen und Freiräume
Stadträtin und Sicherheitsvorsteherin Barbara Günthard-Maier lancierte im Frühling 2014 eine Dialog-Runde. Im Nachgang zu den «Ereignissen» im vergangenen Herbst wollte sie konkrete Anliegen zum Thema «Freiräume» in Winterthur aufnehmen, damit diese vom Winterthurer Stadtrat in zukünftige Entscheidungen miteinbezogen werden können.
Um Antworten zu erhalten, beauftragte sie Rolf Heusser, den ehemaligen Jugenddelegierten der Stadt Winterthur, den Dialog mit unterschiedlichen Personen und Institutionen aus Kultur, Politik und Sozialarbeit aufzunehmen. Ergebnisse und allfällige Handlungsempfehlungen dieser Dialog-Runde sollen im Herbst kommuniziert werden.
Personen aus dem Umfeld von Standortfucktor riefen zum Boykott der Gespräche auf. Zeitgleich waren zahlreiche laufende Verfahren hängig: Insgesamt wurden im Zusammenhang mit den Demonstrationen über 100 Personen verzeigt. Die Summe der Bussen beläuft sich nach Angaben der Betroffenen auf geschätzte 80’000 Franken, Verfahrens- und Anwaltskosten noch nicht einberechnet.
Mehr zum Thema:
http://www.landbote.ch/dossiers/tanzdemo/
https://soundcloud.com/stadtfilter/sets/standortfucktor-und-freir-ume/
Bild: Landbote