, 13. März 2013
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Tagores garden, worldwide

1913, also vor genau hundert Jahren, bekam Rabindranath Tagore für seinen Gedichtband „Gitanjali“ als erster Nicht-Europäer den Literaturnobelpreis.

Nicht überall nahm man das gut auf, in Kanada schrieb eine Zeitung, das es gewöhnungsbedürftig sei, sich einen Nicht-Weissen Preisträger vorzustellen, vorallem weil einem gesagt wurde, dass Ost und West sich niemals treffen würden (Anspielung auf ein Zitat Rudyard Kiplings). Tagore selbst stellte in seiner Nobelpreisrede fest, dass der Preis an ihm bestimmt nicht verschwendet wurde, denn als er darüber sinnte, ob eine einzelne Person eine solche Ehre überhaupt annehmen könne, wurde ihm klar, dass er den Preis einfach teilen muss. Er gründete Universitäten, Schulen mit der Absicht, dass sich Studenten aus Ost und West da treffen können. Der globale Austausch war ihm wichtig, Nationalist war er, obwohl ein bengalischer Volksheld, nicht.
Der Tagorespezialist Axel Monte aus München stellt uns im Kultbau sehr facettenreich einen Künstler dar, der Geschichte schrieb. Die Nobelpreisrede hat er selbst vor kurzem übersetzt, und in seinem „Books Ex Oriente-“ Verlag herausgegeben. Er liest daraus, und es gelingt ihm recht gut, immer wieder zu verlinken mit anderen Texten, seien es Anektoten aus Tagores Leben, Pädagogische Essays oder natürlich Gedichte.
Da ist zum Beispiel ein Gedicht über einen Tiger, der von einem Mädchen Seife verlangt, um sich die Flecken/Streifen wegzuputzen. Als sie sich hartnäckig weigert, ihm Seife zu geben, droht er sie zu fressen. Da erklärt das Mädchen, es gehöre zu der Kaste der Unberührbaren (Witwen, Waisen, usw.), und wenn der Tiger es fressen würde, würde er dadurch seine eigene Kastenehre beschmutzen. Die gefährliche Katze erschrak und meinte empört, das Mädchen solle ihn nicht berühren. So zog er von dannen und behielt seine Streifen.
Der Kastenfeind Tagore selbst war zwar Brahmane, doch wegen diverser ketzerischer und revolutionärer Ahnen und Verwandten, in diesem Sinne nicht wirklich hoch angesehen, aber das war ihm ziemlich egal, mit solchen Gedichten machte er sich darüber lustig.
Sehr unterhaltsam sind auch die Geschichten aus seiner Kindheit und Jugend, wo der Nobelpreisträger uns erklärt, wie empört er darüber war, dass sein Englischlehrer weder Krankheit noch Tod kannte, und einfach bei jedem Wetter täglich bei ihm auftauchte. Später, selbst schon am unterrichten, stauchte er seine Dienstkollegen zusammen, wenn sie zum Beispiel den Kindern verbaten, auf Bäumen ihre Aufgaben zu lösen.
Hier noch zwei Argumente, warum man auch heute noch Tagore lesen muss: 1. Der Austausch zwischen Ost und West findet statt, doch ist das genug? Verstehen wir Indien, verstehen wir Asien? Verstehen sie uns? Verstehen wir uns jenseits der Zahlen? 2. Bildungssystem: Viele Entwicklungen in Europa gehen ja gerade weg von der Freiheit, weg von der intelligenten geistigen Entwicklung, hin zu Creditpoints und banalem Strebertum. Dürfen unsere Primarschüler auf Bäumen lernen? – Nein, denn das wäre zu gefährlich, die Lehrperson könnte das kaum verantworten. Ums mit Tagore zu sagen: „Geschätzter Kollege, in Ihrem Alter werden diese Kinder bestimmt nicht mehr auf Bäume klettern!“ Die durch die Vergänglichkeit bedingte Gebrechlichkeit ist uns Menschen auch schon Disziplinierungsmassnahme genug – und Rabindranath Tagore, danken wir ergebenst für solche Gedanken!

 

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