«But I’m still here / feel the life that I live / but I’m still here / satisfied with the rest that I have», singt eine leicht rauchige, tiefe Stimme über einen mit Synthesizern und Indie-Rock-Gitarre angereicherten Popsong. Dieses «Aber ich bin immer noch hier» im Titeltrack zu The Dark Tape bringt die Melancholie auf den Punkt, welche sich durch das ganze Album zieht. Hier macht jemand Musik, nicht weil er damit den grossen Durchbruch erreichen oder gar die Welt verändern will, sondern weil er eben gerade hier ist, an diesem Ort, in diesem Studio oder auf jener Bühne und das macht, was zu ihm gehört: Musik mit Herz und Seele.
Musik macht der in Bischofszell aufgewachsene Marc Frischknecht, seit er denken kann. Wer – wie auch der Autor dieses Textes – in den Nullerjahren an den Musikfestivals der Region rumlungerte, kennt ihn vielleicht noch als Gitarristen der Punkband Sick Condition. Später folgten Projekte wie das Singer-Songwriter Duo Junes.
2014 erscheint die erste EP von Yes I’m Very Tired Now, Common World, worauf eine weitere EP und drei LPs folgen. Nach dem Album 100 Years von 2020 wird es ruhiger um Yes I’m Very Tired Now. «In den ersten fünf Jahren habe ich sehr viel Musik aufgenommen und veröffentlicht. Danach habe ich zwar weiterhin viel Musik gemacht, aber alles immer wieder verworfen. Ich dachte zuerst gar nicht, dass ich diese Songs jemals veröffentlichen würde», erklärt Frischknecht, der neben der Musik auch als Veranstalter, Booker und Hausmann arbeitet.
Melancholie, nicht Resignation
Der nötige Motivationsschub kam, als das St.Galler Grafikbüro Union Union vorschlug, für das Projekt das Artwork zu gestalten inklusive Website und Visualisierungen der Musik. «Ich bewunderte deren Arbeit schon lange, und als diese Anfrage kam, konnte ich fast nicht Nein sagen.»
Die Visualisierung setzt für jeden der zehn Tracks eine Art Spektrogramm, welches aber nicht die Tonfrequenzen, sondern die Dauer der Songs abbildet. Schlicht und monochrom wird so etwas von der geheimnisvollen Einfachheit einer schwarzen Musikkassette ins digitale Zeitalter übersetzt. Zur obskuren und geisterhaften Qualität der Musik passt das sehr gut. Es ist düsterer Pop, der nichts mehr beweisen muss und gerade durch diese Ungezwungenheit überzeugt und immer wieder Platz lässt für schöne Details, beispielsweise sich überschlagende Kickdrums, die verspielt wirken und dem Titeltrack das gewisse Etwas verleihen.
Wer nun Resignation vermutet, liegt falsch. Bei Yes I’m Very Tired Now ist Musik auch politisch. Etwa der Song Gather at the Freedom Square ist eine Hommage an den Arabischen Frühling. «Melancholie ist keine Depression, sondern eine Auseinandersetzung mit der Paradoxie unserer Lebensrealitäten», erklärt Frischknecht und ergänzt: «Natürlich frage ich mich manchmal auch, warum mache ich überhaupt Musik? Würde ich meine Energie nicht besser anders einsetzen? Aber dann stelle ich mir vor, was wäre, wenn es gar keine Musik gäbe. Musik kann Menschen zusammenbringen, im Kleinen etwas bewirken.»
Aufs offene Meer hinaus
So klingt The Dark Tape phonetisch auch ähnlich wie Duct Tape, das Gaffa-Klebeband, welches auf Konzertbühnen oft zum Einsatz kommt und nicht selten notbehelfsmässig Instrumente oder Requisiten zusammenhält. Vielleicht ist die Musik ja auch so etwas wie ein Klebeband, welches eine fragile Gesellschaft noch irgendwie zusammenhalten könnte.
Das Album beginnt mit dem ruhigen Song The Seaside. Über Piano-Akkorde singt Marc Frischknecht zusammen mit Natasha Waters (Kaltehand/Natasha Waters, Mamari), die auf mehreren Tracks zu hören ist: «Everything has to feel good / at the seaside /at the end of the world». Obschon am Anfang, kann dieser Track auch als Coda gehört werden. Am Meer, am Ende der Welt muss sich alles gut anfühlen. Doch wir sind noch nicht dort angekommen, wir schwimmen noch nicht hinaus aufs weite Meer. Wir sind immer noch im Hier und Jetzt.
Yes I’m Very Tired Now: The Dark Tape, ist am 17. Januar digital und auf Vinyl erschienen. Die LP gibt es entweder über die Website oder in den St.Galler Plattenläden Klang und Kleid sowie Analog zu kaufen.
Plattentaufe: 7. März, 21 Uhr, Grabenhalle St.Gallen