Kanonenboot Köppel im Hafen von Steinach
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Im Juni wollte die SVP Ermatingen einen solchen Anlass auf einem deutschen Ausflugsschiff stattfinden lassen. Patriotisch falsch! hiess es bei der Kantonalpartei Thurgau, und das Boot wurde umgehend abbestellt.
Gleich richtig machte es jetzt die Schwesterpartei in Steinach: Sie orderte zum Wahlauftakt für den Freitagabend das Zürcher Kanonenboot «Roger Köppel». Es ging im Gemeindehafen vor Anker. Der richtige Platz, denn am Nordufer des Bodensees beginnt bereits EU-Land. Die «Roger Köppel» stand mit programmatischer Rede auf dem Programm: «Schweiz – EU: eine Standortbestimmung aus bürgerlicher Sicht». Da erwartete man auch ein paar Breitseiten aus den Geschützrohren. Aber nix da!
Zum angekündigten Thema sprach der auf dem siebzehnten Platz der Zürcher SVP-Nationalratsliste geführte Weltwoche-Chef kaum ein Dutzend Sätze. Und die waren nicht analytisch, höchstens anekdotisch. Etwa in dieser Art: «Ich habe Angela Merkel einmal gesagt, dass wir in der Schweiz eine direkte Demokratie haben, und das sei die Staatsform des institutionalisierten Misstrauens gegenüber der Politik. Damit habe ich die Bundeskanzlerin fast zu Tode erschreckt.» Gegröle aus dem Publikum.
Misstrauen ist in Köppels Logik ganz wichtig, weil es den Nährboden für die nationale Unabhängigkeit bildet. Die kleine Schweiz habe diese Wechselwirkung schon immer gekannt und zu ihrem Daseinsprinzip entwickelt. Damit habe sie stets auch massgeschneiderte Lösung für ihre Probleme gefunden. Jetzt könne das aber bald ein Ende haben. Denn die Politik, die in Bern betrieben werde, führe direkt in den Untergang des Landes. So düster malte Köppel die Zukunft und versetzte das etwa 300-köpfige Festzeltpublikum in Winkelried-Stimmung. Nur die SVP könne dieses Landesschicksal noch abwenden, sagte Köppel salbungsvoll. Die Hände an den Tischen schossen wie Spiesse in die Höhe und applaudierten in der Luft.
Die Mär von den Hellebarden
Köppel irrlichterte anschliessend mit den Begriffen «Unabhängigkeit» und «Selbständigkeit» durch die Schweizer Geschichte. Vielleicht war das – sehr verschlüsselt – die angekündigte bürgerliche Standortbestimmung zum Verhältnis Schweiz – EU. Man wurde nicht schlau daraus.
Köppel, der politische Philosophie und Wirtschaftsgeschichte studiert hat, sang nach dem Gusto seines Publikums ein Hohelied auf die unabhängige und selbständige Swissness seit 1291. Die frühere Hellebarden-Wehrhaftigkeit der Schweiz habe einzig dazu gedient, die Eigenständigkeit des Landes unbeschädigt durch die Stürme der Zeiten zu lotsen.
Kein Wort dazu, dass die faktenorientierte Geschichtsforschung dies ganz anders sieht. Der Schweizer Wehrwille war über lange Zeit nichts anderes als ein erfolgreiches Geschäftsprinzip, um mit viel Rowdytum die existenziellen Nöte in den Alpen zu überwinden. Schliesslich waren die Söldner während 500 Jahren der Exportschlager des Landes. Die käuflichen Krieger taten ihr Business mit etlichem Spass und trugen unaufgefordert dazu bei, einige der grossen Kriege in Europa besonders blutig enden zu lassen.
Laue Wahlargumente und Knackgeräusche
Bei der von Toni Brunners Lebenspartnerin und Köppel-Wahlmanagerin Esther Friedli zusammen mit dem St.Galler Parteipräsidenten Herbert Huser moderierten Vorstellungsrunde der Kandidaten gab es im Festzelt keine Begeisterungsstürme mehr. Das lag wohl eher an den lauen Wahlargumenten und weniger an den notorischen Knackgeräuschen aus der Lautsprecheranlage.
Möchtegern-Ständerat Thomas Müller sagte auf die Frage, was er im Falle einer Wahl ins Stöckli anders machen würde als Amtsinhaber Paul Rechsteiner: «Alles!» Mehr politische Differenzierung brachte der Rorschacher Stadtpräsident und auserkorene SP-Drachentöter zu seinem heiligen Auftrag nicht über die Lippen. Der frühere CVP-Vertreter in Bern, der 2011 «wegen unüberbrückbarer Differenzen mit der Fraktion» die Partei wechselte, empfahl sich einmal mehr auch als Abbruchkugel für die Sozialhilfe. Die SKOS-Linie habe bei der Mehrheit der Stimmberechtigten keine Chance mehr, behauptete Müller.
Auch Barbara Keller-Inhelder aus Jona, die neu für den Nationalrat kandidiert, ist Konvertitin. Sie war 2008 auf der Liste der CVP in den St.Galler Kantonsrat gewählt worden und trat noch vor der ersten Sitzung des neuen Parlaments zur SVP über. Wird Keller-Inhelder Nationalrätin, will sie für die Abwehr von Flüchtlingen an der Schweizer Grenze die gleich scharfen Kontrollen einführen wie in Frankreich und Österreich.
Nationalrat Toni Brunner will sich in einer weiteren Amtszeit vor allem für die bedrohte Freiheit einsetzen und den Arbeitern die Gewerkschaften, den Unternehmern die staatlichen Sachzwänge und den Bauern die sozialistische Umerziehung vom Hals schaffen.
Nationalrat und Sportmanager Roland Rino Büchel sagte, dass viele Fifa-Funktionäre frei sein wollten wie die SVP, aber einigen falle dies schwer, darum müssten sie wohl ins Loch gehen. Büchel ist aber dagegen, dass die Schweiz hier nachhilft und Strafuntersuchungen gegen Fifa-Funktionäre einleitet, die im Verdacht stehen, strafbare Handlungen begangen zu haben.
Ärmel hoch fürs Vorgestern
Nationalrat Lukas Reimann wünscht sich für die Schweiz ein ultrakonservatives Image, das den Modergeruch vergangener Jahrhunderte verströmt. Dafür brauche es aber mehr SVP in Bern, sagte die 33-jährige Polit-Mumie.
Mike Egger, der neu für den Nationalrat kandidierende Kantonsrat und Präsident der Jungen SVP St.Gallen, will sich für die Berufsausbildung stark machen und empfahl sich als «Büezer für Bern». Für diese Aussage zog er auf der Bühne spontan sein Jacket aus und machte demonstrativ einen Soft-Strip, indem er die Hemdsärmel hochkrempelte.
Der Rest der SVP-Zwölfer-Liste will das angebliche Asyl-Chaos bekämpfen, die unter der Franken-Abkoppelung vom Euro leidenden Gastrobetriebe von Gebühren befreien, KMU-Unternehmen stärken, die Entwicklungshilfe für arme Länder streichen und beim Staat mehr Stutz für die Landwirtschaft herausholen.
Fazit: Der Wahlauftakt dümpelte auf dem Niveau einer Gewerbeausstellung, und das Kanonenboot «Roger Köppel» brachte keinen einzigen Schuss auf das grosse Schlachtschiff «EU» zustande, dafür aber einen Haufen Rohrkrepierer.