Sex and the City wär mir lieber
Hey na. Das mit den Kolumnen ist neu für mich. Und alles, was neu ist, macht mir Angst. Eigentlich hab ich meistens Angst.
Um dagegen anzukommen, habe ich mir Vorbilder für die Kolumne gesucht. Das Naheliegendste für mich war, wie für viele Millennials, Sex and the City. Übrigens eine mehr oder weniger wahre Geschichte: Mr. Big, Carrie Bradshaw und all die anderen sind fiktionalisierte, echt existierende New Yorker Medienmenschen. Und mein millennial ass liebt Brunch, Gossip und Knutschen mit Medienmenschen. Sex and the City also, nur halt im Migros-Restaurant statt in Manhattan.
Damit bin ich natürlich nicht die Erste. «Watson» hat das mit der Kolumnistin Emma Amour schon versucht. Aber deren toxisches Exotisieren von Queers und all der normative Bullshit sind Gift für gesunde Beziehungen. Nachdem ich eine Viertelstunde lang Emma Amour gelesen hatte, verstand ich als trans Frau mich als Alien, sah auf mich zutreffende lesbische Klischees als lächerlich an und zehn Jahre in nichtmonogamen Beziehungen als aufregendes Experiment.
Emma Amour versetzte mich in einen Schub, so wie es immer mal wieder Dinge tun, die meine Identität als falsch abstempeln oder Traumata streifen. Das beginnt mit Selbstzweifeln oder Selbsthass und endet derzeit damit, dass ich mir wahnhaft vorstelle, mir den Hals oder die Pulsadern aufzuschneiden. Das Resultat einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, Kindheitstraumata, Suchtkrankheit, Transfeindlichkeit, dies und das. Die Suizidfantasien sind dabei genauso millennial wie die Kolumnenvorlieben: Rasierklingen, noch so ein 2000er Ding. Wenn ich eine suizidale Phase habe, rasiere ich mich nur mit Apparat. Just to be safe.
Die Zeit über Weihnachten und Neujahr war so eine Phase. Ich traf mich mit meinen Freundinnen und wollte à la Sex and the City über Crushes aus den Medien und Bookingarschlöcher aus der Musik gossipen. Aber alles, was wir uns zu sagen hatten, war: Überleben ist wichtig, alles andere ist nice to have.
Also muss Sex and the City warten. Zuerst wird überlebt, als Fels in einem Meer aus Tränen und Traumata. Die monatlichen Deadlines dieser Kolumne werden Verpflichtungen sein, nicht primär dazu, einen Text zu liefern, eher dazu, nochmals ein Heft lang am Leben zu bleiben. 24/7 Traumacore halt. Zumindest so lange, bis die Girls und ich nicht mehr darüber reden, wie wir am Leben bleiben, und wieder darüber reden, mit welchen cuten Schweizer Musik- und Medienmenschen wir gerne knutschen würden.
Mia Nägeli, 1991, arbeitet nach einer Journalismusausbildung und ein paar Jahren bei verschiedenen Medien heute in der Musikbranche in der Kommunikation, als Tontechnikerin und als Musikerin. Das ist ihre erste Kolumne für Saiten. Seit Februar 2024 schreibt sie hier über Pop und Traumata.