Sackgasse Güterbahnhof
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Der Widerstand gegen den Autobahnanschluss im Güterbahnhofareal wächst nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in der Politik: Vergangene Woche hat das St.Galler Stadtparlament das Postulat «Übungsabbruch statt Millionen für Planungsleiche verschleudern» erheblich erklärt.
Mit der Überweisung erhöht es den Druck auf den Stadtrat, der hinter dem Millionenprojekt steht: Zum einen soll er in einem Bericht darlegen, wie das Areal ohne einen Autobahnanschluss geplant beziehungsweise entwickelt werden könnte. Und zum anderen soll sich der Stadtrat gegenüber Bund und Kanton dafür einsetzen, dass die Planung für einen Autobahnanschluss in diesem Gebiet «unverzüglich gestoppt wird».
Von einem Planungsstopp will der Stadtrat jedoch vorerst nichts wissen. Man nehme das Signal des Parlaments «sehr ernst», versichert Baudirektor Markus Buschor. Der Stadtrat werde nun aber «keinen Brief nach Bern schicken» und aufgrund des Postulats einen Übungsabbruch fordern. Denn die Stadt wolle gegenüber Bund und Kanton weiterhin als «verlässliche Partnerin» auftreten.
Mit anderen Worten: Nach Jahren der Planung kommt eine plötzliche Kehrtwende für den Stadtrat nicht in Frage.
Die Planung nicht mittendrin abbrechen
Klar ist aber auch, dass es ein Geradeaus-wie-bisher nicht geben kann. Steckt der Stadtrat also in einer Sackgasse? Buschor verneint. Er verweist auf die Abstimmung zur Volksinitiative «Für ein lebendiges Areal Güterbahnhof ohne Autobahnanschluss». Diese lehnten im Februar 2016 rund 63 Prozent der städtischen Stimmberechtigten ab.
Der Stadtrat interpretiert dieses Nein als Ja zur Entwicklung des Areals mit Autobahnanschluss – und dieses Ja könne das Parlament nun nicht einfach mittels eines Postulats wegwischen, betont Buschor.
Die Politik müsse einen solchen Volksentscheid respektieren, auch wenn das Parlament vom Volk gewählt sei. «Aber wir unterschätzen nicht, dass ein Teil der Bevölkerung dieses Projekt ablehnt. Diese Stimmen wollen wir ebenfalls einbringen.» Jetzt sei aber nicht der richtige Zeitpunkt, um die Planung «mittendrin» abzubrechen.
Mehrverkehr als grösste Herausforderung
Die Planung des Güterbahnhofareals mit Autobahnanschluss läuft also vorerst weiter. Gleichzeitig muss der Stadtrat im Bericht darlegen, wie die Entwicklung auch ohne Anschluss möglich sein soll. Eine sinnfreie Pflichtübung also?
Buschor widerspricht: «Wir bekommen nun noch einmal die Gelegenheit aufzuzeigen, warum wir dieses Projekt verfolgen und welche Ideen wir haben.» Im Rahmen der Testplanung habe ein Team aufgezeigt, wie das Areal ohne Autobahnanschluss entwickelt werden könnte. «Darauf können wir zurückgreifen.»
Die Resultate der Testplanung für das Areal habe der Stadtrat im Übrigen sehr kritisch beurteilt. «Uns ist auch bewusst, dass es verschiedene Herausforderungen gibt, die noch nicht gelöst sind. Und die grösste Herausforderung ist nicht das Entwickeln der Insel Güterbahnhofareal. Sondern deren Anknüpfung an die umliegenden Gebiete», sagt der Baudirektor.
Was übersetzt nichts anderes heisst, als Lösungen für den Mehrverkehr, den der Autobahnanschluss in jenem Teil der Stadt auslösen würde, zu finden. Erst wenn diese Lösungen vorlägen, sei «eine Gesamtabwägung» möglich.
Das letzte Wort wird das Volk haben
Das letzte Wort wird aber ohnehin wieder das Stimmvolk haben. Für das Projekt sieht das kantonale Strassengesetz eine Vernehmlassung bei der entsprechenden politischen Gemeinde vor. Und liegt der Betrag des Projekts – wie in diesem Fall – über drei Millionen Franken, braucht es gemäss Gemeindeordnung der Stadt St.Gallen einen Parlamentsentscheid. Dieser untersteht dem fakultativen Referendum.
Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament ist davon auszugehen, dass es zu einem Ratsreferendum und somit zu einer Volksabstimmung kommen wird. Abgesehen davon müsse zuvor auch der Stadtrat im Rahmen des Vernehmlassungsbeschlusses, der in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu erwarten ist, über das Projekt befinden, sagt Buschor. «Deshalb wollen wir jetzt nicht ein unzeitgemässes Nein zum Autobahnanschluss nach Bern kundtun.»