Tabubruch gegen Geschlechterklischees im Sport 

Man kommt nicht als Frau auf die Welt, man wird es.» Die­ser be­rühm­ten The­se von Si­mo­ne de Be­au­voir aus ih­rem Werk Das an­de­re Ge­schlecht kommt im Sport ei­ne ganz ei­ge­ne Be­deu­tung zu. Be­son­ders der Pro­fi­sport ist stur nach Ge­schlech­tern or­ga­ni­siert. Wenn es dar­um geht zu zei­gen, wo­zu der mensch­li­che Kör­per fä­hig ist, hält sich im­mer noch hart­nä­ckig die Lo­gik der «na­tür­li­chen» Zwei­ge­schlecht­lich­keit.

Was es be­deu­tet, «Mann» oder «Frau» zu sein, ist nicht nur durch un­se­ren Kör­per vor­be­stimmt, son­dern ba­siert auch auf ge­sell­schaft­li­chen Vor­stel­lun­gen und Nor­men. Kaum auf der Welt, wird das Neu­ge­bo­re­ne mit ei­nem Schwall an Er­war­tun­gen und Fan­ta­sien über­häuft, wie Bu­ben und Mäd­chen sein sol­len. Zu­erst sind es die ro­sa­ro­ten und hell­blau­en Ba­by­söck­li. Spä­ter be­kom­men Mäd­chen weis­se Turnt­äp­pe­li, Bu­ben schwar­ze Fuss­ball­schu­he.

Far­ben als idea­li­sier­te Ver­sio­nen von Weib­lich­keit und Männ­lich­keit spiel­ten auch in den Tex­ten der be­kann­tes­ten Schwei­zer Post-Punk-Band Kleenex (spä­ter Li­Li­PUT) ei­ne Rol­le. «Oh, sie sind so hübsch. Oh, sie sind so nett. Ro­sa­rot das mö­gen sie, hell­blau das tra­gen sie», san­gen die vier Zür­cher Mu­si­ke­rin­nen in ih­rem Song Nice über die Ge­schlech­ter­rol­len. Kleenex mach­ten sich in ih­rem tra­shi­gen Song auch über die ge­sell­schaft­li­chen Nor­men lus­tig: «Die klei­nen weis­sen Pu­del, so na­iv im Ru­del. Sie brau­chen dich nicht, sie kön­nen al­les kau­fen … Die klei­nen schwar­zen Pu­del. Oh, so na­iv im Ru­del. Sie müs­sen nicht den­ken, sie sind so gleich.»

Dass Frau­en, trans Per­so­nen, Que­e­re, Nicht­bi­nä­re und Peo­p­le of Co­lor dis­kri­mi­niert wer­den, hat auch prag­ma­ti­sche Grün­de: Die Macht und das Geld kön­nen so klar zu­ge­ord­net und ver­teilt wer­den. Bei der Dis­kus­si­on um die Teil­nah­me an Wett­kämp­fen darf es nicht nur um Leis­tung und Tes­to­ste­ron ge­hen. Sport ist mehr als Wett­kampf, Sport be­deu­tet vor al­lem auch Iden­ti­tät und Ge­mein­schaft. 

Die Ethik-Char­ta von Swiss Olym­pic pro­pa­giert «Gleich­be­hand­lung von al­len». In Zu­kunft braucht es neue An­sät­ze. Die blos­se Ein­tei­lung in Män­ner- und Frau­en­wett­be­wer­be reicht nicht aus. Wir müs­sen die Ge­schlech­ter­tren­nung in den Sport­ar­ten über den Hau­fen wer­fen. Es braucht mehr Di­ver­si­tät. Neue For­men funk­tio­nie­ren: Ga­by und Ma­dy, die ak­tu­el­len Eis­tanz-Olym­pia­sie­ge­rin­nen, set­zen als Frau­en-Duo am «Art On Ice» in Zü­rich ein Zei­chen ge­gen die Ge­schlech­ter­kli­schees in ih­rem Sport. Sie wur­den da­für ge­fei­ert.

 

Der Song zum Text: Nice von Kleenex. Die Band, die sich nach ei­nem Weg­werfar­ti­kel be­nann­te, kri­ti­sier­te in ih­ren Songs auch die Kon­sum­ge­sell­schaft. Den Band­na­men muss­ten sie nach der In­ter­ven­ti­on der gleich­na­mi­gen Fir­ma än­dern.

Na­tha­lie Grand, 1967, ist freie Jour­na­lis­tin und Pro­jekt­mit­ar­bei­te­rin bei der Stif­tung Sucht­hil­fe. Sie steht seit über 15 Jah­ren als Fuss­ball­trai­ne­rin auf dem Platz und an der Sei­ten­li­nie. Im Herbst 2021 star­te­te sie in St.Gal­len ein Pro­jekt zur För­de­rung des Mäd­chen- und Frau­en­fuss­balls. Bis zum Start der Frau­en-EM 2025 in der Schweiz schreibt sie über Frau­en, Sport und Gleich­stel­lung. Il­lus­triert wird die Ko­lum­ne von Lea Le.