Saiten im Februar: Stautobahn
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Die Diskussion um den Verkehr in der Stadt St.Gallen ist wie ein Auto, das in einen Kreisel gefahren ist und nicht mehr hinauskommt: Sie dreht sich im Kreis. Wegen des steigenden Verkehrs auf der Stadtautobahn prognostizieren Fachleute dort und auf dem städtischen Strassensystem den Kollaps. Um diesen zu verhindern, wollen Bund, Kanton und Stadt die Stadtautobahn um eine dritte Röhre durch den Rosenberg und zwei neue Anschlüsse im Güterbahnhofareal und in der Liebegg ausbauen. Obwohl dadurch der Verkehr zunehmen dürfte, wie er auch auf der Stadtautobahn seit der Eröffnung 1987 stetig zugenommen hat. Manche ignorieren einfach, dass eine Stadt nicht attraktiver wird, wenn mehr Autos in ihr fahren. Zudem werben die Befürworter:innen des Strassenausbaus gerne mit dem Argument, die Stadt bekomme den neuen Anschluss praktisch gratis, weil Bund und Kanton fast alle Kosten übernehmen. Als ob etwas Schlechtes nur dadurch besser wird, dass es nichts kostet.
Ausserdem wären die Kosten dennoch hoch. Zwar hat Architekt Andy Senn in der Testplanung für das Güterbahnhofareal eine Lösung gefunden, dieses vom Verkehr zu befreien und damit dessen Entwicklung zu sichern, indem er den Anschluss an den Knoten St.Leonhard verlegte. Doch auch dort wäre ein solches Riesenbauwerk ein massiver Eingriff – raumgestalterisch wie verkehrlich. Die Idee, an einem der neuralgischsten Verkehrspunkte der Innenstadt einen Autobahnanschluss zu bauen, ist jedenfalls ziemlich abenteuerlich. Dieses Heft widmet der Stadtautobahn einen Schwerpunkt und wirft auch einen Blick in den Rückspiegel auf ihre die Planung und ihren Bau. Und Andy Senn erzählt über die Entwicklung des Güterbahnhofareals und die baulichen Sünden der Vergangenheit.
Übrigens: Dass es auch andere Lösungen gegen die immer grösser werdende Blechlawine gibt, zeigt sich beispielhaft in Paris. Bürgermeisterin Anne Hidalgo treibt die Verkehrswende mit allen Mitteln voran und scheut sich nicht davor, den Autos einfach den Platz wegzunehmen. In den vergangenen Jahren wurden rigoros Autofahrspuren reduziert, in der Innenstadt ebenso wie auf dem berühmt-berüchtigten Boulevard Périphérique, der ringförmigen Stadtautobahn, eine der verkehrsreichsten Strassen Europas, wo täglich Dauerstau herrscht. Es gibt mehr Platz für Velos, Fussgänger:innen, Grünflächen und den öffentlichen Verkehr, der in Paris massiv ausgebaut wird. Und natürlich gibt es auch Widerstand gegen diese Pläne. Doch die Mehrheit der Menschen steht hinter der Politik von Hidalgo: Mit dem Versprechen eines «grünen Mekkas» wurde sie 2020 mit fast 50 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt.
Nicht ums Präsidentenamt, aber immerhin um die Nachfolge von Paul Rechsteiner im Ständerat geht es am 12. März im Kanton St.Gallen. Esther Friedli (SVP), Barbara Gysi (SP), Franziska Ryser (Grüne) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) sind im Rennen um den freien Sitz. Saiten hat die vier Nationalrätinnen zum gemeinsamen Interview getroffen und sich mit ihnen ausführlich über Kultur, den Fachkräftemangel und die Klimakrise unterhalten.
Uneinigkeit gibt es nicht nur bei den Ständeratskandidatinnen, sondern auch in der Frage, ob Schepenese in die Stiftsbibliothek oder zurück nach Ägypten gehört. Ägyptologin Monica Hanna erklärt, warum die Mumie zurückkehren soll und wie sie die Diskussion über dieses Thema erlebt. Ausserdem schauen wir auf das Nordklang-Festival voraus, während der St.Galler Filmemacher und Kulturschaffende Roger Walch in der Flaschenpost auf 25 Jahre in seiner Wahlheimat Japan zurückblickt. (David Gadze)
Der Inhalt:
Reaktionen/Positionen
Bildfang
Stimmrecht von Sangmo
Warum von Jan Rutishauser
Blick in die Region
Nebenbei gay von Anna Rosenwasser
Perspektiven
Stautobahn
Saiten hat die aktuelle Planerei und die historische Bauerei der Stadtautobahn unter die Lupe genommen und ist der Frage nachgegangen, wie sich der Ausbau auf die Blechsalatmenge auswirken könnte. Ausserdem: Das Gespräch über die Entwicklung des Güterbahnhofareals und städtische Bausünden.
Mehr Beton bringt mehr Blech
von David Gadze
«Der Erhalt des Güterbahnhofgebäudes ist zentral»
von David Gadze
Der lange Streit um ein kurzes Stück Autobahn
von Reto Voneschen
«Nur wer keine Existenznöte hat, kann sich frei entfalten»
Vier Kandidatinnen kämpfen am 12. März um den freigewordenen St.Galler Ständeratssitz. Saiten hat Barbara Gysi (SP), Franziska Ryser (Grüne), Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) und Esther Friedli (SVP) zum gemeinsamen Interview getroffen.
Von Corinne Riedener (Interview) und Ueli Steingruber (Bilder)
Flaschenpost aus Japan: Rückblicke und Zukunftssorgen
von Roger Walch
Kultur
«Wir wollen sie zurück!»
Ägyptologin Monica Hanna erklärt im Interview, warum Schepenese nach Ägypten gehört.
von Roman Hertler (Interview) und Mohamed Hassan Gilberto (Bild)
Anmerkungen zur Restitutionsdebatte
von Richard Butz
Musik: Das Nordklang-Festival kehrt zurück.
Von Philipp Bürkler
Literatur: 179 Seiten Stress gehen unter die Haut.
Von Davide Gadze
Kunst: Das Museum im Lagerhaus gibt sich einen neuen Namen.
Von Corinne Riedener
Kino: Der Dokfilm über illegale Saisonnierkinder in der Schweiz.
Von Corinne Riedener
Gutes Bauen Ostschweiz: Das neue Hallenbad in Appenzell.
Von Stefanie Haunschild
Parcours: Fai Baba in der Graben, die Pfeffermühle im Parfin
Analog: Plattentipps im Februar
von Magdiel Magagnini, Lidija Dragojevic und Philipp Buob
Abgesang
Kellers Geschichten
Pfahlbauer jr.
Comic von Kubik