Stolze queere Stadt

Pride-Demos: Es gibt kleine und grosse, sie sind laut und bunt und voller Glitzer, und fast jede Stadt, die etwas auf sich hält, hat eine. Nun gehört auch St.Gallen dazu, es war längst überfällig.
Diesen Samstag ist es so weit. «Zeit, Farbe zu bekennen», lautet das Motto der ersten St.Galler Pride. «Damit wollen wir ein Zeichen setzen und zeigen, dass queere Menschen auch in der Ostschweiz ein fester Bestandteil der Gesellschaft sind», sagt Andy Calzavara, Co-Präsidentin des Vereins St.Gallen Pride, den sie zusammen mit Andi Giger und Amanda Künzle führt. Gegründet wurde er erst vor einem Jahr.
Es gehe um weit mehr als um Sichtbarkeit, sagt Calzavara. «Die Pride ist politisch. Wir gehen nicht nur auf die Strasse, um unser buntes und reiches Leben zu feiern. Wir kämpfen: für die Gleichstellung und den Schutz vor Gewalt.»
Der Katalog ist lang. Unter anderem fordert Pride St.Gallen die Ausweitung des Diskriminierungsschutzes auf Geschlechtsidentitäten, eine nationale offizielle Erfassung von Hassverbrechen, ein Verbot von Konversationstherapien, besseren Schutz für queere Geflüchtete, einfacheren Zugang zu geschlechtsangleichenden Behandlungen, sichere Räume für queere Menschen und gleichen Zugang zu Samenspenden wie für Hetero-Paare. Hier der ganze Katalog.
Hetze führt zu Gewalt
Diese politische Ansage ist erfreulich. Die Forderungen sind intersektionell. St.Gallen Pride bezieht klar Stellung, auch in der teils hitzigen Debatte unter Feminist:innen, von denen manche ein grosses Problem mit der Gleichbehandlung von trans Menschen und insbesondere trans Frauen haben. Was völlig absurd ist, denkt frau an die eigenen Diskriminierungserfahrungen und früheren Kämpfe. Leider machen sich diese sogenannten Terfs (trans exclusive radical feminists) momentan zu dankbaren Helferinnen der Rechten in ihrem Kampf gegen «Wokeismus» und «Genderwahn».
Das laute Gender-Gebell von Rechts derzeit lässt sich im Übrigen nicht einfach mit «Wahljahr» abtun. Man hört es ja nicht nur in der Schweiz. In gefühlt allen westlichen Industriestaaten tut sich seit geraumer Zeit alles von Rechtsextrem über Radikalkonservativ bis weit in die sogenannte Mitte zusammen, um gegen queere und insbesondere trans Menschen zu hetzen. Dieses Anstacheln von rechter Seite führt zu immer mehr Gewalt, insbesondere zu stochastischer Gewalt.
Das zeigt sich auch in der hiesigen Statistik: Die Angriffe auf LGBTIQ-Menschen in der Schweiz haben einen neuen Höchststand erreicht. 2022 wurden fast 50 Prozent mehr körperliche und verbale Angriffe auf Schwule, Lesben oder trans Menschen gemeldet als im Vorjahr. Betroffen sind vor allem junge Menschen und auch immer mehr trans Personen. Das zeigt der im Mai erschienene Hate-Crime-Bericht von Pink Cross, der Lesbenorganisation LOS und dem Transgender Network Schweiz TGNS (der Bund erhebt im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine Hate Crime-Statistik). Oft handelt es sich um verbale Beleidigungen und Beschimpfungen, bei jedem fünften gemeldeten Fall ist körperliche Gewalt im Spiel.
Alle sind willkommen
Sich davon nicht einschüchtern zu lassen, ist einfacher gesagt als getan, vor allem im Alltag, im Ausgang, allein im Zug oder an der Bushaltestelle. Auch darum braucht es die Pride: Um zu zeigen, wie gross, bunt und stolz die LGBTIQ-Community auch in der Ostschweiz ist und um gemeinsam Kraft zu tanken. Andy Calzavara betont aber ausdrücklich, dass alle Menschen herzlich willkommen sind an der Pride, nicht nur die LGBTIQ-Community. «Wir sind familienfreundlich, barrierefrei und haben ein Awareness-Team für alle Fälle.»
St.Gallen Pride: 12. August
13 Uhr: Demo ab Kornhausplatz
15 Uhr: Reden St.Leonhardspark
20 Uhr: Afterpaty im Flon
Weitere Infos, Awareness und Barrierefreiheit: stgallenpride.ch
Sie rechnet mit 1000 bis 1500 Menschen am Samstag in St.Gallen. Natürlich sei es schwer einzuschätzen, auch weil gleichzeitig noch Street Parade ist, aber angesichts der breiten Zustimmung aus vielen Vereinen, Verbänden, Unternehmen und auch seitens der Behörden sei sie zuversichtlich. Unter anderem laufen Pink Cross, LOS, Otherside, UniGay, die Pädagogische Hochschule St.Gallen, der Verein PinkCop für queere Polizist:innen und auch diverse Private Unternehmen an der Demo mit.
Sie startet um 13 Uhr am Kornhausplatz und führt via Neugasse, Bären- und Gallusplatz zum St.Leonhardspärkli. Dort warten eine Bar, Essens- und Infostände. Ab 15 Uhr reden unter anderem Stadtpräsidentin Maria Pappa, Joel Müller, Anna Rosenwasser, Sylvie Keller und House of Poderosa, dazu gibt es Dragshows und Musik. Die Afterparty mit Stella Sanchez, Hund mit 8500PS, Fluidlake und Karaoke findet ab 20 Uhr im Flon statt.