Leselust und Wasserdruck

Seit 10 Jahren gibt es an den Thurgauer Primarschulen das erfolgreiche Leseförderungsprojekt «Geschichtendock». Mit der neuen Staffel wird bei den Schulkindern nicht nur die Lust am Lesen, sondern auch der Forschergeist angesprochen.
Von  Harry Rosenbaum
Den Kindern werden Experimente vorgeführt, die sie danach selber durchführen können.

Am Montag – am ersten Schultag im neuen Jahr 2016 – ist es im Singsaal des Hubschulhauses in Steckborn mäuschenstill. 120 Schülerinnen und Schüler hören gebannt dem Auftakt der Geschichte von Kati und Sven und dem zerstreuten Professor zu. Mit fester Stimme liest Daniel Badraun vor, was er sich als Autor für den Anfang der Geschichte ausgedacht hat. Die Kinder werden den Verlauf der angerissenen Story nun zwischen Januar und April mit Abstimmungen im Internet mitbestimmen.

Badraun schreibt wöchentlich unter Einbezug der Reaktionen der Kinder die neuen Folgen der Abenteuer von Kati, Sven und dem zerstreuten Professor und stellt sie jeden Montag ins Netz. Der Plot ist eine Reise durch die Welt der Naturwissenschaften. Über spannende Experimente, welche die Kinder selbst durchführen können, tauchen sie direkt ins Geschehen ein.

dock_2

Daniel Badraun und sein Publikum.

Wie das geht, wird gleich im Experimentierraum des Schulhauses vorgeführt. Hier macht eine dritte und vierte Klasse Bekanntschaft mit dem Wasserdruck. Die Kinder stehen vor der Frage, wo wohl am meisten Wasser herausspritzt, wenn in eine Petflasche drei Löcher gemacht werden: eines unten, eines in der Mitte und eines oben.

Lernen im Handeln – und im Lesen

Nach kurzem Überlegen und Diskutieren zeichnen alle Schülerinnen und Schüler auf dem ausgeteilten Experimentierblatt die vermutete Stärke der Wasseraustritte ein. Klassenlehrerin Maria Barmettler giesst danach einen Krug Wasser in die vorbereitete Flasche. Und was die meisten Kinder richtig vermutet haben, tritt denn auch ein: Aus dem untersten Loch schiesst der dickste Wasserstrahl, in der Mitte ist es ein mässiger und beim oberen Loch nur mehr ein Rinnsal. So funktioniert Wasserdruck.

Jean-Philippe Gerber, verantwortlich für das Geschichtendock, sagt zum Lernzweck des Experimentes, dass die Kinder erst Vermutungen anstellen sollen, die sie anschliessend über das Ausprobieren im Experiment auf die Probe stellen – und daraus dann die richtigen Schlüsse ziehen können.

Kooperation mit dem Technorama

Wie Natur funktioniert, lernen die Thurgauer Primarschulkinder über das Lesen der von ihnen mitbestimmten abenteuerlichen Fortsetzungsgeschichte. «Lesen ist eine Schlüsselkompetenz, die nicht nur die Welt erschliesst, sondern auch das Zurechtfinden im Alltag ermöglicht», sagt Walter Gerber, Chef des Amtes für Volksschule. Diese Kompetenz müsse in der Schule stark gefördert werden, um den Kindern eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Lesen werde durch die Medienvielfalt tendenziell immer wichtiger. Kinder und Jugendliche würden heute in verschiedenen Lebensrealitäten aufwachsen. Geschichtendock versuche, diese Realitäten über spannende Fortsetzungsgeschichten miteinander zu verknüpfen.

Geschichtendock 2016 erfolgt in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Thurgau und dem Technorama in Winterthur. Viele der Experimente befinden sich im Grossformat im Technorama und können dort auch ausprobiert werden. Mit Hilfe von speziellen Auftragskarten spüren die Schülerinnen und Schüler den Geheimwegen von Kati und Sven nach und erkunden so spannende Naturphänomene.