System Innerrhoden in der Krise
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Grund des Zerwürfnisses ist ein Landverkauf vor fünf Jahren an die Kronbergbahn. In einem ersten Kaufvertrag seien zwei Millionen Franken vereinbart worden, sagt Moser der „Ostschweiz am Sonntag“. Nach dem Kaufabschluss wählt die Käuferin den Regierungskollegen und Landammann Fässler in ihren Verwaltungsrat. Dieser habe den Vertrag dann einfach auslaufen lassen und den ausgehandelten Preis um 400.000 auf 1,6 Millionen Franken nach unten korrigiert, weil das Grundstück seiner Meinung nach zu teuer gewesen sei, sagt Altsäckelmeister Moser weiter. Die Abwertung des Grundstücks sei an einer „Sondersitzung, beschlossen worden, an der nur Fässler, Landamann Carlo Schmid und er anwesend gewesen seien. Fässler sei dabei von Schmid unterstützt worden. „Ich habe mich mit aller Kraft dagegen gewehrt“, wird das Innerrhoder Ex-Regierungsmitglied weiter zitiert.
In Innerrhoden wird nicht „gegantet“
Gegen die Mauschelei-Vorwürfe hat Schmid in der Sitzung des Kantonsparlaments am 25. März Stellung genommen und gesagt, in Innerrhoden werde nicht „gegantet“ wie bei der Mafia. Den Preisabschlag für das Stück Land rechtfertigte er damit, dass es in einer Hochwassergefahrenzone liege und die Kronbergbahn nach Bekanntwerden dieses Umstandes um eine Preisreduktion ersucht habe. Die Standeskommission habe zugestimmt. Das Parlament lehnte nach dem Bekanntwerden der Ungereimtheiten mit klarer Mehrheit eine Untersuchung ab.
Das politische Appenzell in Aufruhr
Nach diesem neuerlichen politischen Eklat stellte Radio SRF fest: „Das Machtsystem im Kanton Appenzell Innerrhoden steht in der Kritik. Ein ehemaliger Regierungsrat erhebt massive Vorwürfe und zweifelt an der Redlichkeit der Regierungspräsidenten. Das politische Appenzell ist in Aufruhr.“ Zuvor hatte Moser in der NZZ zum Rundumschlag angesetzt und dem Macht-Duo Schmid-Fässler Machtmissbrauch, Günstlingswirtschaft, Intransparenz und Geheimnistuerei vorgeworfen. So soll Schmid eigenmächtig die Lohnerhöhung eines Regierungsratsmitgliedes angeordnet haben. Fässler wiederum habe dem Kanton ein Areal der Carl-Sutter-Stiftung zur Nutzung als Sportstätte zum Kauf angeboten. Dies sei ein Stiftungsbeschluss, habe Fässler verlauten lassen. Gemäss Moser, der damals Präsident der Carl-Sutter-Stiftung war, hat es aber einen solchen Beschluss gar nie gegeben. Fässler habe auch einen Beschluss von Moser, die Steuerverwaltung, die ihm als Säckelmeister unterstand, überprüfen zu lassen, ohne Rücksprache mit der Standeskommission wieder rückgängig gemacht. Laut Angaben von Moser in er NZZ war die Steuerverwaltung seit 20 Jahren nicht mehr überprüft worden.
Den Rücktritt gefordert
In der NZZ bezichtigt Moser seinen Ex-Regierungskollegen des Mobbings. Am 7. August 2010 soll Fässler ihn unter vier Augen darüber informiert haben, dass er, Moser, in mindestens fünf schwerwiegende Steuerstrafverfahren verwickelt sei. Fässler soll gefordert haben, dass er sofort und kommentarlos die Führung des Steueramts an ihn abgebe und vom Amt des Säckelmeisters zurücktrete, andernfalls werde er die Standeskommission im Detail informieren. Moser sagt, er habe Fässler geantwortet, dass er von keinem Strafverfahren wisse. Darauf habe Fässler die Anschuldigungen vor der Standeskommission wiederholt. Die Standeskommission habe gegen seinen Willen beschlossen, ihm die Steuerverwaltung zu entziehen. Eine Woche später habe er seinen Rücktritt eingereicht.
Gegenstandslos und abstrus
In einer „amtlichen Mitteilung“ hat am 27. März die Standeskommission auf den Artikel in der NZZ reagiert. Darin heisst es: „Die Standeskommission hält fest, dass die von a. Säckelmeister Sepp Moser behaupteten Unregelmässigkeiten nicht nur gegenstandslos, sondern teilweise schlicht abstrus sind. Nach Einschätzung der Standeskommission wird er in seinem aktuellen Handeln geleitet vom Wunsch, der Standeskommission und insbesondere dem stillstehenden Landammann zu schaden. Dass dies unter dem Titel gemacht wird, Innerrhoden dienen zu wollen, ist für die Standeskommission zynisch, da derartige Polittheater geeignet sind, den Kanton und seine politischen Institutionen nachhaltig zu schädigen.“
System Innerrhoden hat sich nicht verändert
Das System Innerrhoden ist ein Anachronismus: wegen seiner allseits vermarkteten Landsgemeinde vielfach als funktionierendes Beispiel für direkte Demokratie hochgehalten, in Wirklichkeit aber das pure Gegenteil. Ist bei einer Abstimmung im Ring das Handmehr nicht klar, wird schon mal zugunsten der Regierungsvorlage ausgemarcht. – Einen selbstgefälligen Machtpolitiker wie Carlo Schmid, der nun schon 29 Jahre auf dem Landammannstuhl hockt, gibts wohl nirgends sonst als im halbfeudalen Innerrhoden. Auf die kommende Landsgemeinde will er sich endlich verabschieden. Er ist der politische Ziehsohn des legendären Raymond Broger (1916 – 1980). Mit immenser Ämterhäufung hat dieser wie ein Landesfürst geherrscht. Obwohl Jahrzehnte seither verstrichen sind, in denen das Bundesgericht das Frauenstimmrecht in kantonalen Angelegenheiten einführte und die Gerichte öffentlich zugänglich machte, hat sich das System Innerrhoden nicht verändert; ausser dass mit Landverkäufern, die in den Verdacht geraten, nicht lauter gehandelt zu haben, heute anders verfahren wird als früher.
Ex-Landammann wurde Kopf abgeschlagen
1762 wurde der Sozialaufsteiger Anton Joseph Sutter in Appenzell Innerrhoden zum Landammann gewählt. Während seiner Amtszeit geriet er zunehmend in Konflikt mit der eingesessenen Führungsschicht, die nur auf den Absturz des Emporkömmlings wartete. – Sutter brachte 1767 die hintere Alp Sämtis in den Besitz Innerrhodens und hatte sich bei dem Geschäft selber bereichert. Deswegen wurde er 1775 vom Landrat mit sofortiger Wirkung abgesetzt. Als er daraufhin Innerrhoden verliess und sich in Süddeutschland niederliess, verurteilte ihn der Landrat zu 101 Jahren Verbannung aus der Eidgenossenschaft, wegen landesverräterischer Umtriebe. 1784 wurde Sutter durch falsche Zusagen ins Appenzellerland gelockt und verhaftet. Der Landrat verurteilte ihn nun zum Tode. Das Urteil wurde im selben Jahr mit dem Richtschwert vollstreckt