, 31. Mai 2021
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Schrödingers Rechnung

Wann gibt man Trinkgeld? Wie viel Trinkgeld gibt man? Was passiert, wenn man weniger Geld gibt als auf der Rechnung steht? Fragen über Fragen, die Antworten hier im Beitrag unseres Kolumnisten Jan Rutishauser aus dem Maiheft von Saiten.

Trinkgeld ist für mich so, wie wenn ein Quizmoderator stolpert: Es wirft viele Fragen auf.

Wann gibt man Trinkgeld? Wie viel Trinkgeld gibt man? Was passiert, wenn man weniger Geld gibt als auf der Rechnung steht und sagt: «Passt so! S’letscht mal han i zviel geh, so gliicht sichs wieder us.»

Und warum kriegt meistens nur die Bedienung Trinkgeld und das Personal in der Küche nicht? Denn wie oft habe ich es schon erlebt, dass ich im Restaurant sass und es kam ein Gruss aus der Küche? Aber es hat mir noch kein Kellner je gesagt: «En Gruess vom Service!» und mir dann eine Extra-Gabel hingelegt. Oder in einem Zürcher Restaurant mir wahlweise eine Linie Koks angeboten.

Sowieso: Warum ist es nur bei gewissen Berufen üblich, Trinkgeld zu geben? Fahrradkuriere kriegen Trinkgeld, ich als Kabarettist aber nicht, obwohl ich auch jeden Abend liefern muss!

Andererseits, wenn mich nach der Show Leute aus der letzten Reihe mit Fünfliber beschmeissen würden, würde ich dies wahrscheinlich mit einem lachenden und einem blutenden Auge sehen.

Und zudem: Was, wenn ich gar kein Trinkgeld bekäme? Beim Schlussapplaus kann ich mir immerhin noch einreden, dass es doch lauter war als ich dachte.

Jan Rutishauser, 1987, ist Kabarettist, Kolumnist und Koach für Rechtschreibung und Comedy Writing. (Illustration: Lukas Schneeberger)

Aber bei Trinkgeld…? Ein Franken bleibt ein Franken. Wenn Du dir selber weismachen kannst, dass ein Franken eigentlich 20 Franken sind, bist du im falschen Beruf. Dann solltest du bei Credit Suisse als Hedge Fund Manager einsteigen.

Und was ich mich auch frage: Wie hat das mit dem Trinkgeld überhaupt angefangen?

Hat eine Kellnerin einfach mal gesagt: «Das macht 23.30, aber 25 goht im Fall au!»

Und der Kunde ganz verdattert so: «Okay…»

Oder hat ein Fleischfachverkäufer den Beruf gewechselt und an seinem ersten Tag als Kellner beim Präsentieren der Rechnung reflexartig gefragt: «Dörfs au es bitzeli meh si?»

So oder so: Ich gebe gerne Trinkgeld. Auch einfach nur, um es meinem alten Mathelehrer zu zeigen. Denn es ist die einzige Möglichkeit, dass aus zwei Bier zu je sechs Franken 14 Franken werden und… es stimmt so!

Quasi Schrödingers Rechnung: komplett falsch und trotzdem korrekt.

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