Spitzen-Tanz
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Vielleicht erinnert man sich noch an die Orangen. Sie flogen haufenweise durch das Tanzstück «Ordinary Festivals» der Choreographen Patrik Widrig und Sara Pearson, dem Hauptstück des Tanzherbsts Ostschweiz 1997. Fünfzehn Jahre ist das her, Spielort war damals die Grabenhalle – jetzt sind Widrig/Pearson wieder zurück mit einem neuen Projekt mit dem Titel «Ja! Ja! Ja!». Premiere war diesmal in der Lokremise, und wie der Ort, ist auch das Festival selber grösser geworden. TanzPlan Ost heisst es nun und wird im Zweijahresrhythmus von allen Ostschweizer Kantonen inklusive Liechtenstein ausgerichtet und finanziert.
Donnerstagabend: Die Rondelle und das Foyer der Lokremise schmücken Riesenflaschen mit Blumen – Requisiten eines anderen damaligen Tanzherbst-Abends, dem Solo von Urs Dietrich. Wie Dietrich, heute Tanzchef in Bremen, zählt auch Patrik Widrig, der Toggenburger, zu jenen Ostschweizer Tanz-Emigranten, die im Ausland Erfolg hatten und haben. Das Ziel des TanzPlans ist daher nicht zufällig: Er soll dazu beitragen, die Existenz- und Auftrittsbedingungen für die freie Tanzszene auch hierzulande zu verbessern.
Acht Profis, drei Generationen
Inzwischen ist eine neue Generation auf dem Sprung nach ganz oben – zum Beispiel der junge Schaffhauser Kilian Haselbeck, der im Hauptstück «Ja! Ja! Ja!» mittanzt ebenso wie die Schwedin Cecilia Wretemark, die dem St.Galler Tanzensemble angehört. Ein Duo (Bild), das das Publikum mit seiner Virtuosität in Bann zieht. Zu den sechs weiteren Tanzprofis im Stück gehört aber auch die über 60jährige Doyenne der Ostschweizer Freien, Nelly Bütikofer. «Sprung über Generationen» heisst das Motto des Festivals, und es funktioniert: Das Stück holt die Qualitäten und Individualitäten der acht auf je ganz eigene Art hervor, bei den einen dominiert Athletik, bei den andern verinnerlichtere Ausdruckskraft. Spitzen-Tanz ist keine Altersfrage.
Mit knappen Sätzen deuten die Figuren Biographisches an, Liebeseroberungen und Verluste, Unsicherheiten, Triumphe, Selbstfindungsknörze – in Körpersprache umgesetzt mal unsicher stöckelnd auf den Zehenspitzen, mal sprunggewaltig, schliddernd auf dem Tanzteppich oder ringend mit sich und dem Tanzpartner. Und schliesslich glücklich vereint in einem dreifachen «Ja» zu sich, zum andern und zum Tanz. Ein Ja, das auch acht Laientänzerinnen und -tänzer miteinbezieht und zum Finale sogar das Publikum auf die Tanzfläche holt.
Lob für offene Türen
Während fünf Wochen haben Pearson und Widrig mit der Truppe das Stück erarbeitet, zuerst in «residence» im Phönix Theater Steckborn und zum Schluss in der Lokremise. Patrik Widrig, aus den USA an rauhe Existenzkämpfe der freien Szene gewohnt, lobt die Arbeitsbedingungen hier in der Ostschweiz und die offenen Türen und verspricht im Gespräch schon mal lachend: in fünfzehn Jahren wieder.
Vorerst aber ist der TanzPlan noch in St.Gallen, am Samstag ist «Ja! Ja! Ja!» noch einmal zu sehen, wieder, wie an der Premiere, eröffnet vom kontroversen Solostück «Caso & Caos» von Elina Müller Meyer (Tanz) und Jasmine Morand (Choreographie). Bereits am Freitagabend kommen vier Kurzstücke anderer Kompanien auf die Bühne: ein Duo von Kilian Haselbeck und Philip Amann, Soli von Alberto Franceschini und Stefanie Grubenmann sowie ein Projekt der aus Mitgliedern des St.Galler Tanzensembles bestehenden Rotes Velo Tanzkompanie. Ein Breakdance-Gipfeltreffen gehört auch zum TanzPlan: Ostschweizer Hip-Hopper treten am Samstag 25. August gemeinsam mit der jurassischen Truppe 9z Crew & Webo Sisters um 14 Uhr im Stadtpark auf.
Anschliessend an St.Gallen tourt der TanzPlan in Herisau, Schaan, Zürich und Schaffhausen sowie zum Finale im November in Steckborn.
Infos: www.tanzplan-ost.ch