Stadtzerstörung bleibt Stadtzerstörung
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Es gehe um die Engpassbeseitigung, und die bestehe aus drei Teilen, so informierten letzten Donnerstag das Bundesamt für Strassen, der Kanton St.Gallen und die Appenzeller Nachbarn an einer gemeinsamen Präsentation. Die drei Teile sind: ein Zubringer mit unterirdischem Kreisel im Areal des Güterbahnhofs mit drei Anschlüssen, zwei in die Stadt, einer ans anschliessende Tunnel in die Liebegg. Dazu die dritte Röhre durch den Rosenberg und – in bestem Strassenbauer-Deutsch – eine PUN, eine permanente Pannenstreifenumnutzung zwischen den Anschlüssen St.Fiden und Neudorf.
Das sei die «Bestvariante», und «bestens» ist sie vor allem für die Kassen der Kantone St.Gallen und Ausserrhoden, denn den Löwenanteil wird der Bund bezahlen. Zwischen 150 und 200 Millionen werden an den regionalen Kassen hängen bleiben, wurde prognostiziert. Wer später einmal wie viel bezahlen wird, wisse man frühestens in zwei Jahren, wenn das Vorprojekt steht.
Dichtestress an der Leonhardsbrücke
Dieses Vorprojekt gilt es dann genau anzuschauen, denn zu den wichtigsten Folgen des Zubringers Güterbahnhof für die St.Galler Stadtentwicklung schweigen sich die Strassenbau-Promotoren aus. In ihrer neu ausgearbeiteten Präsentation zubringer-gueterbahnhof.ch gibt es zwar die Rubrik «Häufig gestellte Fragen» und dort auch jene nach der Entwicklung des Güterbahnhofs. Doch die Antwort ist medioker: «Das unterirdische Führen des Verkehrs und die damit einhergehende Entlastung verschiedener Quartiere ermöglichen die weitere Siedlungsentwicklung und schaffen Planungssicherheit.» Dazu kommt noch der Hinweis auf die Zwischennutzung durch die Lattich-Container.
Dass im Güterbahnhof aber nur jene Minderheit von Autos unter dem Boden bleiben werden, die vom und ins Appenzellerland fahren, ist Fakt: «Vom Kreisel sind Ein- und Ausfahrten auf die Geltenwilenstrasse und (via Güterbahnhofstrasse) in die Oberstrasse sowie zum Tunnel Liebegg vorgesehen.» Genau deswegen gab es gegen die bisherige «Teilspange» Opposition. Für diese Ausfahrten und ihre Rampen werden massive Bauwerke nötig.
Der Güterbahnhof als bestens gelegenes Wohnquartier wird massiv darunter leiden. Dazu stellt sich die Frage, was zwei unmittelbar nebeneinanderliegende Autobahnanschlüsse auf beiden Seiten der St.Leonhardbrücke sollen. Diese Dichte gibt es wohl sonst nirgends.
Mehr Strassen, aber kein Geld für die S-Bahn
Dass Linke und Grüne von diesem Projekt nichts halten, haben sie schon lange und nun erneut lauthals gesagt. Jede Kapazitätserweiterung auf der Strasse bringt nur mehr Verkehr – eine Entwicklung, die seit Jahrzehnten bekannt ist. VCS-Präsident und SP-Kantonsrat Ruedi Blumer bezeichnet denn auch im neuesten VCS-Magazin die St.Galler Gesamtverkehrsstrategie als «Papiertiger», der Verband äussert sich «enttäuscht und entsetzt über die klimafeindliche, strasseneuphorische Politik».
Das Kantonsparlament hat das Strassenbauprogramm 2019-2023 gar noch mit zusätzlichen Projekten aufgestockt, während die Regierung den Ausbau der S-Bahn immer weiter hinausschieben will – sich damit allerdings in den letzten Tagen massive Proteste etwa des VCS, der links-grünen Parteien, der Regio und selbst von bürgerlicher Seite, etwa vom Hauseigentümerverband HEV, eingehandelt hat.
Ganz so schnell wird der angebliche Engpass St.Gallen – er schafft es kaum je in die Verkehrsmeldungen! – allerdings nicht saniert. Bis das Vorprojekt steht, wird es noch dauern, und wenn die Pläne dann aufgelegt werden, sind Einsprachen sicher. Das anvisierte Eröffnungsjahr 2040 steht noch in den Sternen. Bleibt nur zu hoffen, dass die aktuelle Klimabewegung bis dann am Ball bleibt.