, 14. Dezember 2012
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Schwarzgeld: Business as usual

Das Bankhaus Jungholz an der St. Galler Poststrasse hat seine Pforten noch nicht geschlossen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass aus Deutschland weiterhin Schwarzgeld fliesst. Aber der Onlineauftritt der Private Banker ist um einiges seifiger geworden. (www.bankhaus-jungholz.ch). Die deutschen Steuerhinterzieher werden nur mehr indirekt angesprochen, und die Hilfestellung der Bank gibt sich produkteneutral. „Unsere Arbeit zeichnet […]

Das Bankhaus Jungholz an der St. Galler Poststrasse hat seine Pforten noch nicht geschlossen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass aus Deutschland weiterhin Schwarzgeld fliesst. Aber der Onlineauftritt der Private Banker ist um einiges seifiger geworden. (www.bankhaus-jungholz.ch).

Die deutschen Steuerhinterzieher werden nur mehr indirekt angesprochen, und die Hilfestellung der Bank gibt sich produkteneutral. „Unsere Arbeit zeichnet sich durch strikte Kundenorientierung aus“, empfiehlt sich Jungholz bei seiner potentiellen Kundschaft. „Diese Kundenorientierung setzen wir in der Vermögens- und Anlageberatung konsequent um.“ Analysten schrieben 2009: „Jungholz überzeugt durch exzellente Leistungen im Bereich der Stiftungsgründung und bei der Berechnung der steueroptimierten Dotation.“

Vor zwei Jahren hat die Alpen-Bank die Wende bei der Auslandsanlage erahnt und namentlich für die deutschen Kunden das Buch „Der einfache Weg zurück in die Steuerehrlichkeit“ aufgelegt. Damit sollten die Anleger mit möglichst wenig Schaden in die Legalität zurückgeführt werden. Investoren aus Deutschland seien wohl mit die ersten gewesen, die die Freiheiten der Globalisierung nutzten und bereits vor Jahren ihr Vermögen im Ausland angelegt hätten, steht da zu lesen. Und weiter: „Vielen war dabei jedoch nicht bewusst, dass sie trotz einer Kapitalanlage im Ausland mit ihrem Welteinkommen weiterhin in ihrem Wohnsitzstaat steuerpflichtig sind, damit also auch die im Ausland erzielten Erträge zuhause versteuern müssen. Aufgrund der aktuellen politischen Diskussionen ist davon auszugehen, dass das ausländische Bankgeheimnis in Steuerangelegenheiten bald keinen Schutz mehr bietet.“

Jungholz hat das richtig kommen sehen, aber die Anleger fälschlicherweise als ein verschrecktes Häufchen von Naivlingen dargestellt.

„Kundenorientierung“ heisst heute wertneutral das Geschäft mit den Steuerhinterziehern. Und per definitionem tönt das bei Jungholz so: „Der Kunde ist der zentrale Teil unseres Unternehmens. Wir engagieren uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, um unsere Kunden in ihren Wünschen nach Sicherheit, dem Aufbau neuer Werte und der Schaffung grösserer Freiräume zu unterstützen.“ – Reizwörter wie Schweizer Bankgeheimnis, exzellente Steuervorteile, Stiftungs- und Risikomanagement oder Schutz der Privatsphäre tauchen praktisch nicht mehr auf. Man hat sich semantisch angepasst.

Das Geschäftsziel hingegen ist dasselbe geblieben: Private Banking für reiche und superreiche Deutsche. Zu diesem Zweck zog die Tochter der Raiffeisenbank Reutte 1997 – zunächst als Finanzgesellschaft – aus der österreichischen Exklave Jungholz in Oberbayern nach St. Gallen. Im März 2001 hat die Schweizer Bankenaufsicht Jungholz den Status einer Vollbank verliehen und damit das erste ausländische Finanzinstitut mit der Garantie des Schweizer Bankgeheimnisses ausgestattet. Seither empfängt der deutsche Geschäftsführer Thomas Krammer seine online Besucher mit herzhaftem „Grüss Gott in St. Gallen“. Den Auftritt umrahmt ein verschneites Alpenpanorama mit Schweizerfahne im Wind; Swissness pur.

Wer sich für die steueroptimierte Anlage seiner Vermögenswerte im schlichten Reihenhaus an der Poststrasse entschliesst, dem wird warm empfohlen: „Verbinden Sie Ihren Besuch in unserem Haus mit einigen erholsamen Tagen in der herrlichen Bodenseeregion. St. Gallen in der Ostschweiz bietet vielfältige Möglichkeiten für Erholung, Sport und Kultur.“ Natürlich kann man das als deutscher Multimillionär oder Milliardär (mit hoher Steuerempfindlichkeit) auch noch ein ganzes Stück weiter ausreizen: „Die Schweiz gilt als ein Land mit politischer und auch wirtschaftlicher Stabilität. Deshalb ist es verständlich, dass viele Menschen aus dem Ausland über eine Wohnsitzverlagerung in die Schweiz nachdenken“, heisst es bei Jungholz über die Begehrtheit der Alpen-Steueroase.

Und einigen bleibt kein anderer Weg als das Steuerasyl in der Schweiz. Die vom Fiskus beherrschte Welt da draussen – vor allem in Deutschland – ist ja so abgrundtief schlecht. Jungholz hat eine Seite aufgeschaltet, wo die Schweizerische Bankiervereinigung selbst erklärt, wie es ausserhalb des Reduit aussieht. „Leben in der Eiszeit“, titelt Jakob Schaad, Leiter Finanzmärkte International bei der Bankiervereinigung. „In Deutschland ist es zur Zeit innenpolitisch nicht möglich, mit der Schweiz irgendetwas glaubwürdig zu verhandeln. Kein Resultat kann man in Deutschland gegenüber dem südllichen Nachbarland gegenwärtig stehen lassen – egal in welchem Dossier“, meint Schaad. Und mit Bezug auf die Steuervereinbarung: „Dies ist nun schon das zweite Abkommen mit der Schweiz innerhalb kurzer Zeit, das man in Deutschland nach sorgfältigen, allseits minutiösen Verhandlungen unterzeichnet hat, dann aber doch nicht so ratifizieren will. Zuerst das Luftverkehrsabkommen: Man will nachverhandeln, ohne das etwas Neues geschehen oder herausgefunden worden wäre. Und dann das Steuerabkommen: Rot-Grün schickt ein fein austariertes Verhandlungsresultat bachab, ohne sich die Mühe zu geben, die lautstark vorgebrachten Vorwürfe der Ungerechtigkeit ernsthaft zu belegen.“

Ist Deutschland so grottenschlecht? Wohl nicht. Das im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat am Widerstand von SPD und Grünen gescheiterte Steuerabkommen sah eine pauschale, anonyme und abgeltende Nachversteuerung von Schwarzgeld in der Schweiz vor und sollte den Kauf von Bankdaten deutscher Steuerhinterzieher überflüssig machen.

Nach dem Abkommen sollte auf das bei Schweizer Banken liegende Schwarzgeld deutscher Steuerhinterzieher einmalig eine Pauschalsteuer zwischen 21 und 41 Prozent an den deutschen Fiskus abgeliefert werden. Dies sollte anonym und für zehn Jahre rückwirkend geschehen. Künftige Erträge sollten dann von 2013 an genauso besteuert werden wie in Deutschland.

Die schwarz-gelbe Koalition ging davon aus, dass schon 2013 bis zu zehn Milliarden Euro in die Staatskasse gespült würden. SPD und Grüne sahen das anders. Ihrer Meinung nach war der Betrag weit überschätzt. Zudem hätten Steuerhinterzieher die Gelegenheit erhalten, ihr Schwarzgeld aus der Schweiz abzuziehen und wären so – nach Ansicht von Rot-Grün – auch noch belohnt worden. Der Vermittlungsausschuss forderte die Bundesregierung zu neuen Gesprächen mit der Schweiz auf, mit dem Ziel, ein „gerechtes Abkommen“ auszuhandeln. Die Schweiz sagte Njet.

Traditionelle Werte, hohe Qualität von Produkten und Dienstleistungen sowie eine solide Wirtschaftsordnung attestiert Jungholz der Schweiz und insbesondere ihrem Ruf als Finanzplatz. Ob sich das auch in der Diplomatie mit einem übermächtigen Nachbarn auszahlt, muss sich erst noch weisen.

 

 

 

 

 

 

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