St.Gallen, der Kanton oben rechts
Die Prognosen waren einigermassen eindeutig, nun ist es Gewissheit: Die SVP legt im Kanton St.Gallen weiter zu. Angesichts der wiederholten Wahlerfolge landauf landab ist das keine Überraschung. Sie gewinnt sieben Sitze und hat damit ihren Verlust von fünf Sitzen 2020 mehr als wettgemacht. Im Kantonsrat hat die SVP nach diesem Wahlsonntag insgesamt 42 der insgesamt 120 Sitze und damit einen Anteil von über 30 Prozent.
Der Sitzgewinn ging vor allem auf Kosten der FDP und der Grünen. Die Grüne Welle scheint gebrochen, die Partei verliert drei ihrer 2020 gewonnenen vier Sitze wieder und kommt neu auf sechs Sitze. Die FDP befindet sich schon seit längerem im Sinkflug: 2016 hatte sie noch 26 Sitze, 2020 waren es 22 und seit heute sind es lediglich noch 19. Bergab geht der Trend auch bei der SP: Sie hat erneut einen Sitz verloren und liegt nur noch bei 18 Sitzen. 2016 waren es noch 21. Die Kantonsratsfraktionen von FDP und SP sind damit neu in etwa gleich stark.
Stabil bleiben Mitte und EVP. Beide konnten ihre 27 bzw. zwei Sitze halten. Zufrieden sein dürfte auch die GLP. Sie hält ihre sechs Sitze.
(Auto-)Bahn frei für die Betonköpfe
Nach diesem deutlichen Rechtsrutsch scheint eine progressive Politik in diesem Kanton zunehmend undenkbar. Nicht zuletzt, da sich die bürgerlichen Parteien, allen voran die FDP, unter dem Druck der SVP in den letzten Jahren ohnehin stetig nach rechts bewegt haben. 90 der 120 Sitze im Kantonsrat sind nun rechtsbürgerlich besetzt, sofern man die GLP nicht dazurechnet. Die Betonköpfe und Stahlhelme können also weiterhin schalten und walten, wie sie wollen, sei es in Sachen Verkehrs-, Sozial- oder Kulturpolitik.
Auch der Stadt-Land-Graben hat sich an diesem Sonntag weiter akzentuiert. In der Stadt dominiert Links-Grün, im Kantonsrat der rechte Flügel. Die Hauptstadt und ihre Vertreter:innen werden so in den kommenden Jahren grösste Mühe haben, ihre Anliegen durchzubringen. Kein neues Problem, aber ein wachsendes, nicht nur in Sachen Finanzausgleich.
Heimspiel für die Bisherigen
Auch die Regierung war frisch zu bestücken. Die fünf Bisherigen haben es erwartungsgemäss im ersten Wahlgang wieder geschafft. Das beste Resultat erreichte Susanne Hartmann von der Mitte (90’728 Stimmen), gefolgt von den beiden FDPlern Marc Mächler (87’772) und Beat Tinner (84’102). Danach kommt Laura Bucher von der SP (82’435) und als Schlusslicht Bruno «wieder sterben lernen» Damann (81’841). Das absolute Mehr lag bei 73’182 Stimmen.
Der zweite Wahlgang am 14. April dürfte nochmals spannend werden. Dana Zemp und Christof Hartmann, beide von der SVP, haben von den neuen Kandidat:innen mit 58’653 bzw. 58’059 Stimmen am besten abgeschnitten. Offenbar stellten weder Hartmanns kürzlicher shady Gerichtsprozess noch Zemps schmaler politischer Leistungsausweis und ihre unklaren politischen Positionen für die Stimmberechtigten eine Hypothek dar.
Downer für Surber
Einen politischen Leistungsausweis kann auch die parteilose Sara Bösch nicht vorlegen, ausser dass sie erfolglos und trotzdem regelmässig für alle möglichen Ämter kandidiert. Dass sie 39’522 Stimmen geholt hat, ist eine der grössten Überraschungen an diesem Sonntag. Und ein Downer für Bettina Surber von der SP, die im Gegensatz zum Nobody Bösch über jahrelange politische Erfahrung und ein gutes Standing bei den anderen Parteien verfügt.
Trotz Spitzenresultat in der Stadt St.Gallen holte die erfahrene SP-Politikerin «nur» 48’457 Stimmen. Lange Zeit lag sie sogar hinter Bösch, erst mit den Stimmen aus den grösseren Gemeinden konnte Surber überholen. Auf Hartmann und Zemp von der SVP fehlen ihr dennoch rund 10’000 Stimmen. Sie muss also im zweiten Wahlgang eine ordentliche Rakete zünden, will sie den zweiten SP-Sitz in der St.Galler Regierung verteidigen. Gelingt ihr das nicht, erfüllt sich die SVP ihren lange gehegten Traum und holt den zweiten Regierungssitz.
Die SVP hat bereits bekanntgegeben, dass sie mit beiden Kandidat:innen in den zweiten Wahlgang geht. Surber liegt nur wenig vor Daniel Bosshard von den Grünen (45’587 Stimmen). Was SP und Grüne machen, ist noch offen. Entschieden wird Anfang Woche. Taktisch wäre es klug, sich auf eine Person zu einigen, um die Stimmen aus dem links-grünen Lager zu vereinen. Politisch gesehen wäre Surber das Schwergewicht. Gegen aussen geben sich die Parteien am Sonntag diplomatisch, hinter den Kulissen dürfte das Resultat aber dennoch für Gesprächsstoff sorgen.
In der ersten Version wurden die Stimmen für Laura Bucher und Bruno Damann vertauscht. Wir haben den Fehler korrigiert.
Update 7. März: Bettina Surber (SP) geht in den zweiten Wahlgang, Daniel Bosshard von den Grünen hat sich zurückgezogen.