Schwarm-Vehemenz
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Schwarm-Intelligenz ist ein vieldiskutiertes Thema. Hier wird es für einmal nicht debattierend, sondern bühnensprachlich umgesetzt. The Wisdom of the Crowd nennt das Panorama Dance Theater sein Stück, das laut Beschrieb «das Verhalten und die Dynamiken von Gruppen angesichts krisenreicher Zeiten» erforschen will.
Individualität trifft auf Kollektiv; was das heisst, lässt sich bei einem Probenbesuch in der Offenen Kirche St.Gallen erahnen: Die Tänzer hetzen über gestapelte Holzkisten, jagen sich, bilden Duos, Trios, mal ein Quintett, einen Schwarm, folgen und verfolgen einander. Eine wilde Jagd: Schwarm-Vehemenz.
Die Männer-Energie
Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Truppe nur aus Männern besteht. «Wir hatten Lust auf diese Art Männer-Energie», sagen Tobias Spori und Ann Katrin Cooper vom Panorama Dance Theater. «Und ein reines Männer-Ensemble löst Konflikte anders als eine gemischte Truppe.» Dabei lernten sich die Tänzer erst über das Casting zu diesem Projekt kennen und arbeiten zum ersten Mal miteinander.
Neben Tobias Spori, dem St.Galler, ist King San Lo aus Honkong dabei, dazu die Spanier David Vilarino Gonzalez und Marc Lapuerta Lizana und die Italiener Antonio Marino und Marco Di Nardo. Sie sind jung, tragen Bart, sie bringen ganz unterschiedliche Tanzprägungen mit, vom Breakdance bis zu klassischen und asiatischen Bewegungsstilen, und sie wirbeln über die Bühne, dass es einem vom Zusehen schwindlig werden kann.
The Wisdom of the Crowd:
24. und 25. März 20 Uhr, 26. März 17 Uhr, Lokremise St.Gallen.
Im Probenprozess sei vieles aus Improvisationen entstanden, aus dem, was die Ensemblemitglieder an Bewegungsvariationen «anbieten» – «und sie bieten unglaublich viel an», begeistert sich Tobias Spori. Er und Co-Choreographin Cooper hätten zwar eine genaue Vorstellungen davon gehabt, wie sich das Stück entwickeln soll, aber nur schon die «Parcoursszene», an der sie an diesem Tag gerade feilen, verändere und entwickle sich immer weiter.
Tanz, wo man ihn nicht erwartet
Das Panorama Dance Theater ist mit Stücken an ungewöhnlichen Orten bekannt geworden, unter anderem mit Moderne Pilger in der Kletterhalle oder den Echos am Fälensee. Das Schwarm-Stück bleibt in dieser Hinsicht konventioneller: Es hat Ende dieser Woche in der Lokremise Premiere und geht voraussichtlich im Herbst auf Tournee.
Voller Lob ist Spori für den idealen Proberaum in der Offenen Kirche – mit viel Höhe, mit viel Bühnenplatz und sogar mit Fussbodenheizung. «Für St.Gallen ist das genial», sagt Spori. Allerdings: Die Kirche wird dem geplanten HSG-Campus weichen müssen, für die Probesituation der freien Tanz- und Theaterszene keine gute, immerhin aber noch einigermassen ferne Aussicht.
Bilder: Pierre Lippuner
Dieser Beitrag erschien im Märzheft von Saiten.