, 25. April 2017
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St.Gallen: Mit Volldampf in die Energiezukunft

Noch nicht völlig losgelöst vom Atomstrom und fossilen Energieträgern, aber auf bestem Weg dazu, düst die Stadt St.Gallen mit dem Energiekonzept 2050 der 2000-Watt- und 1-Tonne-CO2-Gesellschaft entgegen.

In dieser Stimmung haben am Montag im Rathaus Stadtrat Peter Jans von der Direktion Technische Betriebe und Harry Künzle, Energiebeauftragter und Leiter beim Amt für Umwelt und Energie, den Medien die «Zwischenbilanz 10 Jahre Energiekonzept 2050» präsentiert.

Energieverbrauch um 20 Prozent tiefer

Dabei geht es um nachhaltige Energie- und Klimapolitik in der Stadt. Nach intensiver Umsetzungsarbeit sei man auf dem richtigen Weg. Das Ziel sei zwar noch weit weg, aber erreichbar, sagten Jans und Künzle.

St.Gallen will bis 2050 den Gesamtenergiebedarf halbieren und den Anteil fossiler Brennstoffe von heute 90 auf 25 Prozent senken. 2010 haben sich die Stimmberechtigten an der Urne für den Ausstieg aus der Atomenergie entschieden. Der Energieverbrauch der St.Galler Bevölkerung sei in den vergangenen zehn Jahren um 20 Prozent gesunken, hiess es an der Medienkonferenz.

Mit einer Informationskampagne unter dem schöpferischen Titel «Watt bin ich» wird in den nächsten Tagen die Erfolgsgeschichte «Energiekonzept 2050» in der ganzen Stadt sichtbar gemacht. Und wer die Story hinter den Erfolgszahlen erfahren will, kann das auf der Website watt-bin-ich.ch tun.

150 Massnahmen

Das Energiekonzept 2050 umfasst einen Katalog mit 150 Massnahmen im Bereich Wärme, Strom und Mobilität. Nach den Worten von Jans und Künzle sind etwa ein Fünftel der Vorhaben, die vor zehn Jahren gestartet wurden, heute bereits abgeschlossen, über die Hälfte der restlichen Massnahmen werde aktuell noch umgesetzt. Die Stadt realisiert die Projekte oft in Partnerschaft mit Industrie, Gewerbe, Dienstleistern, Genossenschaftern und Privaten.

Zu den besonders relevanten Massnahmen zählen der Ausbau des Fernwärmenetzes, das aus dem Kehrichtheizkraftwerk (KHK) gespiesen wird. Rund 900 Gebäude sind damit schon erschlossen, und über zehn Prozent des Gesamtwärmebedarfs der Stadt St.Gallen werden durch das KHK abgedeckt. Die Stadtwerke betreiben über ein Dutzend lokale Wärmeverbunde, die mit Abwärme aus Wärmekraftkupplungs-Anlagen (WKK) gespeist werden. Gesamthaft steht eine elektrische WKK-Leistung von knapp drei Megawatt (MW) zur Verfügung. Die Anlagen produzieren Strom während dem Winterhalbjahr, wenn weniger Solarenergie verfügbar ist.

Ein weiterer wichtiger Sektor ist die Erschliessung der Solarenergie. Auf dem Dach des Fussballstadions Kybunpark haben die St.Galler Stadtwerke im Herbst 2015 die grösste Photovoltaik (PV)-Anlage der Stadt in Betrieb genommen. Sie produziert jährlich rund 540 MWh Strom und kann damit 145 Haushalte versorgen. Die rund 250 PV-Anlagen auf Stadtgebiet haben im Jahr 2016 etwa 6’500 MWh Solarstrom produziert. Die gesamte Photovoltaikfläche ist in den letzten Jahren auf 50’000 Quadratmeter angewachsen.

Rund 9000 verzichten auf Atomenergie

2012 wurde der ökologische Stromtarif eingeführt. 8981 Kundinnen und Kunden beziehen «St.Galler Strom Öko» oder «St.Galler Strom Öko Plus». Damit verzichten sie auf Atomstrom. Seit 2013 gibt es auch ökologische Gasprodukte mit Biogasanteil.

Der seit 1994 existierende Energiefonds konzentriert sich seit 2008 auf die Umsetzung des Energiekonzepts 2050 und hat mit 27 Millionen Franken 2551 Massnahmen an 1861 Gebäuden gefördert. Bei den Anlagen der ARA Au wurden diverse Massnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz umgesetzt.

Im Bereich Mobilität wurde die verstärkte Bevorzugung des öffentlichen Verkehrs an Lichtsignalen umgesetzt und seine Eigentrassierung auf den Hauptverkehrsachsen vorangetrieben. Weiter wurden das städtische Velonetz optimiert sowie 50 Tempo-30- und zehn Begegnungszonen realisiert. Im Rahmen der Kampagne clevermobile konnte sich die Bevölkerung seit 2007 jährlich am Mobilitätsmarkt über Angebote der kombinierten Mobilität informieren sowie an diversen Events Elektrozweiräder und effiziente Fahrzeuge testen. Mit dem im Jahr 2015 beschlossenen Mobilitätskonzept 2040 wird die Zielerreichung des Energiekonzepts 2050 zusätzlich unterstützt.

Am Horizont winkt die 2000-Watt-Gesellschaft

Die Zwischenbilanz stimme zuversichtlich. Die Auswertung der Messzahlen zeige erste Erfolge, hiess es an der Medienkonferenz. Der Pro-Kopf-Energieverbrauch der Stadtbevölkerung sei gegenüber dem Jahr 2005 um 20 Prozent und die CO2-Emissionen um zehn Prozent zurückgegangen. Damit liegt der Energieverbrauch der Stadt St.Galler Bevölkerung wieder auf dem Stand des Jahres 1990, der CO2-Ausstoss sogar zehn Prozent tiefer. Geht die Absenkung im gleichen Tempo weiter, ist das angestrebte Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft bis ins Jahr 2050 erreichbar.

Pilotprojekt Wohnbaugenossenschaft Sturzenegg

Im Westen der Stadt St. Gallen, in der Nähe des Gübsensees, entsteht die Wohnbaugenossenschaft Sturzenegg. Auf Siedlungsebene ist sie ein Pilotprojekt für das Energiekonzept 2050. Die St. Galler Stadtwerke arbeiten deshalb eng mit der Bauherrschaft zusammen. Saiten fragte nach bei Jacques-Michel Conrad von der Wohnbaugenossenschaft.

 

Saiten: Kann das Energiekonzept für die Siedlung umgesetzt werden?

 J. M. Conrad: Das ambitionierte Energiekonzept kann umgesetzt werden. Die Stadtwerke – in diesem Projekt führend vertreten durch Marco Huwiler – haben sich als sehr professionelle Partnerin erwiesen. Ausstehend ist einzig noch die Baubewilligung für die zwei Mobility Parkplätze. Wir gehen davon aus, dass auch diese letzte Pendenz fristgerecht bereinigt werden kann.

Wie sieht es mit dem Zeitplan für den Bau der Siedlung aus?

Wir sind drei Monate im Vorsprung. Dafür sorgten zwei milde Winter sowie eine ausgezeichnete Bauführung. Die Häuser werden etappenweise auf den 1. Juli beziehungsweise den 1. September und 1. November 2017 bezogen.

Wie läuft es mit der Vermietung?

Rund 50 der 69 angebotenen Wohnungen sind entweder vermietet oder reserviert. Für die 2 ½ – und die 3 ½ -Zimmerwohnungen besteht bereits eine Warteliste. Es gibt Interessenten und Interessentinnen, welche durch die Berichterstattung über das Energiekonzept auf die Siedlung aufmerksam wurden. Zudem haben auch schon die ersten Mieter und Mieterinnen den Wunsch geäussert für eine Ladestation für ihr E-Mobil auf dem Einstellplatz. Wir hatten ebenfalls etliche Anfragen für Lademöglichkeiten für E-Bikes. Es gibt jedoch auch Mieter und Mieterinnen, die sich gar nicht oder nur sehr oberflächlich mit dem Energiekonzept auseinandergesetzt haben.

Hat das Energiekonzept einen Nachahmungseffekt?         

Davon sind wir überzeugt. Die Stadtwerke haben mit der Siedlung Sturzenegg die Möglichkeit, interessierten Kreisen aufzuzeigen, was praktisch möglich und auch finanzierbar ist. Es geht zudem darum, dass man als Bauherr bei der Realisierung solcher Konzepte über den Tellerrand hinaus blickt. Partnerschaften wie diese zwischen den St. Galler Stadtwerken und der WBG St.Gallen sind wichtig für die Erreichung der Ziele im Rahmen des Energiekonzeptes 2050.

Beim Projekt Sturzenegg ist die Energiethematik ganzheitlich betrachtet worden, wie es eben das Konzept 2050 vorgibt. Es geht um Strom, Wärme und Verkehr. Darum ist beispielsweise auch Mobility mit an Bord. Und mit dem WBG SG App für die Mieterschaft können zusätzlich Sharing-Konzepte unterstützt werden, welche einen Beitrag zum Ressourcen schonenden Konsum leisten.

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