, 28. Dezember 2017
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Saiten im Januar: Improvisorium

Zwischennutzungen sind Mode. Vermutlich passen sie zu einer Zeit, die auf permanente Veränderung setzt. Zwischennutzungen sind ein Glück – aber auch fragwürdig, aus Besetzerperspektive. Zwischennutzen: Das tut auch Saiten. Im Kulturkonsulat und im Januarheft.

Bleiben und gehen. Das schöne Doppel-Stichwort ist kürzlich im Freundeskreis gefallen und lustvoll diskutiert worden. Eher denkt man zuerst an: Bleiben oder gehen. Es ist die Alternative, die jede und jeder kennt: Bleibe ich oder gehe ich? Gehöre ich hierhin oder dorthin? Bin ich diese oder jene? Aber hier war es kein «Oder», sondern ein «Und»: zwei Bewegungen ineins gedacht, nicht gegensätzlich, sondern umarmend. Sowohl als auch. Bleiben und gehen. Gehen und bleiben.

Hinter dem unscheinbaren «Und» steht eine Haltung. Ein Glaube an Möglichkeiten im Plural statt an die eine, richtige, unfehlbare, in Stein gemeisselte Entscheidung im Singular. Die Zuversicht, es gebe Farben und Grautöne statt Schwarzweiss. Die Lust, die Dinge in aller Nüchternheit auch mal doppelt zu sehen. Diese Haltung zeichnet auch jene aus, von denen in diesem Heft die Rede ist: die Zwischennutzerinnen, die Umnutzer, die Freunde des Temporären. Sie trauen sich zu, an einem Ort und doch nicht festgenagelt zu sein. Sich für etwas zu engagieren auch im Wissen darum, dass es keine Ewigkeit Bestand hat. Das Fragile für stabil zu nehmen.

Zwischennutzungen sind in Mode. Vielleicht passen sie zu einer Zeit, die auf permanente Veränderung setzt. Auch in der Stadt St.Gallen und in der Region sind diverse Kulturprojekte mit provisorischem oder sonstwie temporärem Charakter im Gang oder im Entstehen. Das Kulturkonsulat, in dem auch Saiten arbeitet, gibt es im Januar seit einem Jahr – kein gewaltiges Alter, aber ein Grund zum Feiern und zu fragen, wie es um diese und andere Zwischennutzungen steht: die Hauptpost-Bibliothek und ihr eventueller künftiger Standort im Union, das Lattich-Areal, der Hof zu Wil, das Projekt 1000 m2 in Rorschach oder das zum Kulturzentrum mutierende Schiesserareal in Kreuzlingen. «Potential» für weitere Projekte böten die zahlreich leerstehenden Ladenlokale und Büros, wie der fotografische und textliche Rundgang von Claudio Bäggli und Marion Loher durch die St.Galler Innenstadt zeigt. Dass man diese Entwicklung auch weniger rosig sehen kann, zeigt der Einspruch des Open Doors Squattermagazins aus Bern: Besetzen statt zwischennutzen heisst die Devise. Die Argumente der Stadtkritiker und den «Fluch der ökonomischen Stadt»  diskutiert Corinne Riedener mit dem St.Galler Soziologen Dani Fels.

Weiter im Heft: Interviews zur aufgewühlten Mediensituation, Bücher von und über Susanna Kulli, Georg Gatsas, Helen Meier und Lisa Elsässer, Neues im Kino und im Konzert. Und falls Sie über weissschwarze Stellen stolpern: Wir öffnen einige Seiten im Heft für textliche Einwürfe. Zwischennutzungen, wie sie sich für ein Magazin übers Zwischennutzen gehören.

Frohes Bleiben und Gehen im neuen Jahr und überhaupt!

Peter Surber

 

Der Inhalt:

Reaktionen/Positionen
Redeplatz mit Monika Kritzmöller
Hässig von Nadja Keusch
Stimmrecht von Gülistan Aslan
Herr Sutter sorgt sich… von Bernhard Thöny
Evil Dad von Marcel Müller
Blickwinkel von huber.huber

 

Improvisorium

1 Jahr Kulturkonsulat
Die Fragen, die Antworten, das Fest.

En passant
Provisorien sind grossartig, aber nicht gratis.
von Peter Surber

Die nomadische Bibliothek
Wie weiter mit der Hauptstadtbibliothek und dem Union?
von René Hornung

Die Angst vor der gähnenden Leere
Warum stehen in der St.Galler Innenstadt so viele Geschäfte leer?
von Marion Loher

Statt zwischennutzen: besetzen!
Ein Kommentar aus Bern.
von Open Doors Squattermagazin

Lückenbüsserinnen und Verwertungslogiker
Brauchen Städte Zwischennutzungen? Das Interview mit Stadtforscher Dani Fels.
von Corinne Riedener

Leise Sohlen, Apollon und 1000 Quadratmeter
Neue Projekte in Kreuzlingen, Wil und Rorschach.
von Stefan Böker, Marcel Hörler und Richard Lehner.

Die Bilder zum Titelthema stammen von Claudio Bäggli.

 

Perspektiven

Flaschenpost aus Angola.
von Nathalie Maerten

Die Ostschweizer Medienlandschaft im Umbruch. Interviews mit Regierungsrat Fredy Fässler und Medienwissenschafter Vincent Kaufmann.
von Corinne Riedener und Peter Surber

 

Zwischennutzung

Fragen über Fragen.
von Beat von der Crone

Allein.
von Kurt Tucholsky

Bleiben Sie angezogen.
von Berthold Seliger

Hände weg vom Fussball.
von Toni Saller

 

Kultur

33 Jahre Galerie Susanna Kulli: Das Buch.
von Corinne Schatz

Signal the Future: Georg Gatsas‘ Fotobuch zur Ausstellung.
von Corinne Riedener

Sammlung Prinzhorn: Kunst aus der Anstalt.
von Wolfgang Steiger

Übung im Torkeln entlang des Falls: Helen Meiers Lesebuch.
von Peter Surber

Lisa Elsässers Gedichtwerk.
von Rainer Stöckli

Nachruf auf die St.Galler Lyrikerin Elisabeth Heck.
von Peter E. Schaufelberger

Matto regiert am Theater St.Gallen.
von Eva Bachmann

Habemus feminas! Pilgern für die Frauenrechte – der Film.
von Corinne Riedener

Best of Europa: Neue Leichtigkeit.
von Claudio Bucher

Kulturparcours

Mixologie
von Niklaus Reichle und Philipp Grob

3 Gedichte im Januar
von Claire Plassard und Florian Vetsch

 

Abgesang

Kehl buchstabiert die Ostschweiz
Kellers Geschichten
Kreuzweiseworte
Pfahlbauer
Boulevard

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