Stadtrat verurteilt Rassismus, aber…
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Hintergrund für die Intervention von SP-Parlamentarierin Beatrice Truniger Blaser war zum einen die Tatsache, dass die Stadt 2011 einen Werkbeitrag für die Ausstellung über den Gletscherforscher und Rassisten Louis Agassiz (1807-1873) abgelehnt hatte. Und zum andern, dass Hans Fässlers Ausstellung inzwischen zwar im Berner Oberland, wo ein Berg nach Agassiz benannt ist, und jetzt unlängst auch im Zeughaus Teufen gezeigt worden ist – aber nicht in St.Gallen.
Zudem wies Truniger Blaser darauf hin, dass ein Auftritt des Rassisten und Gletscherforschers Louis Agassiz (im Bild oben: Aufnahme von 1870) im Juli 1830 in St.Gallen belegt sei, und dass die Stadt in der Zwischenkriegszeit eine «bedeutende Rolle in Sachen Rassehygiene und Erbgesundheit» gespielt habe. Sie wollte deshalb vom Stadtrat wissen, wie er die Tatsache beurteile, dass die Ausstellung trotz erheblicher Anstrengungen nicht in St.Gallen gezeigt werden konnte. Und ob er sich angesichts der neusten Erkenntnisse über Agassiz und St.Gallen nicht dafür einsetzen wolle, trotzdem noch einen Ausstellungsort zu finden.
Auch Behörden informieren sich bei Wikipedia: Das zeigt die am Montag publizierte Antwort auf die Einfache Anfrage. Einleitend skizziert der Stadtrat nämlich mit Verweis auf das Netz die Grundzüge der Rassentheorie. Und er pflichtet nach Studium von Bd. 7 der zum Kantonsjubiläum erschienenen St.Galler Geschichte bei, dass auch die Stadt St.Gallen mit den von hier stammenden Rassentheoretikern Ernst Rüdin und Otto Schlaginhaufen ihren Anteil an der üblen Geschichte gehabt hat.
Er gibt damit der Einfachen Anfrage zumindest inhaltlich Recht: «Die Thematik in einer Ausstellung aufzunehmen, historisch zu beschreiben und aktuelle Zeitbezüge herzustellen, ist wertvoll.»
Konkret gebe es aber keinen Grund und keine Möglichkeit, zu handeln. Denn die Stadt organisiere selber keine Ausstellungen, von den städtischen Kunst-Ausstellungen im Lagerhaus abgesehen. Die Museen seien in ihrer Programmierung frei: «Es gehört zu einem breiten Verständnis, dass die öffentliche hand nicht in die Programmgestaltung der subventionierten Institutionen eingreift, sondern sie im Rahmen von Leistungsvereinbarungen der Verantwortung der Institutionen überlässt.» Diese Programme der städtischen Museen seien «hochstehend, ausgewogen und abwechslungsreich» und zudem in der Regel auf Jahre hin festgelegt.
Schliesslich: Dass die Ausstellung jetzt in Teufen zu sehen war, habe mit dem dortigen System der flexiblen «Zwischenstellungen» zu tun und nicht, wie Truniger Blaser mutmasst, damit, dass St.Gallen «kulturell konservativ und ängstlich» sei im Gegensatz zum aufgeschlossenen Ausserrhoden. Die Schau jedoch jetzt auch noch nach St.Gallen zu bringen, mache «wenig Sinn».