Saiten im Januar: Soziale Arbeit unter Druck

Ein Schwerpunkt über Herausforderungen im Alltag der Sozialarbeitenden in Ostschweizer Schulen, Kinder- und Jugendheimen und Anlaufstellen für Wohnungslose. Ausserdem im Januarheft: die prekären Einkommensverhältnisse in der Kultur, die Ausbaupläne von Galledia, viel Musik und ein kleines Tränchen.
Von  Redaktion Saiten
Den Schwerpunkt zur Sozialen Arbeit im Januarheft hat Luisa Zürcher illustriert.

Andere stützen und unterstützen, das ist ehrenwert. Es ist aber auch eine Profession. Manche belächeln die «Sozis», weil sie nicht BWL oder dergleichen studiert, sondern es sich zur Aufgabe gemacht haben, andere durch schwierige Zeiten und bei der Selbstermächtigung zu begleiten. Sie optimieren nicht ihre Steuern, sondern unser aller Zusammenleben. Weil so viel ist klar: Ohne die Arbeit der unzähligen Soziarbeitenden in den privaten und staatlichen Institutionen würden uns die ohnehin schon grossen gesellschaftlichen Herausforderungen und deren Folgen tout de suite über den Kopf wachsen.

Wer denkt, dabei ginge es einfach ein bisschen ums Händchenhalten, Kopftätscheln und Zuhören, hat keine Ahnung. Der Alltag in der Sozialen Arbeit ist oft ein hartes Brot und noch öfter ist er geprägt von allzu knappen Ressourcen – personell, finanziell und manchmal auch emotionell. Das betrifft viele Bereiche der Sozialen Arbeit. Für dieses Heft haben wir uns drei davon genauer angeschaut: die Arbeit in Kinder- und Jugendheimen, die Schulsozialarbeit und die Arbeit mit Wohnungslosen und sogenannt Randständigen.

Bianca Schellander hat mit Sozialpädagog:innen aus dem Heimkontext über ihren Alltag und die langen, unbezahlten Nächte gesprochen. David Gadze hat die St. Galler Unterkunft für Obdachlose (UFO) und weitere Hilfsangebote besucht, wo Armutsbetroffene, von denen es immer mehr gibt, Unterstützung erhalten. Ausserdem haben wir uns bei mehreren Schulsozialarbeiter:innen umgehört, denn auch in den Schulen kommen viele an Grenzen – Kinder wie Erwachsene. Luisa Zürcher hat den Schwerpunkt illustriert. Kurzfassung: Überall fehlt es an Zeit und Geld und Leuten. Und es hat viel mit Politik zu tun.

Um politische Entscheide geht es auch im Kulturschwerpunkt. Spätestens mit dem Ausbruch der Pandemie haben auch die Hinterletzten kapiert, wie prekär Kulturschaffende vielfach leben und wie wenig ihnen fürs Alter übrigbleibt. Das hat auch mit «untypischen Arbeitsmodellen» zu tun, die in der Logik des Sozialversicherungsrechts nicht wirklich vorgesehen sind. Peter Surber hat sich mit den Einkommensverhältnissen in der Kultur auseinandergesetzt – und mit dem knausrigen St. Galler Kantonsrat.

Alles andere als knausrig ist derzeit das Rheintaler Medien- und Vermarktungsunternehmen Galledia unterwegs. Die Gruppe baut aus: Seit 2022 hält sie die Aktienmehrheit von «Die Ostschweiz», jetzt bewirbt sich Galledia auch noch um eine Fernsehkonzession und macht damit Platzhirsch CH Media Konkurrenz. «Wir wollen uns als zweite Kraft etablieren», sagt Galledia-Verwaltungsratspräsident Urs Schneider. Roman Hertler hat ihn am Hauptsitz in Berneck zum Interview getroffen.

Ausserdem im jungen Januar: St.Gallens «Weg der Vielfalt», die Flaschenpost aus Teneriffa, alte und neue Musik – lauter Erfreuliches also. Und ein kleines Tränchen, freudig und traurig: Anna Rosenwasser gibt ihre «Nebenbei Gay»-Kolumne nach knapp fünf Jahren und einem gemeinsamen Buch ab. Wir bedanken uns lieb und herzlich bei Frau Neo-Nationalrätin für die vielen so aufschlussreichen wie humorvollen Texte und wünschen ihr alles Gute und viel Durchhaltevermögen. Ihren Platz übernimmt ab Februar die Journalistin und Künstlerin Mia Nägeli – willkommen in der Bande!

Corinne Riedener

 

Der Inhalt:

Reaktionen/Positionen
Redeplatz mit Judith Grosse
Bildfang
Stimmrecht von Sangmo
Nebenbei gay von Anna Rosenwasser

 

Perspektiven

Soziale Arbeit unter Druck

Wohnungslosigkeit nimmt zu

Immer mehr Menschen in St. Gallen sind wohnungslos. Und die Armut nimmt immer schneller zu. Das stellt auch die Sozialarbeitenden und ihre Institutionen vor Herausforderungen. von David Gadze

Engagiert, aber ausgebrannt

Schulsozialarbeiter:innen sollen für alle im Schulhaus ein offenes Ohr haben. Theoretisch. In der Praxis sind sie schon froh, wenn sie die dringendsten Fälle annehmen und «Grossfeuer» löschen können. von Corinne Riedener

Akut burnoutgefährdet

Die derzeitigen Arbeitsbedingungen von Sozialpädagog:innen in Kinder- und Jugendheimen sind nicht vom Arbeitsgesetz geschützt und verhindern ihren Auftrag aber mehr, als dass sie ihn fördern. von Bianca Schellander

 

Flaschenpost aus Teneriffa
Für die Katz – Workaway auf einem kanarischen Gnadenhof. von Viviane Sonderegger

 

«Wir wollen uns als zweite Kraft etablieren»

Die Galledia-Gruppe bewirbt sie sich um Bundeskonzessionen für ein Regionalfernsehen. Das ist auch eine Kampfansage an CH Media, den medialen Platzhirsch in der Ostschweiz. Das Interview mit Galledia-Präsident Urs Schneider. von Roman Hertler

Bild: Andri Vöhringer

 

Kultur

Aufgeben – oder kämpfen

Die materielle Situation von Kulturschaffenden hat sich in den letzten Jahren nicht entscheidend verbessert. Ein Blick auf Honorare und Gagen, den knausrigen St. Galler Kantonsrat und die Krux mit den «untypischen Arbeitsmodellen» in der Kultur. von Peter Surber

Illustration: Beni Bischof

 

Küsse und Fäuste aus der Provinz: Projekt ET veröffentlichen ihr zweites Album. Moralpanik ist Battlerap mit ehrlicher Liebe zur Provinz und verspieltem Hass auf alles andere. von Mia Nägeli

 

Gelungener Neubeginn: Das St.Galler Duo Lord Kesseli and The Drums kehrt mit einem neuen Album zurück. Auf I Was In Love zeigt es sich so poppig wie nie zuvor. von David Gadze

 

Zeitlose Klangwelt: Die Bach-Stiftung widmet sich der vollständigen Aufführung und Vertonung von Johann Sebastian Bachs Vokalwerk – seit über 17 Jahren. von Lilli Kim Schreiber

 

Weint sie wirklich?: Regisseurin Lisa Gerig stellt Asylerstbefragungen nach und kehrt dann die Machtverhältnisse um. Bemerkenswerte Einblicke in ein absurdes System. von Corinne Riedener

 

Parcours: Auto, Metropolis, Paraphon, Pekarek, Cavalleria Rusticana

 

Gutes Bauen Ostschweiz: Quinten – Wie kann das Zauberdorf überleben? von Ulrike Hark

 

Plattentipps: Analog im Januar

 

Boulevard: Neujahrsklatsch(en)

 

Abgesang

Kellers Geschichten: Herr Hotz

Pfahlbauer: Platz kann sie nicht, aber Schnee schon noch.

Comic von Julia Kubik: Guets Neus!

 

Nichts mehr verpassen: Saiten abonnieren! Hier gehts lang.