Seltsame Bierflaschen – Thuner Gratwanderung

St.Gallen gewinnt in einem zähen Match mit Glück gegen den FC Thun. Dabei gehen die Spiele gegen den Angstgegner meistens verloren. Vielleicht ist am Sonntag schon wieder alles wie meistens.
Von  Andreas Kneubühler

«Schon abgelaufen? Nur als Werbung da?»

Thun-Trainer Urs Fischer stellte eine der Bierflaschen, die seit Monaten auf dem Tisch im Medienraum der St.Galler AFG-Arena stehen, wieder an ihren Platz.

Wahrscheinlich hätte er noch sagen wollen: So etwas gibt es bei uns in Thun nicht: volle Bierflaschen, bloss zur Dekoration.

Stattdessen kommentierte er das Spiel, das eine halbe Stunde zuvor zu Ende gegangen war.

Der FC Thun hatte nach 120 Minuten ein Cupspiel verloren, «in dem wir sicher nicht die schlechtere Mannschaft waren».

Es war ein typischer Match zwischen diesen beiden Klubs: Den intelligenten Schwarm-Fussball von Fischers Mannschaft bekam St.Gallen nie in den Griff. Der FCSG wirkte zeitweise ratlos, konnte seine Stärken nie ausspielen, sich keine spielerische Dominanz erarbeiten. Dass das Spiel trotzdem gewonnen wurde, wirkte zufällig: Ein Pfiff der Schiedsrichters, ein Sololauf von Roberto Rodriguez in der Verlängerung. Dazu: Viele vergebene Chancen der Thuner.

Für Jeff Saibene war es eine typische Begegnung der beiden Mannschaften: «Ein Kampfspiel auf Augenhöhe».

Am Sonntag um 16 Uhr kommt es zum zweiten Duell. Es dürfte ein ähnliches Spiel werden.

Der FC Thun.

Hat wenig Geld und spielt trotzdem an der Spitze der Super-League mit. Das Verhältnis zum FC St.Gallen scheint manchmal wie derjenige des Strebers zum Klassenbesten. Da setzt der FCSG auf Kontinuität, wirtschaftet vernünftig und liegt in der Tabelle vor YB, Sion, Luzern. Doch da ist immer noch der FC Thun, der alles noch ein bisschen besser macht. Wie beispielsweise vor einem Jahr, als die Berner Oberländer ebenfalls in der Europa-League spielten, es aber schafften, im Cup zu überwintern und danach erst noch eine gute Rückrunde zu absolvieren.

Mit weniger Geld und eher unbekannten Spielern sind die Berner Oberländer fast immer besser klassiert als der FC St.Gallen.

Nur grad im Moment nicht.

Ist der FC Thun die grosse Ausnahme im seltsamen Fussballgeschäft?

Nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten zeigt sich, dass der Klub auf einem schmalen Grat balanciert. Und es ist fraglich, ob er sich von einem Absturz erholen würde.

Am Mittwoch waren 6800 Zuschauer in der Arena. Für den FCSG ist das so etwas wie ein Minusrekord. Der FC Thun zählt im Schnitt 5400 Zuschauer.

Der Stadionbetrieb lässt sich damit eigentlich nicht finanzieren. Die Belastung ist zu hoch. Der FC Thun bezahlte in der letzten Saison in der Rückrunde der Stadiongenossenschaft die Monatsmieten von je 100’000 Franken nicht mehr.

Am Schluss retteten Transfereinnahmen und der Erlös aus der Europa-League den Klub.

In der aktuellen Spielzeit rechnet der FC Thun mit einem Defizit zwischen 1,5 und 2 Mio. Franken.

Nun ist er auch noch aus dem Cup ausgeschieden.

Es ist absehbar, dass Sportchef Gerber erneut auf hohe Transfereinnahmen hoffen muss. Vielleicht mit Sadik, den die St.Galler am Mittwoch nie in den Griff bekamen.

Die Probleme des FC Thun sind die Probleme der neuen Strukturen in der Super-League. Der Betrieb der neuen Stadien ist so teuer, dass kleinere Klubs die Beträge eigentlich nicht stemmen können – nicht einmal der FC Thun, der Musterschüler der Liga.