Schaumschläger auf Hochtouren
Mit seinem Stück Mal was Afrika gewann Dmitrij Gawrisch den ersten Preis an den Autorentagen des Theaters St.Gallen. Seine bitterböse Analyse des Theaterbetriebs wird nun in der Lokremise uraufgeführt. von Sebastian Ryser
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Zeitgenössisches Sprechtheater hat es bekanntlich nicht leicht. Meist wird es auf die kleinen Studiobühnen verdrängt und dort vor wenigen Fans gespielt. Dem will das Theater St.Gallen entgegenwirken. Mit den Autorentagen, die es gemeinsam mit dem Theater Konstanz veranstaltet, wurde ein Rahmen geschaffen, um junge Dramatikerinnen und Dramatiker gezielt zu fördern: Sie bewerben sich mit einem Stückkonzept, das die Siegerin oder der Sieger anschliessend ausarbeiten kann. Letzten Sommer hat der Wettbewerb zum zweiten Mal in dieser Form stattgefunden. Gewonnen hat ihn der in Kiew geborene und in Bern aufgewachsene Dmitrij Gawrisch.
In der Aufmerksamkeitsmaschine
Auf deutschsprachigen Bühnen ist der Autor längst kein unbekanntes Gesicht mehr. Der 32-Jährige hat unter anderem am Autorenprojekt Dramenprozessor des Theaters Winkelwiese teilgenommen, wurde mit seinem Stück Brachland zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen und gewann 2013 den «open mike» der Literaturwerkstatt Berlin.
Seine Erfahrungen mit dem Theaterbetrieb sind auch in das Stück Mal was Afrika eingeflossen: Es beschreibt den Kulturbetrieb als Maschinerie, in der Vermarktung wichtiger ist als die Inhalte. Einen Kulturbetrieb, der rastlos den neusten Moden hinterherjagt, der gierig nach Aufmerksamkeit heischt und der für die Gunst des Publikums alles tun würde. Hauptsache nicht reaktionär sein! Hauptsache, es steht nachher was in der Zeitung!
Dieser Welt hält Dmitrij Gawrisch einen Spiegel vor und untersucht mit seinem Stück, wie ein solches Theater über sich selbst spricht. Im Zentrum stehen drei Performer, Prototypen des bornierten Künstlers, die ganz gross rauskommen wollen. Den geeigneten Ort für ihre Performance erhoffen sie sich in Afrika – in ihrer Vorstellung eine Metapher für Ursprünglichkeit und Authentizität. Doch natürlich entpuppt sich der vermeintliche Kulturaustausch als reine Farce: Die Performer dozieren auf dem fremden Kontinent über zeitgemässes Theater, als sässen sie in einer Berliner Künstlerkneipe. Dieser Rahmen lässt alles Gerede über Postdramatik, Nietzsche und Sprachgewalt ins Absurde kippen. In solchen Szenen steckt der bitterböse Witz des Stücks. Gleichzeitig zeigt Mal was Afrika, wie weit die Figuren für Anerkennung, Geld und Erfolg gehen. Sie lassen ihre Prinzipien ohne Zögern hinter sich und sind dem verhassten Kapitalismus mit seinen Vermarktungsstrategien plötzlich keineswegs mehr abgeneigt. Schliesslich korrumpiert die Gier nach Erfolg auch die Beziehung zwischen den Figuren: Für eine gute Performance würden sie über Leichen gehen.
Sprachlicher Hochleistungsmotor
Dank Gawrischs virtuoser Sprache läuft das Stück dabei nie Gefahr, zur platten Karikatur zu verkommen: Fragmente kunsttheoretischer Positionen werden wild durcheinander gemischt und von allen Figuren wie Mantras andauernd heruntergerattert. Das Tempo ist hoch, ein Gewehrfeuer aus abgedroschenen Sätzen wie: «Kunst duldet keine Kompromisse», «Kunst und Klarheit schliessen sich aus» oder «Kunst ist zwecklos». Der kulturtheoretische Hochleistungsmotor dreht sich schlussendlich aber im Leerlauf um nichts: Das Stück entlarvt die Slogans in zynischem Stakkato virtuos als hohle Phrasen.
So ist das Stück kritische Reflexion, intelligentes Sprachspiel und herbe Posse in einem. Der St.Galler Schauspieldirektor Tim Kramer inszeniert Mal was Afrika für die Lokremise, im Sommer wird das Stück auch in Konstanz und in der Zürcher Winkelwiese zu sehen sein. Es bleibt zu hoffen, dass es eine Diskussion über den Stellenwert zeitgenössischer Dramatik anstösst. Denn davon wollen wir mehr sehen.
Mal was Afrika: Samstag, 8. Februar, 20 Uhr (Premiere),
weitere Vorstellungen bis 25. Februar Lokremise St.Gallen.
theatersg.ch