«Wir haben die Macht, etwas zu verändern»

Der St.Galler Simon Gründler lebt für die Politik. Dabei setzt er auf Eigenwirksamkeit, nicht nur als Co-Präsident des Jugendparlaments, sondern auch als Juso-Mitglied und angehender Chirurg.

Simon Gründler, fotografiert von Laurin Bleiker.

Si­mon Gründ­ler ist Po­li­ti­ker. Er ist aber auch lei­den­schaft­li­cher Zug­fah­rer, eh­ren­amt­li­che Lehr­per­son für po­li­ti­sche Bil­dung, Mit­glied der Ju­so und der SP St.Gal­len, Co-Prä­si­dent des Ju­gend­par­la­ments und Me­di­zin­stu­dent in Lu­ga­no. Letz­te­res sei wohl eher ein Hob­by, wür­den sei­ne Freund:in­nen be­haup­ten. 

Im Ge­gen­satz zu zahl­rei­chen Par­tei­kol­leg:in­nen war Gründ­ler zu­erst SP-Mit­glied und ist erst spä­ter (auf ei­nem Kirch­turm) auch noch der Ju­so bei­getre­ten. Zeit­wei­se hielt er die Jung­par­tei für zu ra­di­kal in ih­ren Me­tho­den, hat dann aber fest­ge­stellt, dass es par­tei­in­tern auch dort di­ver­se An­sich­ten gibt. Es brau­che eben Ge­sprä­che, sagt er. Am En­de des Ta­ges wür­den doch al­le für das­sel­be kämp­fen wol­len – und müs­sen. 

Und so sind das Stu­di­um – der Plan, Chir­urg zu wer­den –, sei­ne Frei­zeit und die Po­li­tik eng ver­bun­den, denn der St.Gal­ler möch­te ver­än­dern: «Mir ist Ei­gen­wirk­sam­keit sehr wich­tig, dar­um ma­che ich Po­li­tik und stu­die­re Me­di­zin, ich möch­te selbst ak­tiv et­was ver­än­dern. Das liegt mir.» 

Junge Politik

Am 16. No­vem­ber hat sich im St.Gal­ler Kan­tons­rats­saal zum 50. Mal das Ju­gend­par­la­ment der Kan­to­ne St.Gal­len und bei­der Ap­pen­zell ge­trof­fen. An­läss­lich die­ses Ju­bi­lä­ums hat Sai­ten sechs Nach­wuchs­po­li­ti­ker:in­nen aus al­len gros­sen Ost­schwei­zer Jung­par­tei­en por­trä­tiert und sie un­ter an­de­rem ge­fragt, wie sie zur Po­li­tik ge­kom­men sind, was sie sich von ihr er­hof­fen und was sie ver­än­dern wür­den.

Fo­to­gra­fiert wur­den die sechs Jung­po­li­ti­ker:in­nen von Lau­rin Blei­ker am Ran­de der Ju­gend­ses­si­on im St.Gal­ler  Kan­tons­rats­saal. Blei­ker, 2003, ist selb­stän­di­ger Fo­to­graf und Vi­deo­pro­du­zent aus St.Gal­len. Auf­ge­wach­sen ist er im Tog­gen­burg.

Ge­gen die Gleich­gül­tig­keit

Der 22-Jäh­ri­ge ist über­zeugt, dass ge­nau die­se Ei­gen­wirk­sam­keit zen­tral ist, um jun­ge Men­schen für die Po­li­tik zu be­geis­tern. Im Par­la­ment sei die Ju­gend kaum re­prä­sen­tiert, wäh­rend vie­le Ab­stim­mun­gen ih­re Le­bens­welt nicht tan­gie­ren und da­durch kom­plex wir­ken wür­den. So sei es eben nicht leicht, bei po­li­ti­schen The­men den Durch­blick und da­mit auch die Mo­ti­va­ti­on und letzt­lich ein Ge­fühl von Ei­gen­wirk­sam­keit zu be­hal­ten. «Man fühlt sich schnell vom po­li­ti­schen Ge­sche­hen aus­ge­schlos­sen und wird gleich­gül­tig.» Und ge­nau dar­um geht es Gründ­ler: Mit­ma­chen und mit­ge­stal­ten, die Macht, die man in ei­ner De­mo­kra­tie hat, nut­zen, um Din­ge zu ver­än­dern. 

Ein we­nig frus­triert vom Par­la­ments­be­trieb ist der Jung­po­li­ti­ker aber be­reits: Der Lob­by­is­mus, das feh­len­de Zu­hö­ren und die star­ren Struk­tu­ren wür­den im Par­la­ment nur zu oft Lö­sun­gen ver­hin­dern, kri­ti­siert er. Es sei na­tür­lich Wunsch­den­ken zu glau­ben, die Jun­gen wür­den im Par­la­ment al­les bes­ser ma­chen. «Aber ei­ne bes­se­re Welt ist mög­lich», da ist sich Gründ­ler si­cher. 

Er möch­te den­noch ak­tiv Re­al­po­li­tik be­trei­ben, viel­leicht auf Ge­mein­de-, viel­leicht aber auch auf Bun­des­ebe­ne. Und wenn man ihm zu­hört, so klingt er be­reits wie ein er­fah­re­ner Po­li­ti­ker, ir­gend­wo zwi­schen op­ti­mis­tisch und di­plo­ma­tisch rea­lis­tisch. Nur ab und an drückt ein auf­müp­fi­ger Ju­so, ein SP-ler mit ra­di­ka­len Ideen durch.

Mehr Raum fürs Kli­ma mit Gra­tis-ÖV

Geht es nach ihm, gä­be es be­son­ders im Be­reich des öf­fent­li­chen Ver­kehrs viel zu tun: mehr Fahr­rad­we­ge, gra­tis Ti­ckets für Bus und Bahn, we­ni­ger Au­tos und Emis­sio­nen – in Lu­ga­no, St.Gal­len, über­all. Mit die­sem The­ma hat er auch An­fang des Jah­res für den St.Gal­ler Kan­tons­rat kan­di­diert. Da­bei ging es dem Stu­den­ten we­ni­ger dar­um, ei­nen Sitz zu ge­win­nen, son­dern viel­mehr dar­um, die Ju­gend zu re­prä­sen­tie­ren und dem The­ma Kli­ma mehr Raum zu ge­ben. Denn der Kli­ma­wan­del wer­de oft nur iso­liert ab­ge­han­delt, viel zu sel­ten wer­de er bei an­de­ren The­men mit­ge­dacht. 

Sein In­ter­es­se für Po­li­tik wur­de un­ter an­de­rem durch die Kli­ma­streik-Be­we­gung ent­facht: «Ge­ra­de re­den wir über ei­nen Au­to­bahn­aus­bau und but­tern Mil­lio­nen in die Ar­mee. Das geht in ei­ne völ­lig fal­sche Rich­tung», sagt er. Da hört dann die Dis­kus­si­ons­freu­dig­keit des St.Gal­lers zwi­schen­zeit­lich auf. 

Ei­gent­lich dis­ku­tiert Si­mon Gründ­ler näm­lich ganz ger­ne, vor al­lem mit An­ders­den­ken­den – so ver­bringt er sei­ne Sams­ta­ge ger­ne an Stand­ak­tio­nen, dort kann er nach Lust und Lau­ne dis­ku­tie­ren und über­zeu­gen. «Nur wenn ich es mit Kli­ma­leug­ner:in­nen zu tun be­kom­me, dis­ku­tie­re auch ich nicht mehr so ger­ne», räumt er ein. 

Und wenn er fer­tig dis­ku­tiert hat, steigt er ger­ne in den nächs­ten Zug, lernt dort für die Uni, ar­bei­tet für das Ju­gend­par­la­ment, be­rei­tet ei­nen Work­shop vor, führt Ge­sprä­che, schreibt Po­si­ti­ons­pa­pie­re, über­legt, wie man den ÖV güns­ti­ger und at­trak­ti­ver ma­chen könn­te oder schaut ein­fach zu, wie die Land­schaft am Fens­ter vor­bei­rauscht.