Sozialbüffel im Kantonsrat
Nur rund ein Drittel der möglichen Individuellen Prämienverbilligung (IPV) gesteht der Kanton St.Gallen seiner Bevölkerung zu. Konkret: Eine Familie mit zwei Kindern und einem massgeblichen Einkommen von 4000 Franken pro Monat erhält eine Verbilligung von Fr. 201.70 und zahlt nach deren Abzug immer noch den happigen Betrag von Fr. 689.90 Krankenkassenprämien. Beträgt das Einkommen 5000 Franken, fällt die Verbilligung ganz weg. Das hat Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann am Dienstagmorgen dem Kantonsrat vorgerechnet.
Zum einen gehe es da um kleine, für die Einzelnen aber entscheidende Beträge. Zum andern stehe St.Gallen mit seiner restriktiven Verbilligungspolitik damit auf Platz 21 der Schweizer Kantone – schlechter plaziert seien nur noch Glarus, Innerrhoden, Baselland und Bern. Immer mehr Familien mit kleinen Einkommen rutschten zudem aus der IPV heraus und in die Abhängigkeit von Ergänzungsleistungen hinein: «Das sind die Realitäten.»
Die Fraktion der SP und Grünen wollte bei der Budgetdebatte deshalb den mit den letzten zwei Sparprogrammen weggestrichenen Betrag von 10 Millionen Franken für solche Verbilligungen wieder ins Budget aufnehmen. Die Prämienbelastung sei heute auf bis zu 20 Prozent des Haushaltsbudgets gestiegen, gegenüber 8 Prozent in früheren Jahren, sagte SP-Kantonsrat Peter Hartmann. Allfällige Lohnerhöhungen würden von den höheren Prämien «weggefressen».
Die CVP-Fraktion lehnte ab und versprach familienfreundliche Korrekturen im Steuergesetz, wie sie in Bern beschlossen und ab 2019 wirksam werden sollen. Auf bürgerlicher Seite setzte sich einzig FDP-Frau Elisabeth Brunner für die Erhöhung ein – in jungen Jahren habe sie als Familienfrau mit vier Kindern erlebt, wie hilfreich eine Prämienverbilligung sei. Junge Familien brauchten das Geld heute, nicht übermorgen.
FDP und SVP schwiegen zum Thema – trotz einer Hartmann’schen Brandrede, der den beiden Parteien vorwarf, ihre Bevölkerung im Stich zu lassen. Die 10 Millionen wurden schliesslich haushoch abgelehnt, der bürgerliche Block interessierte sich nicht für Argumente, sondern mauerte ebenso konsequent wie in den Beratungen zuvor, wo es um mehr Spielraum für individuelle Lohnverbesserungen für das Staatspersonal gegangen war.
Fazit: St.Gallen macht sich als Wohnkanton für Familien und Leute mit geringeren Einkommen immer unattraktiver – und ebenso als Arbeitgeber. Vermutlich wundern sich die bürgerlichen Blockierer dann darüber, dass Leute abwandern und ihr Heil in einer Region mit einer zukunftsgerichteteren und sozialverträglicheren Politik suchen. Vielleicht sind sie aber auch froh darüber, dass Nichtsogut-Verdienende verschwinden. Da lässt sich einiges sparen.