Strike A Pose!

Wenn Elfriede Jelinek über Sinn und Unsinn der Mode schreibt, kommt nicht unbedingt Neues, aber garantiert ein bissiger Text heraus. Am Theater Konstanz hatte am Freitag ihr Stück «Das Licht im Kasten» Premiere. Von Franziska Spanner
Von  Gastbeitrag
Kaufrausch und Markenfetisch: Szene aus «Das Licht im Kasten». (Bilder: Ilja Mess)

«Mode», wusste schon Oscar Wilde, «ist eine Form von Hässlichkeit, die so unerträglich ist, dass wir sie alle sechs Monate ändern müssen.» Regisseurin Susanne Schmelcher nimmt sich nun am Theater Konstanz mit dem Jelinek-Stück Das Licht im Kasten (Strasse? Stadt? Nicht mit mir!) dem Schein und Sein der Mode an.

Es wäre aber natürlich kein Text von Elfriede Jelinek, wenn es dabei nicht auch um tiefgreifende Systemkritik und philosophische Fragen nach der Vergänglichkeit und dem Sinn unseres Daseins ginge.

Bekannte Themen in neuem Gewand

Kaufrausch, Schönheitswahn und Markenfetisch sind jetzt keine brandneuen Spielfelder der Gesellschaftskritik, aber vielleicht gerade deswegen – weil sie nicht neu sind und weil sich nichts ändert – trifft Jelinek damit dennoch einen Nerv.

Sie bringt die schizophrene Psychologie der Mode auf den Punkt: «Es gibt alles nur einmal, dafür aber oft!» Und prangert scharf und unumwunden Missstände an, etwa mit Blick auf die 2013 eingestürzte Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch: «1000 Frauen haben im Schutz ihrer eigenen Fabrik ihr Leben gelassen. – Wär‘ sie ihre eigene Fabrik, hätten sie sie besser gebaut!»

Nächste Vorstellungen 25., 26., 27., 29. Januar, weitere Termine im Februar

theaterkonstanz.de

Trotzdem wird weiterhin Kleidung bei H&M, Zara & Co. gekauft. Vor allem viel davon, denn die Mode ist ja bekanntlich kurzlebig. Immer wieder werden die Zuschauer:innen mit der Tatsache konfrontiert, dass ein T-Shirt im Schnitt nur 1,4-mal getragen wird, «nicht in unserem Leben – in seinem Leben».

Man könnte dem Text vorwerfen, dass er ausser bekannten Fakten nichts Neues liefere, keinen Gegenentwurf, keinen Lösungsvorschlag. Doch er versucht uns einen Weg zu bahnen weg vom sinnlosen Konsum, indem wir uns fragen, ob wir dieses oder jenes wirklich brauchen und was es uns am Ende (des Lebens) bringt.

Griff in die Kostümkiste

Susanne Schmelchers Inszenierung haucht der pointierten, manchmal auch sperrigen, durchkomponierten Abrechnung mit der Mode und dem, was wir damit verbinden, Leben ein. Dabei entsteht ein in sich stimmiges Gesamtkunstwerk, das mehr und mehr den Charakter einer lebendigen, wilden Installation gewinnt.

Die Bühne von Ausstatterin Marion Hauer, in Schwarz und Holz gehalten, der hintere Teil mit einem hellen Vorhang abgetrennt, wirkt zunächst zurückhaltend und lässt die bisweilen schrillen Kostüme zur Geltung kommen. Als sich der Vorhang öffnet, wird der Blick frei auf ein drehbares Rondell in der Mitte, das an ein Jahrmarkt-Karussell erinnert. Nach aussen wird der Innenraum des Rondells von Stoffbahnen gleich den Abtrennern in einer Umkleidekabine abgeschirmt.

Die Darsteller:innen Hanna Eichel, Maëlle Giovanetti und Dominik Puhl gewähren uns gezielte Einblicke in Schaufenster, Schönheitskliniken und Kleiderschränke. Alles muss schnell gehen. Die Innenräume des Mittelteils werden in Windeseile umgebaut, umdekoriert und neu bestückt, die Spieler:innen wechseln ihre Kostüme so oft, wie man es laut Jelinek besser nicht machen sollte.

Zu Techno-Beats präsentieren sie sich im unförmigen, untragbaren «Laufsteg-Look», in der Jacke als Hose oder im Pappkarton, und werfen sich in überzeichnete Posen. Live gefilmte und auf das Drehteil projizierte Handkamera-Aufnahmen (Marie Luise Schönfeld) verleihen der Szenerie den surrealen Touch eines Panoptikums.

Feeling Myself

Im schwarzen Latex-Mantel, auf dessen Rücken in weissen Kapitalien «Feeling Myself» geschrieben steht, lässt uns Dominik Puhl in die Gedanken einer Person blicken, die sich ein Kleidungsstück gekauft hat, nur um so auszusehen wie das Model, das es auf dem Werbe-Plakat trägt. Wer hat sich nicht schon einmal etwas gekauft, um sich anders zu fühlen? Besser? Schöner? Sportlicher? Die Erkenntnis, dass Kleidung keinen anderen Menschen aus einem macht, mag bitter sein, aber sie ist nötig, um uns so annehmen zu können, wie wir sind.

Weiteres zum Thema:

Beitrag des SWR über die Konstanzer Inszenierung: hier.

Sonderausstellung im Landesmuseum Baden-Württemberg Stuttgart: „Fashion?! Was Mode zu Mode macht“, bis 24. April.

Mit grosser Wandelbarkeit führt das Ensemble an diesen Kern des Jelinek’schen Texts heran und stellt immer wieder die Frage nach der eigenen Identität: Wenn uns Mode nicht zu besseren Menschen macht, was ist es dann? Am Ende haben wir die Wahl: uns mit der Frage auseinanderzusetzen oder zur Verdrängung in den nächsten Mid-term Sale zu stürzen.

Was das Stück am Theater Konstanz betrifft, findet sich in den Zeilen selbst eine Antwort: «Alles muss raus! Und Sie müssen dort rein!»

 

 

 

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