«stattPlan»: Das andere, bessere Winterthur
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Stadtpläne haben, so unterschiedlich die der Karte zugrundeliegenden urbanen Räume auch sein mögen, eines gemein: Sie dienen vorwiegend der Orientierung. Sie weisen Touristen, Lieferantinnen und sonstigen Fremdlingen den Weg zu repräsentativen Institutionen, Lagerhallen und Schwiegereltern. Im Vordergrund steht die Verlässlichkeit; es geht um Disziplinierung, Vermessung, Struktur und Ordnung.
Die Entscheidungshoheit darüber, was allenfalls weggelassen wird, obliegt den Behörden. Ganz anders beim jüngst erschienenen Winterthurer «stattPlan»: Da wird gewichtet und verdichtet, unterschlagen und hervorgehoben. In sieben Kreise wurde die Stadt Winterthur aufgeteilt, darunter auch der in den letzten Jahren rasant gewachsene Stadtteil Hegi. Vorlage für die Pläne bildete ein herkömmlicher Stadtplan – und eigene Sinneseindrücke der Gestalter und Gestalterinnen. Mit grosser künstlerischer Freiheit und unterschiedlichsten Zeichentechniken wurden diese umgesetzt. Ob mit Bleistift, Tuschestiften, digital nachbearbeitet, als Aquarell oder vollständig am Computer gestaltet: Die unterschiedlichen Bildsprachen verleihen jedem Stadtteil eine eigene Atmosphäre.
Visuelle Alternative
Wie das Wortspiel des Projekts andeutet, geht es hier nicht um die massstabgetreue Abbildung der Stadt an sich, sondern um das «statt». Darum, was anstelle der Realität auch möglich wäre. Daniel Bosshart, Präsident des Vereins Comic [Panel] Winterthur, hebt die Individualität des neuen Stadtplans hervor: «Der Name stattPlan macht klar: Wir wollten eine Alternative erschaffen, sowohl visuell als auch inhaltlich.»
Alternativen finden sich zuhauf, in der Gestaltung spiegeln sich Herzblut wie Kritik der Gestalter und Gestalterinnen wieder. Bei eingehender Betrachtung der Motive lässt sich da einiges herauslesen: Da wäre etwa Winterthurs prominentester Sehnsuchtsort Waldeggsee samt Schiff, Pirat und Meerjungfrau, verzweigte Pilzwälder, überdimensionale Flieger und Bücher – eine belebte Stadt mit Jung und Alt und allerlei Getier.
Neuentdeckungen
Dieser Plan ist definitiv keiner, den man als Wanderhilfe verwenden könnte, aber dafür gibt’s ja Wanderkarten oder, zeitgenössischer, Google Maps-Apps. Nein, der «stattPlan» entzieht sich grösstenteils einer Nutzbarkeit, reiht sich ein in zahlreiche künstlerische Interventionen mit Kartenmaterial und ist vielmehr Wegweiser zur eigenen Fantasie.
Eine Entdeckungsreise war die Arbeit auch für die Zeichner und Zeichnerinnen. Für diese Arbeit war eine starke Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Quartier notwendig. Studien von Karten und Luftaufnahmen, Gespräche mit Bewohner und Bewohnerinnen stehen dahinter. Daniel Bosshart: «Ich habe meinen Stadtteil Hegi ganz neu kennengelernt. Um in die Landschaft eintauchen zu können, habe ich ausgedehnte Erkundungen unternommen. Sogar ein Hochhaus habe ich auf einem dieser Ausflüge entdeckt!»
Ausstellung im Bistro Alte Kaserne, noch bis 11. Juli 2014