Selber schuld!

«Die Frau von...» ist schuld. Wer sonst. Vor allem, wenn es nach dem Nachrichtenportal nau.ch geht. Ein Kommentar zum Sexismus im Sportjournalismus.
Von  Corinne Riedener

Valon Behrami wurde diese Woche laut Medienberichten aus der Schweizer Fussballnationalmannschaft gekickt. Manche sehen darin einen Skandal, anderen ists tendenziell egal. Trainer Petkovic sagte gegenüber RSI, es handle sich «ausschliesslich um einen sportlichen Entscheid».

Was das Online-Portal «nau.ch» nun mit dieser Nachricht macht, ist allerdings mehr als nur unsportlich. Nau wer? Gemeint ist das sogenannte Nachrichtenportal mit Sitz im bernischen Liebefeld, das seit Oktober 2017 die Bildschirme in öffentlichen Verkehrsmitteln mit halbgaren Kurznews flutet.

Nau.ch fragte heute Morgen: «Ist Lara Gut Schuld an Behramis Nati-Rauswurf?» (sic!) Falls es jemand noch nicht weiss: Die Skirennfahrerin Lara Gut und der Udinese-Kicker Valon Behrami outeten sich im vergangenem März auf Instagram als Liebespaar, inzwischen sind sie verheiratet.

Was diese Beziehung mit seinem Rauswurf zu tun hat? Nichts. Aber den Leuten bei nau.ch ist das offensichtlich schnurz. Sie ziehen es vor, mit ausgelutschten, sexistischen Stereotypen ein paar Klicks mehr abzuzügeln.

Bild: Screenshot

Natürlich ist die Frau schuld, wer sonst! Die Frauen sind ja auch schuld, dass ihre Männer nicht mehr so viel saufen gehen dürfen mit ihren Kumpels, dass sie plötzlich «über ihre Gefühle reden» müssen und keinen schweren Töff fahren dürfen, weil sie im Falle eines Unfalls kein Geld mehr heimbringen würden.

Nicht. Die Frauen sind an ganz anderen Dingen «schuld»: Zum Beispiel daran, dass viele Männer bis heute ihre 100-Prozent-Kaderstellen behalten können und Job und Familie trotzdem locker unter einen Hut bringen. Oder daran, dass Alte, Kranke und anderweitig Pflegebedürftige so toll und günstig versorgt werden rund um die Uhr. Oder daran, dass manche Konflikte auch ohne die gute alte Gewalt gelöst werden.

Das war jetzt zu polemisch, sorry. Es gibt natürlich auch ganz viele Männer, die in diesem Jahrhundert leben und sich aktiv am Fortschritt beteiligen. Doch zurück zu nau.ch: Ein bedauerlicher Einzelfall? Ist vielleicht nur jemand «auf der Maus ausgerutscht»? Keineswegs, wie dieser Screenshot von gestern beweist:

Donna Vekic belegt aktuell Platz 182 der Tennis-Weltrangliste. Mit wem sie schläft, ist völlig irrelevant. (Bild: Screenshot)

Sexismus scheint ein gern genutztes «Stilmittel» zu sein beim noch jungen Nachrichtenportal. Offenbar haben die Journalisten dort (gehen wir mal davon aus, dass es in beiden Fällen ein Mann war) nicht mitbekommen, dass die Zeiten, in denen frau noch «die Freundin von», «die Frau von» oder «die Partnerin von» war, längst vorbei sind. Oder schreiben sie beim nächsten Mal von Vekics Freund, wenn Stan Wawrinka gemeint ist? Eher nicht.

Nau.ch ist mit seinem Sexismus aber nicht allein, schliesslich geht es ja hier um Sportjournalismus. Ein anderes Müsterchen aus der jüngeren Zeit konnte frau zum Beispiel in der «Südostschweiz» bewundern. Deren Ressortleiter Sport durfte sich an der WM in Russland vergnügen, und schrieb Sätze wie diesen hier über die vermissten «schönen Olgas von der Wolga» (sic!):

«Darum rate ich allen Schweizer WM-Touristen beziehungsweise dem einem Flirt nicht abgeneigten helvetischen Fan, nur mit sportlich hohen Erwartungen in den Osten Europas zu reisen. Die Chancen auf Punkte gegen Brasilien, Serbien und Costa Rica scheinen mir klar grösser als ein russischer Schönheits-Volltreffer.»

Ja, wenn sich schon die Sport-Journis ständig dermassen sexistisch vertun, braucht man sich auch nicht wundern, wenn die deutsche Sportreporterin Claudia Neumann in den Sozialen Medien aufs unterste beleidigt wird, immer wenn sie ein Fussballspiel kommentiert.