Saiten im Februar: Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
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Wie doch die Zeit vergeht. Zwei Jahre ist es inzwischen her, seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Plötzlich herrschte wieder Krieg in Europa. Ein Krieg, der uns auch betraf und immer noch betrifft, ganz abgesehen von Energieknappheit, steigenden Preisen für dies und das etc. Er betrifft uns auf einer menschlichen, humanitären Ebene. Doch seit dem 7. Oktober und der Gewalteskalation in Nahost ist der Krieg in der Ukraine in den Hintergrund gerückt, auch wenn ihn das WEF Mitte Januar kurzzeitig ins allgemeine Bewusstsein zurückholte.
Wie auch immer, zwei Jahre nach den schrecklichen Ereignissen vom 24. Februar 2022 richten wir in diesem Heft den Fokus auf die Ukraine – beziehungsweise auf die Menschen, die in die Schweiz gekommen sind. Wir erzählen die Geschichten zweier Familien, die nach St.Gallen geflüchtet sind. Allerdings unter unterschiedlichen Vorzeichen: Für Olena Starovoitenko und ihren Mann stand von Anfang an fest, dass sie sich hier eine neue Existenz aufbauen möchten. Für Iryna Petrychko hingegen war klar, dass sie dereinst in die Ukraine zurückkehren würde. Das tut sie demnächst, obwohl der Krieg noch dauert.
Niemand kann die Ereignisse vom 24. Februar 2022 besser in Worte fassen als jemand, der sie selber erlebt hat. Auch die Journalistin Liliia Matviiv flüchtete vor dem Krieg. Sie erzählt hier ihre ganz persönliche, erschütternde Geschichte von diesem Tag.
Anfang März wählen die St.Galler Stimmberechtigten den Kantonsrat und den Regierungsrat. Schon jetzt ist klar, dass die bürgerlichen Kräfte ihre grosse Mehrheit behalten werden. Etwas mehr Spannung versprechen die Regierungsratswahlen, wo sich immerhin acht Kandidat:innen um die zwei freien Sitze streiten. Die Auslegeordnung von Reto Voneschen gibt es ab Seite 24.
Im Kulturschwerpunkt rollt Peter Müller die Geschichte von Jakob Senn auf. Der Bauernsohn war Schriftsteller, Autodidakt, Gastwirt und vieles mehr. Dieses Jahr wäre er 200 Jahre alt geworden. Das Jubiläumsfest fällt üppig aus: Mit einer Neuauflage seines Buchs Hans Grünauer, einem Film, einem Theaterstück und einer Ausstellung. Mehr dazu ab Seite 31.
Ausserdem im verlängerten Februar: Das auf einen Tag verkürzte und um zwei Bühnen geschrumpfte Nordklang-Festival, die Kulturkosmonauten und ihr inklusives Theater, quasi passend zum Valentinstag Veronika Fischers Buch über die Liebe, ein Film über Berge und ihre Verbindung zu den Menschen. Und wir begrüssen Mia Nägeli, die den Platz von Anna Rosenwasser eingenommen hat und in ihrer Kolumne «24/7 Traumacore» über Traumata und Pop schreibt.
In diesem Heft müssen wir uns schweren Herzens von einem langjährigen und besonders liebgewonnenen Begleiter verabschieden: Charles Pfahlbauer jr. Er hatte seit unfassbaren 23 Jahren das letzte Wort in jeder Saiten-Ausgabe. Nun tritt er ab – und hinterlässt eine Lücke, die wohl niemand so schnell füllen können wird. Wir wollen an dieser Stelle noch nicht allzu viel verraten, aber demnächst werden wir ihn gebührend würdigen. Machs gut Charlie – und danke für alles! Und wer ein paar wie auch immer geartete Abschiedsworte an Charlie richtet, nimmt an der Verlosung von ausgewählten Abschiedspreisen teil. Die Anleitung gibts im letzten Pfahlbauer-Text auf Seite 73.
Wie doch die Zeit vergeht.
David Gadze
Der Inhalt
Reaktionen/Positionen
Bildfang
Stimmrecht von Sangmo
24/7 Traumacore von Mia Nägeli
Redeplatz mit Kerem Adıgüzel
Perspektiven
Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
Olena Starovoitenko und Nevzat Karapinar bauen sich mit ihren Kindern in St. Gallen ein neues Leben auf – und wollen hier bleiben. Für Iryna Petrychko stand hingegen von Anfang an fest, dass sie irgendwann in ihre Heimat zurückkehren würde. Ende Februar ist es so weit. von David Gadze
Der Wohnraum wird langsam knapp
Immer noch kommen viele Ukrainer:innen in die Schweiz. Das stellt die Gemeinden vor Herausforderungen. Und der Widerstand von rechts gegen Geflüchtete nimmt wieder zu. von David Gadze
Erinnerungen an den 24. Februar 2022. von Liliia Matviiv
Die grosse Langeweile vor den Kantonsratswahlen
Am 3. März wird der St.Galler Kantonsrat neu bestellt. Spannung kommt vor diesem Wahlgang kaum auf. Hauptgrund sind die herrschenden Mehrheitsverhältnisse: Die Bürgerlichen sind dermassen übermächtig, dass auch die im besten Fall zu erwartenden Sitzverschiebungen nichts daran ändern können. von Reto Voneschen
Flaschenpost aus Kairo: Würdest du dann die Musik aufdrehen und feiern? von Phil Battiekh
Kultur
Zwischen Stall, Webstuhl und Bibliothek
Jakob Senn (1824-1879) war nicht nur Schriftsteller, sondern zeitweise auch Gastwirt in St.Gallen. Ein bildungshungriger Bauernsohn und Autodidakt, der letztlich gescheitert ist. Jetz wird sein 200. Geburtstag multimedial gefeiert. von Peter Müller
Literatur
Es ist kompliziert…: Die Konstanzer Autorin und Philosophin Veronika Fischer hat ein Buch über die Liebe geschrieben. Mit dabei: Miley Cyrus und Aristoteles. von Corinne Riedener
Theater
Mission mischen: Die Kulturkosmonauten machen seit acht Jahren Ernst mit Kultur für alle. Auch das Theater St. Gallen geht einen Schritt Richtung Inklusion auf der Bühne. von Peter Surber
Musik
Offene Ohren, offene Zukunft: Das Nordklang-Festival bringt zum 16. Mal skandinavische Musik nach St. Gallen. 2024 fällt der Anlass aber etwas kleiner aus als bisher. von Philipp Bürkler
Kino
Auf den Berg hören: Dominique Margots Dokfilm Bergfahrt ist poetisch, lehrreich und bildgewaltig. Gut fürs Gemüt und dennoch brisant. von Corinne Riedner
Parcours: Arthur Simms, Israel/Palästina, Stadtgespräch, Contrapunkt und Diagonales Jazz
Gutes Bauen Ostschweiz (XVI): Neuer grosser Nachbar. von Nele Rickmann
Plattentipps: Analog im Februar
Abgesang
Kellers Geschichten
Pfahlbauer jr.
Comic von Julia Kubik