Sündenfrei mit Hans Fässler

Fünf Franken zahlen und dafür mit gutem Gewissen EM schauen: Diesen Deal bietet Hans Fässler mit seinen Ablassbriefen an. Das Geld geht an die Arbeiter, die die Stadien für die WM 2022 bauen.
Von  Peter Surber

«Sobald der Gülden im Becken klingt, im Huy die Seel im Himmel springt.» Mit so verlockenden Worten hat der Prediger Johann Tetzel vor 500 Jahren den Gläubigen den Ablasshandel schmackhaft gemacht – und damit Martin Luther zu seinem Kampf gegen das käufliche Seelenheil inspiriert. Jetzt nimmt der St.Galler Kabarettist und Historiker Hans Fässler das Thema mit Ironie auf: Er eröffnet den Fussballgläubigen die Chance, sich ein reines Gewissen zu erkaufen.

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Fässler bietet heute abend vor dem EM-Viertelfinal am Eingang zum Kulturfestival im Historischen Museum Ablassbriefe für einen Fünfliber an. «Nun mal ehrlich: Ihr habt doch manchmal schon ein schlechtes Gewissen, wenn Ihr EM-Fussball schaut und kräftig mitfänt?», steht auf dem Flyer, mit dem Fässler für seine Aktion wirbt.

Und dann nennt er die Schamgründe: «Weil es Euch doch schon irgendwie peinlich ist, dass Ihr genau das tut, was die Sponsoren Adidas, Nike, Coca Ccola, Puma, Hisense, VW, Swiss Life und Credit Suisse von Euch wollen? Weil Euch doch die Illusion von der klassenübergreifenden Erlebnisgemeinschaft und vom friedlichen Wettstreit der ‚Nationen’ schon ein bisschen suspekt ist? Weil Ihr schon spürt, dass es pervers ist, dass das Lohnverhültnis zwischen einem dieser Superkicker und einem Hilfsplatzwart nicht 1:12 ist, sondern 1:1000?»

Fässlers Aversion gegen den Spitzenfussball und dessen korrupte Strukturen ist nichts Neues – zuletzt hatte er vor der EM für mehr Moral und Debatte plädiert. Die jetzige Aktion soll aber nicht nur ironisch den Ablasshandel auf die Schippe nehmen und zum Nachdenken über die Hintergründe des Milliardenbusiness‘ namens Fussball anspornen – sondern Fässler will auch konkret etwas bewirken.

Der Erlös der Ablassaktion geht an die Gewerkschaft GEFONT, die sich für die nepalesischen Bauarbeiter einsetzt, die die Stadien für die WM 2022 in Qatar bauen. Über die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auf den Uefa-Baustellen haben verschiedene Medien berichtet, so die Tageszeitung taz oder die NZZ, und auf Youtube findet man Informationen zur Klage der Menschenrechtsgruppe Sherpa gegen das beim Stadionbau führende Bauunternehmen Vinci Construction:

 

Man kann also nur hoffen, dass sich möglichst viele Fussballfans vor dem Spiel Portugal-Polen für einen Ablasshandel entscheiden. Auf dass sie zumindest für diesen einen Abend in den Fussballhimmel kommen. Und erst noch etwas Gutes tun dabei.